Leitsatz (amtlich)

Die Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten gehören auch insoweit zur kassenärztlichen Versorgung, als sie bei Neugeborenen (Erst- und Basisuntersuchungen) im Zusammenhang mit stationär durchgeführten Entbindungen erfolgen (BMV-Ärzte § 10a Abs 2 und 3). Der den Kassenärztlichen Vereinigungen erteilte Auftrag zur vollziehenden Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (RVO § 368n Abs 1) schließt auch bei den Früherkennungsmaßnahmen eine Regelungskompetenz der KK aus.

 

Normenkette

RVO § 368 Abs. 2 Fassung: 1955-08-17, Abs. 1 S. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368n Abs. 1 S. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368p Abs. 5 Fassung: 1970-12-21, § 181 Abs. 2 Fassung: 1970-12-21; BMV-Ä § 10a Abs. 2-3

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. November 1973 wird zurückverwiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) erstrebt die Feststellung, daß die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) nicht berechtigt sei, mit dem beigeladenen Krankenhausträger die Vergütung von stationär durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen von Neugeborenen - Neugeborenen-Erstuntersuchungen und Neugeborenen-Basisuntersuchungen - zu regeln.

Im August 1971 vereinbarte die Beklagte mit dem Rechtsvorgänger des beigeladenen Krankenhausträgers einen Nachtrag zur Pflegesatzvereinbarung vom Juni 1970. Außer einer Erhöhung des Pflegesatzes für gesunde Neugeborene regelten die Vertragsparteien, daß "alle übrigen während des stationären Aufenthaltes anfallenden Aufwendungen (einschließlich der Kosten für die Erst- und Basis*-untersuchungen bei Neugeborenen)" mit den genannten Pflegesätzen abgegolten seien.

Die Klägerin hat daraufhin vor dem Sozialgericht (SG) München Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, derartige Verträge abzuschließen. Das Zweite Krankenversicherungs-Änderungsgesetz - 2. KVÄG - vom 21. Dezember 1970 (BGBl I 1770) habe die Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten in § 368 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausschließlich der kassenärztlichen Versorgung zugewiesen.

Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 28. Juli 1972). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil bestätigt (Urteil vom 28. November 1973): Die Beklagte habe kein Recht zum Abschluß von Verträgen über die Vergütung von Neugeborenen- Erst- und Basis*-untersuchungen, weil § 368 Abs 2 RVO die Früherkennungsmaßnahmen uneingeschränkt, also auch soweit sie stationär durchgeführt würden, der kassenärztlichen Versorgung zuordne. Die entsprechende Anwendung der für die ärztliche Behandlung bei Krankenhauspflege geltenden Ausnahmevorschrift des § 368g Abs 4 RVO sei nicht möglich. Die Früherkennungsmaßnahmen gehörten als eigenständige Leistung nicht zur ärztlichen Behandlung und damit nicht zur Krankenhilfe. Daß die Früherkennungsmaßnahmen nicht in den Sicherstellungsauftrag nach § 368n Abs 1 RVO einbezogen worden seien, beruhe auf einem Versehen. Die etwaigen Schwierigkeiten, die sich bei der in § 10a Absätze 2 und 3 des Bundesmantelvertrags/Ärzte (BMV-Ä) vorgesehenen Einbeziehung von Krankenhausärzten ergeben könnten, machten die Durchführung der streitigen Vorsorgeuntersuchungen als kassenärztliche Versorgung jedenfalls nicht unmöglich.

Die Beklagte und der beigeladene Bundesverband der Ortskrankenkassen beantragen mit der zugelassenen Revision, die Klage unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen. Das Monopol der KÄVen werde durch die Ausführung ärztlicher Maßnahmen in Krankenhäusern überlagert. Dies zeige sich insbesondere bei der Gewährung von Mutterschaftshilfe und gelte auch für die Erst- und Basis*-untersuchungen, die bei Krankenhausentbindungen bereits naturnotwendig stationär durchgeführt werden müßten. Eine ausschließliche Zuweisung der Früherkennungsmaßnahmen zur kassenärztlichen Versorgung stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Struktur und die Autonomie der Krankenhäuser dar. Die gesetzliche Aufgabenteilung zwischen Krankenkasse, Krankenhäusern und KÄVen müsse auch für Früherkennungsmaßnahmen gelten. Im übrigen seien die KÄVen zur Sicherstellung dieser Untersuchungen, für deren Durchführung die Krankenhäuser die besten Voraussetzungen aufwiesen, auch in Anbetracht der Regelung des § 10a BMV-Ä nicht in der Lage, wenn die Krankenhäuser und die Krankenhausärzte, die überdies noch einer Nebentätigkeitsgenehmigung bedürften, von der in dieser Regelung vorgesehenen Ermächtigung keinen Gebrauch machten.

Die Klägerin und die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung beantragen, die Revision zurückzuweisen. Durch die ausnahmslose Zuweisung der Früherkennungsmaßnahmen zum Bereich der kassenärztlichen Versorgung werde den Kassenärzten keine Monopolstellung eingeräumt; die Früherkennungsmaßnahmen seien allerdings ausschließlich der Regelungsbefugnis der Träger der kassenärztlichen Versorgung unterstellt. Durch diese Zuordnung, durch die allein der Wirkungsbereich der Früherkennungsrichtlinien und die vorgesehene Dokumentation gesichert seien, werde auch in die Rechte der Krankenhäuser nicht eingegriffen, da diese lediglich - wie § 368n Abs 2 Satz 1 RVO bereits vorsehe - nunmehr in Vertragsbeziehungen auch zu den KÄV'en treten müßten.

Der beigeladene Krankenhausträger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet.

Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, daß die beklagte AOK nicht berechtigt ist, mit dem beigeladenen Krankenhausträger die Vergütung der im Krankenhaus vorgenommenen Früherkennungsmaßnahmen bei Neugeborenen zu regeln. Die Sicherstellung auch dieser ärztlichen Versorgung ist Aufgabe der klagenden KÄV. Diese Entscheidung konnte im Wege der Feststellungsklage (§ 55 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) getroffen werden, weil die Beklagte mit ihrer Vereinbarung zugleich die Weigerung zum Ausdruck bringt, die nach Einzelleistungen zu berechnende und an die Klägerin zu zahlende Gesamtvergütung im Hinblick auf die streitigen Untersuchungen entsprechend zu erhöhen.

Die Auffassung der Beklagten, die streitigen Vorsorgeuntersuchungen (Neugeborenen-Erstuntersuchungen unmittelbar nach der Geburt; Neugeborenen-Basisuntersuchungen vom 5. bis 10. Lebenstag - vgl Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres - "Kinderrichtlinien" - vom 28. April 1971 in Beil 14/71 zum Bundesanzeiger Nr 111) seien, wenn die Entbindung in der Entbindungsanstalt oder im Krankenhaus erfolgt, untrennbarer Teil der im Rahmen der Mutterschaftshilfe zu erbringenden Pflege in einer Entbindungs- oder Kranken*-anstalt (§ 195 Nr 4 RVO), läßt sich mit den für die Früherkennungsmaßnahmen maßgebenden gesetzlichen Regelungen nicht in Einklang bringen.

Bereits durch die Aufnahme der Früherkennungsmaßnahmen in den Leistungskatalog des § 368 Abs 2 Satz 2 RVO ist klargestellt, daß sie der gemeinsamen Regelungsbefugnis von Ärzten und Krankenkassen (§ 368 Abs 1 RVO) unterstellt worden sind und nicht außerhalb dieses gemeinsamen Auftrags geregelt werden dürfen. Eine Ausklammerung der im Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt durchzuführenden Neugeborenen-Untersuchungen wäre nur dann vertretbar, wenn Wortlaut und Sinn dieser Regelung zu Zweifeln und damit zu einer einschränkenden Auslegung Raum gäbe. Das ist nicht der Fall.

§ 368 Abs 2 RVO umschreibt inhaltlich den Leistungsbereich der kassenärztlichen Versorgung, der als Grundbegriff des Kassenarztrechts in dieses durch § 368 Abs 1 Satz 1 RVO eingeführt ist. In diesen nach Maßgabe des Ausbaus der kassenärztlichen Versorgung ständig fortgeschriebenen Katalog der Leistungen sind durch das 2. KVÄG die "Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten" eingefügt worden (§ 368 Abs 2 Satz 2 idF des genannten Gesetzes war die Einbeziehung der Krankheitsfrüherkennung in die kassenärztliche Versorgung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens umstritten gewesen (vgl die eingehende Darstellung bei Töns, Die Ortskrankenkasse 1971, 424, 439f). Nachdem jedoch gewährleistet schien, daß alle für Früherkennungsmaßnahmen geeigneten Ärzte und Einrichtungen - unbeschadet der Einbeziehung der Krankheitsfrüherkennung in die kassenärztliche Versorgung - an den genannten Maßnahmen teilhaben können, entschied sich der Gesetzgeber für die Eingliederung der Krankheitsfrüherkennung in die kassenärztliche Versorgung (vgl Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drucks VI/1297, Abschn I unter 2, Buchst d, dd) S 3 wo zur Aufnahme der Früherkennungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung bemerkt wird: "Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten gehören zur kassenärztlichen Versorgung; der Patient hat die freie Wahl unter den an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten").

Nur eine zwingende Schlußfolgerung bringt der genannte Schriftliche Bericht (aaO, Abschn II zu Nr 16, S 4) zum Ausdruck mit der weiteren Bemerkung, daß mit der Einbeziehung der Früherkennungsmaßnahmen in die kassenärztliche Versorgung für diese Maßnahmen dieselben Vorschriften gelten, die auch sonst für die kassenärztliche Versorgung und deren Sicherstellung gelten. Zu Unrecht sieht die Revision in diesem Hinweis eine Stütze für ihre Auffassung, daß damit bei den Früherkennungsmaßnahmen die gleiche Unterscheidung zwischen ambulant und stationär erbrachten Leistungen wie bei der "ärztlichen Behandlung" (§ 368 Abs 2 Satz 1 RVO) Platz greifen soll. Die ärztliche Behandlung gehört allerdings nur insoweit zur kassenärztlichen Versorgung, als sie nicht Teil der Krankenhauspflege ist. Das folgt aus dem Vorbehalt in § 368g Abs 4 RVO für die nicht durch Kassenärzte (Belegärzte) durchgeführte stationäre Behandlung in Krankenhäusern sowie daraus, daß § 368 Abs 2 Satz 2 RVO nur die "Verordnung von Krankenhauspflege" zur kassenärztlichen Versorgung rechnet und damit die Krankenhauspflege selbst - und die mit ihr erbrachte ärztliche Behandlung - grundsätzlich von der kassenärztlichen Versorgung ausnimmt.

Was für die ärztliche Behandlung gilt, kann jedoch nicht auf die Früherkennungsmaßnahmen übertragen werden. Die Krankheitsfrüherkennungsmaßnahmen dienen "der Sicherung der Gesundheit" (so der genannte Schriftliche Bericht aaO, Abschn I, unter 2, Buchst d, S 2) und sind nicht wie die ärztliche Behandlung ein Teil der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO). In der Systematik des Gesetzes steht daher der Unterabschnitt Ia: "Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten" selbständig neben den Kapiteln II ("Krankenhilfe"), III ("Mutterschaftshilfe") und den weiteren des Zweiten Abschnitts des Zweiten Buches der RVO. Soweit Vorschriften der "Krankenhilfe" entsprechend für die Früherkennungsmaßnahmen gelten sollen, wird auf sie - wie bei dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 182 Abs 2 RVO ausdrücklich verwiesen (§ 181 Abs 2 Satz 1 RVO). Die Früherkennungsmaßnahmen werden demnach von der Regelung über die ärztliche Behandlung nicht berührt.

Sie unterliegen vielmehr der gleichen Beurteilung wie die sonstigen in § 368 Abs 2 Satz 2 RVO aufgeführten Teilbereiche der kassenärztlichen Versorgung. Soweit nämlich nicht das Gesetz - wie bei der ärztlichen Behandlung - Einschränkungen erkennen läßt, gehören die in § 368 Abs 2 RVO aufgeführten Teilbereiche der kassenärztlichen Versorgung uneingeschränkt zu dieser. Dem steht nicht entgegen, daß der erkennende Senat in dem von der Revision mehrfach erwähnten "Optikerurteil" (BSG 36, 146) festgestellt hat, daß die Beschaffung von Brillen unter bestimmten Voraussetzungen keiner kassenärztlichen Verordnung bedarf; der Senat hat in dieser Entscheidung keine Zweifel daran gelassen, daß, wenn eine Brille verordnet wird, diese Verordnung zur kassenärztlichen Versorgung gehört. Ebensowenig steht die Auffassung, daß die in § 368 Abs ... RVO genannten Teilbereiche der kassenärztlichen Versorgung - mit der für die "ärztliche Behandlung" dargelegten Maßgabe - uneingeschränkt den für die kassenärztliche Versorgung geltenden Regelungen unterliegen, mit der Entscheidung des 3. Senats vom 9. August 1974 (BSG 38, 73) in Widerspruch, wonach die inhaltliche Festlegung des Leistungsbereichs der kassenärztlichen Versorgung in § 368 Abs 2 RVO nichts darüber aussagt, wer an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt.

Demnach gelten für die Früherkennungsmaßnahmen "dieselben Vorschriften, die auch sonst für die kassenärztliche Versorgung und deren Sicherstellung bestehen" (so der genannte Schriftliche Bericht). Das betrifft einmal den an die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen gerichteten Auftrag zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (§ 368 Abs 1 Satz 1 RVO) soweit dies vertraglich zu geschehen hat. Mit Recht haben daher die Partner des BMV-Ä diesen im Hinblick auf die durchzuführenden Früherkennungsmaßnahmen - insbesondere in § 10a - ergänzt § 368g insbes Abs 2 Satz 2 RVO).

Als weitere Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zur Durchführung der kassenärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber selbst dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen mit der Erstellung der für die Durchführung erforderlichen Richtlinien beauftragt (§ 181 Abs 2 Satz 2, § 368p Abs 5 RVO, wobei § 181 Abs 2 Satz 2 RVO - ähnlich wie bei der Mutterschaftshilfe in § 196 Abs 1 Satz 2, 2. Halbs RVO, wo dies deutlicher zum Ausdruck gebracht ist - nur als Hinweis auf die in § 368p Abs 5 RVO geregelten Richtlinienkompetenz zu verstehen ist). Auch aus dieser Einbeziehung eines Organs der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen in die Durchführung der Früherkennungsmaßnahmen wird deutlich, daß die Krankheitsfrüherkennung nur im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erfolgen soll; denn die Richtlinien des genannten Ausschusses sind im allgemeinen nur für die an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Krankenkassen verbindlich.

Schließlich folgt aus der Einbeziehung der Früherkennungsmaßnahmen in die kassenärztliche Versorgung, daß die KÄV'en sicherzustellen haben, daß die kassenärztliche Versorgung auch insoweit den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 Satz 1 RVO). Zwar ist in der genannten Vorschrift der Sicherstellungsauftrag ausdrücklich nur auf die nach § 182 RVO den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung bezogen. Da jedoch der Wille des Gesetzgebers, die Krankheitsfrüherkennung voll im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durchzuführen, im übrigen seinen klaren Ausdruck im Gesetz gefunden hat, wird man in der Unterlassung, auch den Wortlaut des § 368n Abs 1 Satz 1 RVO der veränderten Rechtslage anzupassen, nur ein redaktionelles Versehen sehen und den an die KÄV'en gerichteten Auftrag zur vollziehenden Sicherstellung auch auf die Krankheitsfrüherkennung - wie auch auf die Mutterschaftsvorsorge - beziehen müssen (so mit Recht Töns aaO S 440).

Dieser Sicherstellungsauftrag schließt nach geltendem Recht ein Tätigwerden anderer Verwaltungsorgane als der KÄV'en im Bereich der vollziehenden Durchführung der Früherkennungsmaßnahmen nach Maßgabe der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen aus. Auch insoweit gilt für die Früherkennungsmaßnahmen das gleiche wie für die anderen Teilbereiche der kassenärztlichen Versorgung. Soweit Sicherstellungsmaßnahmen im einzelnen - insbesondere zum Vollzug des § 10a BMV-Ä zu treffen sind, obliegen sie den KÄV'en; die Krankenkassen sind hieran nicht beteiligt (vgl BSG 38, 73, 76).

Diese können auch nicht, wie Töns (aaO S 442) annimmt, die hier strittigen beiden ersten Früherkennungsuntersuchungen an Säuglingen auf einem Umweg, nämlich "als Teilleistung der Krankenhauspflege", in ihren Regelungsbereich ziehen. Abgesehen davon, daß eine solche Zweigleisigkeit im klaren Widerspruch zu dem an die KÄV'en gerichteten Sicherstellungsauftrag stünde, steht der dargelegten Auffassung entgegen, daß die genannten beiden Untersuchungen zwar häufig im Krankenhaus stattfinden, aber auch in diesem Fall nicht Teil der Krankenhauspflege, sondern selbständige, andersartige Leistungen sind.

Wie die KÄV'en bei den Neugeborenen-Untersuchungen in Entbindungs- und Kranken*-anstalten (vgl § 10a Abs 2 und 3 des BMV-Ä) ihrem Sicherstellungsauftrag genügen und dabei insbesondere die gewissenhafte Beachtung der "Kinderrichtlinien" durchsetzen, braucht in diesem Zusammenhang nicht abschließend entschieden zu werden. Die genannten Bestimmungen enthalten nur eine generelle Ermächtigung der infrage kommenden Krankenhausärzte. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 11. Dezember 1974 - 4 AZR 158/74 -) entschieden hat, daß die in § 10a Absätze 2 und 3 BMV-Ä genannten Ärzte gegen den Krankenhausträger einen Anspruch auf Nebentätigkeitsgenehmigung haben, sind jedenfalls dienstrechtliche Bedenken gegen die Annahme der Ermächtigung nicht berechtigt. Aber auch die Frage, wie in Konfliktsfällen die Durchführung der Untersuchungen unter Beachtung der Richtlinien erzwungen werden könnte, führt nicht zu unüberwindlichen Schwierigkeiten. Immerhin schließt die Regelung der einseitigen Ermächtigung nicht aus, die Honorierung der Ärzte von der Verpflichtung abhängig zu machen, richtliniengemäß zu handeln, und dies etwa in Form eines Verwaltungsakts auf Unterwerfung oder vertraglich auch für die Zukunft sicherzustellen. Die Mitwirkung der genannten Krankenhausärzte im Rahmen einer der KÄV - nicht nur dem Krankenhaus - gegenüber obliegenden Verpflichtung dient schließlich auch der in § 369 RVO den Partnern der KÄV übertragenen Aufgabe der Sammlung und Auswertung der bei der Durchführung von Maßnahmen der Früherkennung anfallenden Ergebnisse.

Da somit die KÄV aus der für die gesamte kassenärztliche Versorgung zu entrichtenden Gesamtvergütung (vgl § 368f Abs 1 RVO) auch die nach § 10a BMV-Ä an den Früherkennungsmaßnahmen beteiligten Krankenhausärzte zu honorieren hat, fehlte der beklagten Krankenkasse die Zuständigkeit, eine entsprechende Vergütungsregelung mit dem beigeladenen Krankenhausträger zu vereinbaren, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben.

Die Revision der Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen (§§ 170 Abs 1 Satz 1, 193 SGG).

 

Fundstellen

BSGE, 125

NJW 1976, 387

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