Leitsatz (amtlich)

Die Erwerbsunfähigkeit, die erst durch eine mittelbare Folge der anerkannten Hirnschädigung an einem hirnfremden Organ (Herzinfarkt) eingetreten ist, begründet nicht den Anspruch auf die Pflegezulage eines erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten, wenn diese weitere Schädigungsfolge keinen Einfluß auf die (mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 80 % bewertete) Hirnbeschädigung gehabt hat.

 

Normenkette

BVG § 35 Abs. 1 S. 4 Fassung: 1964-02-21

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der 1923 geborene Kläger erhält wegen einer im Wehrdienst erlittenen schweren Kopfverwundung mit Hirnverletzung Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Im Jahre 1956 wurden unter Änderung der früheren Leidensbezeichnung die nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. bemessenen Schädigungsfolgen als "Knochenlücke im rechten Scheitelbein, Schwäche und Gefühlsstörung auf der linken Körperhälfte mit anfallartigen Krampfzuständen nach Hirnverletzung" festgestellt. Mit Bescheid vom 2. März 1960 wurde ein im Dezember 1959 gestellter Antrag des Klägers, die Rente wegen Verschlimmerung des Leidens unter Berücksichtigung eines besonderen Betroffenseins in seinem Beruf als Gärtner zu erhöhen und eine Pflegezulage zu gewähren, unter Verneinung der Hilflosigkeit abgelehnt. Ein weiterer im Januar 1962 gestellter Verschlimmerungsantrag führte gemäß Bescheid vom 19. Juni 1962 zu einer Erhöhung der Rente nach einer MdE um 80 v. H. ab 1. Januar 1962. Auch in diesem Bescheid ist auf Grund der Ausführungen des Dr. N im Gutachten vom 13. März 1962 ausgeführt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage (wegen Hilflosigkeit) nicht gegeben seien; ein berufliches Betroffensein und ein Zusammenhang des geltend gemachten Herzleidens mit den anerkannten Schädigungsfolgen wurde abgelehnt.

Nach erfolglosem Widerspruch wurde im Klageverfahren (S 14 V 319/62) Beweis durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt für innere Krankheiten Dr. S erhoben. Dieser kam in dem Gutachten vom 10. Juli 1963 zu dem Ergebnis, es spreche alles dafür, daß der im Oktober 1961 erlittene Herzinfarkt des Klägers während der cerebralen Anfälle und durch sie entstanden sei; die zur Zeit bestehende MdE für den Herzinfarkt allein gab er mit 30 v. H. an. Auch Dr. S verneinte eine Hilflosigkeit des Klägers. Auf Grund eines in diesem Rechtsstreit zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleichs, der zur Zurücknahme der Klage führte, erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) mit dem Ausführungsbescheid vom 21. April 1964 zusätzlich als durch den Wehrdienst entstandene Schädigungsfolge "Narbe nach abgelaufenem Herzinfarkt an der Vorder- und Hinterwand" an und gewährte ab 1. Januar 1962 Rente nach einer MdE um 100 v. H. Gegen diesen Ausführungsbescheid erhob der Kläger am 29. Mai 1964 Widerspruch mit der Begründung, daß er als erwerbsunfähiger Hirnverletzter Anspruch auf eine Pflegezulage habe. Nach Zurückweisung des Widerspruchs einigten sich die Parteien im Klageverfahren (S 14 V 216/64) dahin, den Widerspruch als Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage für einen erwerbsunfähigen Hirnverletzten zu behandeln. Auf Grund der Stellungnahme des Dr. H vom 2. November 1965 und der Zustimmung des leitenden Arztes Dr. R lehnte das VersorgA mit Bescheid vom 19. November 1965 den Antrag ab. Der wegen seiner Hirnverletzungsfolgen mit einer MdE um 80 v. H. eingestufte Kläger gehöre nicht zum Personenkreis der erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten, weil die Erwerbsunfähigkeit durch eine weitere Gesundheitsstörung an einem hirnfremden Organ eingetreten sei. Auch eine Hilflosigkeit i. S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG liege nicht vor. Der Widerspruch war erfolglos. Im Klageverfahren vertrat der Kläger die Auffassung, daß er als erwerbsunfähiger Hirnverletzter im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG zu betrachten und ihm deshalb die "automatische" Pflegezulage zu gewähren sein. Mit Urteil vom 9. August 1966 hat das Sozialgericht (SG) gemäß dem Antrag des Klägers den Bescheid vom 19. November 1965 aufgehoben und den Beklagten für verpflichtet erklärt, dem Kläger ab 1. Mai 1964 Pflegezulage gemäß § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 23. Juni 1967 das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, unter erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten i. S. des § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG seien nach dem Willen des Gesetzgebers und der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur diejenigen Hirnbeschädigten zu verstehen, deren Erwerbsunfähigkeit allein durch die Hirnbeschädigung herbeigeführt worden sei. Nur der Umstand, daß Beschädigte mit einer schweren Hirnschädigung, die für sich allein schon zur Erwerbsunfähigkeit geführt habe, und die nach Art und Schwere ihrer Verletzung im Vergleich zu dem Hilflosen wohl andersartige, aber gleichschwere und gleichwertige Folgen zu tragen hätten, rechtfertige im Hinblick auf Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die in § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG getroffene Regelung. Der Kläger sei nicht allein wegen seiner Hirnbeschädigung erwerbsunfähig, denn eine MdE um über 90 v. H. sei erst infolge des Herzinfarkts eingetreten. Die Erwerbsunfähigkeit beruhe somit nicht allein auf der Hirnbeschädigung, oder etwa ihrer Verschlimmerung, sondern auf einer durch die Hirnbeschädigung verursachten mittelbaren Schädigung eines hirnfremden Organs. Dadurch seien die typischen Äußerungsformen der Hirnbeschädigung, die allein eine Sonderhandlung bei der Gewährung der Pflegezulage rechtfertigten, in ihrer Art und Schwere nicht verändert worden. Auch in dem von dem BSG in Bd. 22 S. 82 f entschiedenen Fall, auf den der Kläger sich zu seinen Gunsten berufen habe, sei infolge besonderen beruflichen Betroffenseins eine Erwerbsunfähigkeit unmittelbar allein durch die Hirnverletzung eingetreten.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG. Er habe Anspruch auf die Pflegezulage eines erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten, weil die Hirnbeschädigung die Ursache des Herzinfarkts und damit der Erwerbsunfähigkeit sei. In dem Urteil des BSG vom 5. November 1964 (BSG 22, 82) sei - im Zusammenhang mit der Bemessung der MdE wegen besonderem beruflichen Betroffenseins - eine enge Auslegung des Gesetzes mit Beschränkung auf die eigentlichen medizinischen Symptome der Hirnverletzung abgelehnt worden. Eine mittelbare Schädigungsfolge durch die Hirnverletzung könne nicht anders bewertet werden als eine hirnschädigungsbedingte besondere berufliche Betroffenheit. In beiden Fällen sei eine einheitliche Kausalität gegeben. Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1967 den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger gemäß § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG Pflegezulage als einem erwerbsunfähigen Hirnverletzten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Die Erwerbsunfähigkeit des Klägers sei durch die Schädigung eines hirnfremden Organs herbeigeführt worden. Die typischen Äußerungsformen der Hirnschädigung seien aber, obgleich es sich - bei der anerkannten Herzschädigung - um eine mittelbare Folge der Hirnverletzung handele, nicht verändert worden. Deshalb habe der Kläger auch keinen Anspruch auf die Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG.

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sachlich ist sie nicht begründet.

Streitig ist, ob der Antrag des Klägers, ihm die Pflegezulage eines erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten zu gewähren, mit Recht durch Bescheid vom 19. November 1965 abgelehnt worden ist. Nach § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) erhalten erwerbsunfähige Hirnbeschädigte eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I. Diese Vorschrift ist - von der Höhe der Zulage abgesehen - unverändert in das Dritte Neuordnungsgesetz (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) übernommen worden und deshalb in gleicher Weise wie nach dem 2. NOG auch für die Zeit vom Inkrafttreten des 3. NOG an (1. Januar 1967) zugrunde zu legen.

Nach § 31 Abs. 3 BVG gilt als erwerbsunfähig, wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 v. H. beeinträchtigt ist. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist diese Minderung der Erwerbsfähigkeit über 90 v. H. bei dem Kläger erst infolge des Herzinfarkts und seiner Folgen eingetreten, d. h. die durch Bescheid vom 21. April 1964 bewilligte Erhöhung der Rente von einer MdE um 80 v. H. auf eine solche um 100 v. H. entfällt, sofern überhaupt eine Verschlimmerung der Hirnbeschädigung selbst in Betracht gekommen sein sollte, jedenfalls ganz überwiegend auf die Anerkennung der Folgen des Herzinfarkts als den mittelbaren Folgen der anerkannten Hirnbeschädigung. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das LSG zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf die Pflegezulage I hat, weil er nicht ein erwerbsunfähiger Hirnbeschädigter im Sinne des Gesetzes ist. Eine rein grammatikalische, den Zweck der Regelung nicht beachtende wörtliche Auslegung des § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG könnte zu dem Ergebnis führen, daß unter erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten alle erwerbsunfähigen Beschädigten mit einer Hirnbeschädigung zu verstehen sind, also solche, die u. a. an einer anerkannten Hirnbeschädigung leiden und außerdem erwerbsunfähig sind. Dann wären alle durch Schädigungsfolgen erwerbsunfähig gewordenen Beschädigten in die Regelung einbezogen, bei denen überhaupt nur irgend eine Hirnbeschädigung anerkannt worden ist, also ohne Rücksicht auf die Schwere dieser Verletzung und den dadurch bedingten MdE-Grad. Diese Auslegung hat das BSG in ständiger Rechtsprechung abgelehnt und wiederholt ausgesprochen, daß unter erwerbsunfähigen Hirnverletzten - das ist der bis zum Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) verwendete Ausdruck - nur solche Beschädigte verstanden werden können, die allein nach der Art ihrer Schädigung, nämlich der zur Erwerbsunfähigkeit führenden Hirnverletzung, eine Sonderstellung einnehmen sollen (BSG 1, 56, 57; 8, 130, 132; 22, 82 sowie Urteil des erkennenden Senats vom 27.1.1967 - 9 RV 344/64 -; vgl. auch Wilke, Bundesversorgungsgesetz, Handkomm. 3. Aufl. § 35 Anm. VI). Diese Auslegung ergibt sich, wie bereits in der Entscheidung vom 10. Juni 1955 - 10 RV 20/54 - (BSG 1, 56, 58) dargelegt worden ist, aus dem Vergleich der Blinden mit den erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten in § 35 Abs. 1 Satz 3 und 4 BVG, bei denen es gleichermaßen - im Gegensatz zu den sonstigen zum Bezuge einer Pflegezulage Berechtigten - keines besonderen Nachweises bedarf, daß sie hilflos oder - als Blinde - so hilflos sind, daß im einzelnen noch ein besonderer Grad der Hilflosigkeit festgestellt werden müßte. Die Art und Schwere des Leidenszustandes und die sich daraus ergebende "Symptomatik" (BSG 8, 132) sind maßgebend gewesen für die diesen Gruppen bei der Gewährung der Pflegezulage ohne einen Nachweis der Hilflosigkeit (bzw. einer Hilflosigkeit mit erhöhter Pflegezulage) eingeräumte Sonderstellung, die sich bei den erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten im Vergleich zu anderen, ebenfalls schwer betroffenen Beschädigten nur mit den zur Erwerbsunfähigkeit führenden typischen schweren Äußerungsformen dieses Leidens begründen läßt. Dagegen kann eine in ihren Formen weniger erhebliche oder gar geringfügige Hirnbeschädigung eine solche Heraushebung vor anderen Beschädigten nicht rechtfertigen, auch dann nicht, wenn die Hirnbeschädigung zusammen mit anderen anerkannten Schädigungsfolgen zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat. Daß der Begriff der erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten nur in dem engeren Sinne, nämlich einer nur auf der Hirnbeschädigung beruhenden Erwerbsunfähigkeit dem Gesetz zugrunde gelegt werden sollte, ergibt sich auch, wie das BSG schon in der Entscheidung vom 10. Juni 1955 dargelegt hat, deutlich aus den Verhandlungen des (26.) Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (Deutscher BT, 1. Wahlper. 1949, Verhandlungen des 26. Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über das Bundesversorgungsgesetz S. 38 D, S. 39 B bis D, S. 139 D und Deutscher BT, 1. Wahlper. 1949, Drucks. Nr. 1466 S. 18 zu § 34 des Entwurfs). Dort ist - vor der Einführung der Vorschrift in den Entwurf des Gesetzes - u. a. ausgeführt worden, "Hirnverletzter sei nicht gleich Hirnverletzter", es seien "die Beschädigungen ihrer Art und Schwere nach in etwa zu umschreiben", dem 100 % Hirnverletzten solle "dieselbe Stellung wie dem Blinden" zugebilligt werden, ihm sei "die einfache Pflegezulage ohne Nachprüfung zu gewähren". Diese Äußerungen und der Zusammenhang, in den sie gestellt worden sind, lassen nur den Schluß zu, daß den erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten ausschließlich wegen der zur Erwerbsunfähigkeit führenden Art und Schwere ihres Leidenszustandes (Hirnbeschädigung) eine Sonderstellung bei der Gewährung einer Pflegezulage eingeräumt werden sollte.

Aus dieser Auslegung des § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG kann nur die Folgerung gezogen werden, daß es für die Bewilligung der Pflegezulage nach dieser Vorschrift unerheblich ist, ob die an einem hirnfremden Organ entstandenen Schädigungsfolgen, die zusammen mit der Hirnschädigung zur Erwerbsunfähigkeit geführt haben, in ursächlichem Zusammenhang mit der Hirnbeschädigung stehen oder nicht. Der im Krampfanfall erlittene Bruch eines Beines oder Armes beeinflußt für sich allein nicht die Hirnbeschädigung und ihre Symptome; der Leidenszustand der Hirnverletzung bleibt unverändert. Im vorliegenden Falle ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG zwar der Herzinfarkt des Klägers mittelbare Folge der anerkannten Hirnverletzung; ferner ist durch die insgesamt anerkannten Schädigungen auch die Erwerbsunfähigkeit des Klägers eingetreten. Andererseits liegt aber insoweit nur eine "Narbe" vor, und es ist nicht festgestellt, daß diese Narbe irgendeine gesundheitsschädliche Rückwirkung auf den hirnorganischen Zustand des Klägers ausübt. Demnach läßt nach den Feststellungen des LSG der auch nach dem Herzinfarkt bestehende Leidenszustand hinsichtlich der Hirnschädigung nicht die Bewertung nach einem MdE-Grad von mehr als 90 v. H. zu. Da das Gesetz aber wie dargelegt allein auf die Schädigung des Gehirns und die damit verbundenen typischen Symptome und Krankheitserscheinungen abgestellt hat und nicht auch auf unmittelbare oder mittelbare Folgen der Hirnschädigung außerhalb des Gehirns, ist der Anspruch des Klägers auf eine Pflegezulage aus dem Gesichtspunkt, daß er erwerbsunfähiger Hirnbeschädigter sei, unbegründet. Soweit die Revision auf das Urteil des BSG vom 5. November 1964 (BSG 22, 82) hingewiesen hat, um zu begründen, daß es für den Anspruch auf Pflegezulage nicht allein auf die eigentlichen medizinischen Symptome der Hirnverletzung ankommen könne, denn in dieser Entscheidung habe das BSG für die Gewährung der Pflegezulage in Verbindung mit der Beurteilung des besonderen beruflichen Betroffenseins eine solche enge Auffassung abgelehnt und nur den ursächlichen Zusammenhang zwischen Hirnbeschädigung und Erwerbsunfähigkeit entscheidend sein lassen, kann ihr nicht zugestimmt werden. In dem dort entschiedenen Fall war nämlich der Kläger allein wegen der Hirnbeschädigung erwerbsunfähig; dies ist in dem Urteil ausdrücklich hervorgehoben (S. 82). Die Entscheidung befaßt sich deshalb auch nur mit der Frage, ob der Begriff der Erwerbsunfähigkeit in § 35 Abs. 1 BVG anders auszulegen sei als in den §§ 31 Abs. 3 und 30 BVG (S. 83, 85), oder ob das Gesetz von einem einheitlichen Begriff der MdE ausgehe. Wenn das BSG dazu ausgeführt hat, daß das berufliche Betroffensein nur als einer der bei der Bemessung der einheitlichen MdE maßgebenden Faktoren anzusehen sei, aus denen sich auch die Erwerbsunfähigkeit ergebe, so hat es doch keinen Zweifel daran gelassen, daß bei der Gewährung der Pflegezulage "allein die Schwere der Verletzung" als Maßstab gesetzt oder - bei einer so schweren Verletzung - fingiert worden sei (S. 85), und daß "die Eigenart der Hirnverletzung und deren besondere Auswirkungen" es zuließen - entsprechendes gelte für den Verlust der Sehkraft - "den erwerbsunfähigen Hirnverletzten im Unterschied zu den erwerbsunfähigen Beschädigten mit anderen Verletzungen oder Erkrankungen die Pflegezulage zu gewähren" (S. 86). Soweit die Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit dazu diene, um für die "wirtschaftlichen Folgen der Schädigung" (§ 1 BVG) Versorgung zu gewähren, bestehe gegenüber der Berücksichtigung der körperlichen Beeinträchtigung bei der Beurteilung der MdE kein Unterschied, denn auch insoweit diene diese Beurteilung nur dazu, um nach diesem Maß die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auszugleichen (S. 85). Aus der in dieser Entscheidung getroffenen Auslegung der §§ 30, 31, 35 BVG ergibt sich somit, daß das berufliche Betroffensein einschließlich der wirtschaftlichen Auswirkungen dem sich aus der Hirnbeschädigung selbst ergebenden Leidenszustand zugerechnet wird und sich nach dem Maß dieser Beeinträchtigung bestimmt (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 6. Mai 1969 - 9 RV 700/68 -). Dieser Entscheidung kann also nicht entnommen werden, daß für die Gewährung der Pflegezulage an erwerbsunfähige Hirnbeschädigte ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hirnbeschädigung und anderen Beschädigungen - an hirnfremden Organgen- genüge, wenn erst durch die Hirnschädigung zusammen mit anderen Schädigungsfolgen die Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt worden ist. Die Frage, welche Bedeutung das berufliche Betroffensein für die Bemessung der MdE hat, trägt nichts zu der hier erforderlichen Auslegung des § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG und zu der Frage bei, unter welchen Voraussetzungen der dort geforderte ursächliche Zusammenhang gegeben ist. Im übrigen ist hier nicht Streitgegenstand, ob der Kläger durch die Hirnbeschädigung besonders beruflich betroffen ist oder ob er eine Pflegezulage wegen Hilflosigkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG verlangen kann. Darüber lassen der Klageantrag, das Vorbringen des Klägers in den beiden Vorinstanzen und die insoweit mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG keinen Zweifel. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Erhöhung der Rente in den Bescheiden vom 19. Juni 1962 und 21. April 1964 teilweise auch auf der Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins beruhen könnte.

Da hiernach das LSG mit Recht das Urteil des SG vom 9. August 1966 abgeändert und die Klage abgewiesen hat, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284709

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