Leitsatz (amtlich)

1. "Gehört" iS des GAL 1965 § 42 Abs 1 Buchst a DBuchst cc (Fassung: 1972-07-26) hat dem landabgebenden Unternehmer auch ein früher von ihm bewirtschaftetes Pachtland.

2. "Wesentlich" iS des GAL 1965 § 42 Abs 1 Buchst a DBuchst cc (Fassung: 1972-07-26) und des GAL § 42 Abs 2 und 4, jeweils Buchst a DBuchst bb (Fassung: 1973-12-19) ist ein vom landabgebenden Unternehmer früher bewirtschafteter Teil grundsätzlich dann, wenn er wenigstens ein Drittel des landaufnehmenden Unternehmens umfaßt.

 

Normenkette

GAL § 42 Abs. 1 Buchst. a DBuchst cc Fassung: 1972-07-26, Abs. 2 Buchst. a DBuchst bb Fassung: 1973-12-19, Abs. 4 Buchst. a DBuchst bb Fassung: 1973-12-19

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Juli 1974 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1911 geborene Kläger begehrt Landabgaberente ab Oktober 1972; er bewirtschaftete einen landwirtschaftlichen Betrieb von zuletzt 16,80 ha Größe, bestehend aus Eigenland und Pachtland. Letzteres (1,68 ha) gab er zum 30. September 1971 an die Verpächterin zurück, die es ihrerseits sofort an den Landwirt M. verpachtete. Dieser bewirtschaftete unter Einschluß dieses Pachtlandes ab 1. Oktober 1971 insgesamt 4,80 ha Land. Durch Vertrag vom 1. Oktober 1972 verpachtete der Kläger von diesem Zeitpunkt an sein restliches Land für die Dauer von 14 Jahren gleichfalls an M.

Die Beklagte lehnte den im Oktober 1972 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Landabgaberente durch Bescheid vom 21. Februar 1973 mit der Begründung ab, M. habe in der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 30. September 1971 kein landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschaftet, welches das Doppelte der nach § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) festgesetzten Mindestgröße erreicht habe; die Fläche von 1,68 ha sei deshalb nicht strukturverbessernd abgegeben worden.

Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg. Auch nach der Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) hat der Kläger nicht sein gesamtes landwirtschaftliches Unternehmen strukturverbessernd abgegeben. Das ab 1. Oktober 1972 an M. verpachtete Eigenland sei an ein anderes landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben worden, das in der Zeit nach dem 31. Juli 1969 zu wesentlichen Teilen dem Kläger "gehört" habe (§ 42 Abs. 1 Buchst. a, cc GAL 1972). Der Begriff "gehören" sei nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung und der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Sinne von "bewirtschaften" zu verstehen, wie es nunmehr das 7. Änderungsgesetz klargestellt habe. Es bedürfe keiner Begründung, daß der Anteil von 1,68 ha an einem Unternehmen von rd. 4,80 ha auch als wesentlich anzusehen sei; "wesentlich" bedeute nach der Verwaltungsübung der Alterskassen, daß nicht mehr als 10 % des übernehmenden Unternehmens dem abgebenden Unternehmer gehört haben dürften.

Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Landabgaberente ab 1. Oktober 1972 zu verurteilen.

Er rügt eine Verletzung der §§ 41 und 42 GAL 1972. Nach damaligem Recht sei zwischen Pachtland und Eigenland zu unterscheiden gewesen. Auf die Weiterverpachtung des seinerzeit von ihm zurückgegebenen Pachtlandes habe der Kläger keinen Einfluß gehabt. Darauf, ob er es früher "bewirtschaftet" habe, komme es nach damaligem Recht ersichtlich nicht an. Wenn der Gesetzgeber die maßgebliche Vorschrift im 7. Änderungsgesetz neu gefaßt habe, so lasse das nur erkennen, daß er die bisherige Regelung für nicht ausreichend erachtet habe.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Auf Anfrage des Senats hat der Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen die Gründe für die geschilderte Verwaltungsübung erläutert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Landabgaberente ist zunächst nach §§ 41, 42 GAL idF des 6. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 26. Juli 1972 (GAL 1972) und für die Zeit ab 23. Dezember 1973 hilfsweise nach §§ 41, 42 idF des 7. Änderungsgesetzes vom 19. Dezember 1973 - GAL 1974 - zu beurteilen (vgl. Art. 5 § 7 Abs. 2 des 7. Änderungsgesetzes). Von den danach erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen hat das LSG die Voraussetzungen in § 41 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. § 42 verneint. Hiernach muß das landwirtschaftliche Unternehmen in der Zeit nach dem 31. Juli 1969 zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben worden sein. Das setzte nach dem GAL 1972 u. a. voraus, daß "die abgegebenen Grundstücke" an ein anderes landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben werden, das in der Zeit nach dem 31. Juli 1969 nicht ganz oder zu wesentlichen Teilen dem abgebenden Unternehmer gehörte (§ 42 Abs. 1 Buchst. a, cc GAL 1972), während nach dem GAL 1974 u. a. verlangt wird, daß "mindestens 85 v. H. der abzugebenden Fläche abzugeben sind an die Unternehmer anderer Unternehmen, die in der Zeit nach dem 31. Juli 1969 nicht ganz oder zu wesentlichen Teilen durch den abgebenden Unternehmer bewirtschaftet worden sind" (§ 42 Abs. 2 und 4, jeweils Buchst. a, bb GAL 1974). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen in zwei Etappen abgegeben. Eine derartige stufenweise Abgabe ist zulässig; eine strukturverbessernde Abgabe liegt jedoch nur dann vor, wenn hinsichtlich jeder einzelnen Abgabe die insoweit maßgebenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das LSG hat darin, daß der Kläger zunächst (zum 30. September 1971) das seinerzeit von ihm gepachtete Land (1,68 ha) an die Verpächterin zurückgegeben hat, zu Recht eine strukturverbessernde Abgabe im Sinne des § 42 Abs. 2 GAL 1972 gesehen. Bei der mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 erfolgten Verpachtung des Eigenlandes auf die Dauer von 14 Jahren an den Landwirt M. hat das LSG jedoch eine strukturverbessernde Abgabe im Sinne des § 42 Abs. 1 Buchst. a GAL 1972 deshalb verneint, weil das aufnehmende landwirtschaftliche Unternehmen, nämlich das des M., zur Zeit dieser Abgabe nur 4,80 ha umfaßt hat und davon 1,68 ha in der Zeit nach dem 31. Juli 1969, nämlich bis zum 30. September 1971, vom Kläger als dem abgebenden Unternehmer bewirtschaftet worden sind. Das LSG hat dabei den in § 42 Abs. 1 Buchst. a, cc GAL 1972 gebrauchten Begriff "gehörte" im Sinne von "bewirtschaftet" verstanden. Der Senat hält diese Ansicht aus den folgenden Erwägungen für richtig.

Die Gesetzesmaterialien, die möglicherweise Hinweise dafür geben könnten, was unter dem Begriff "gehörte" zu verstehen ist, sind unergiebig; sie lassen keine sicheren Rückschlüsse zu, weshalb der Gesetzgeber diesen im 6. Änderungsgesetz gebrauchten Begriff im 7. Änderungsgesetz durch "bewirtschaftet" ersetzt hat. Es bleibt daher nur übrig, auf Sinn und Zweck sowie die Systematik der gesetzlichen Regelung abzustellen.

Mit Hilfe der 1969 eingeführten Landabgaberente sollte älteren Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe das Ausscheiden aus der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit erleichtert werden; die dadurch freiwerdenden landwirtschaftlichen Nutzflächen sollten vor allem der Verbesserung der Agrarstruktur nutzbar gemacht, d. h. andere Unternehmen sollten aufgestockt werden. Deshalb war zu verhindern, daß im Grunde nur der frühere eigene landwirtschaftliche Betrieb aufgestockt wurde. Für diese Fälle sollte es bei der bisher üblichen Abgabe (Übergabe), in der Regel an den Sohn, und dem darauf beruhenden - niedrigeren - Altersgeld bleiben. Es widerspricht somit dem Sinn des Gesetzes, eine strukturverbessernde Abgabe auch dann anzunehmen, wenn Grundstücke an ein landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben werden, das schon einmal ganz oder zu wesentlichen Teilen von dem abgebenden Unternehmer bewirtschaftet worden ist. Das kam allerdings in dem bis zum 23. Dezember 1973 geltenden Recht weniger deutlich zum Ausdruck; es hat jedoch bereits insofern seinen Niederschlag gefunden, als verlangt wurde, daß das aufnehmende Unternehmen nicht ganz oder zu wesentlichen Teilen dem abgebenden Unternehmer "gehört" haben darf. Zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen gehören aber in der Regel sowohl Eigenland als auch Pachtland. Entgegen der Ansicht der Revision kann hier nicht zwischen beiden unterschieden werden. Das wäre nur möglich, wenn sich der Begriff "gehörte" auf Grundstücke oder Nutzflächen bezöge. Das ist nicht der Fall; "gehörte" bezieht sich vielmehr auf das Unternehmen als solches. Ein landwirtschaftliches Unternehmen kann aber nur dem "gehören", der Unternehmer dieses Unternehmens ist. Somit umfaßt der Begriff "gehörte", wie er im GAL 1972 verwendet wird, das gesamte zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen zählende Land ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse; maßgeblich ist allein, wer als landwirtschaftlicher Unternehmer das Land auf eigenes Risiko (Gewinn und Verlust) landwirtschaftlich genutzt hat. Erfaßt sind danach auch die Pachtflächen, die der abgebende Unternehmer in der Zeit nach Juli 1969 bewirtschaftet hat. Auch wenn im GAL 1972 dieser Sinn noch nicht so eindeutig zum Ausdruck kam wie im GAL 1974, so kann doch - wie das LSG richtig erkannt hat - kein Zweifel daran bestehen, daß der nunmehr im GAL 1974 eindeutig erkennbare Sinn schon für die frühere Regelung galt.

Das LSG hat auch im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Anteil von 1,68 ha an einem Gesamtunternehmen von 4,80 ha einen wesentlichen Teil im Sinne des § 42 Abs. 1 Buchst. a, cc GAL 1972 ausmacht. Zu Unrecht bewerten das LSG und die Alterskassen allerdings bereits einen Anteil von 10 % als wesentlich. "Wesentlich" wird im allgemeinen Sprachgebrauch mit: bedeutsam, wichtig, den Kern ausmachend, sehr merklich umschrieben (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 4000; Sprachbrockhaus Wiesbaden S. 764). Ein Anteil von 10% entspricht dem nicht. Der Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen führt zudem bei seinen Vergleichen mit anderen Rechtsvorschriften als einzige Vorschrift, deren Gesetzestext das Wort "wesentlich" enthält, § 622 der Reichsversicherungsordnung - RVO - an (wesentliche Änderung); vom fehlenden Zusammenhang mit § 42 GAL abgesehen, ließe sich dem aber § 1288 Abs. 1 und 2 RVO entgegenhalten, wo das Schrifttum für einen wesentlichen Unterhalt Unterhaltsleistungen zur Hälfte oder weniger, mindestens aber zu einem Drittel fordert (Verb. Komm. § 1288 RVO, Anm. 11; Koch/Hartmann, AVG, IV. Anm. B III 1 zu § 65 AVG, S. 450). Bedeutsamer als solche Vergleiche ist aber letztlich der Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschrift. Wie schon dargelegt, soll sie verhindern, daß die abgegebenen Grundstücke nur wieder ein früher eigenes Unternehmen "aufstocken", also einem Unternehmen zufließen, das vom abgebenden Landwirt schon einmal bewirtschaftet worden ist. Entscheidend ist sonach die Identität des aufnehmenden und des früheren eigenen Unternehmens. Insoweit wird zwar keine völlige und nicht einmal eine "überwiegende" Identität gefordert; der Gesetzgeber läßt die Identität in wesentlichen Teilen genügen, immerhin spricht jedoch schon die Wortverbindung "ganz oder zu wesentlichen Teilen" gegen eine zu große Distanz des Teiles zum Ganzen. Auch die Frage, wann es sich im Kern noch um das eigene frühere Unternehmen handelt, läßt sich erst bei verhältnismäßig größeren Anteilen als solchen von 10 oder 25 v. H. bejahen. Der Senat ist deshalb der Meinung, daß der Begriff "zu wesentlichen Teilen" in § 42 GAL grundsätzlich einen Anteil von jedenfalls mehr als einem Drittel des Unternehmens ausmacht.

Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Vorschrift, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, auch Manipulationen zwischen nahen Verwandten durch vorübergehende "Scheingründungen" von Unternehmen entgegenwirken soll. Es wäre jedoch eine zu einseitige Betrachtungsweise, wollte man bei der Auslegung der Vorschrift nur die Verhütung solcher Manipulationen im Blickpunkt haben; vielmehr ist auch an die Fälle zu denken, in denen Manipulationen, wie etwa bei der Rückgabe von Pachtland wegen der dann notwendigen Mitwirkung Dritter, kaum in Betracht kommen. Die Verwaltungsübung der Beklagten würde aber eine strukturverbessernde Abgabe auch ausschließen, wenn z. B. an ein fremdes Unternehmen im Umfang von 10 bis 20 ha abgegeben wird, dieses aber mehr oder minder zufällig 2 ha Pachtland einschließt, das nach Juli 1969 irgendwann einmal vom Abgebenden gepachtet war. Hier kann vernünftigerweise nicht die Rede davon sein, daß im Grunde nur das eigene frühere Unternehmen wieder aufgestockt und die Agrarstruktur nicht verbessert werde.

Somit kann von "wesentlichen Teilen" im Sinne des § 42 Abs. 1 Buchst. a, cc GAL 1972 - gleiches gilt für die entsprechende Vorschrift des GAL 1974 - nur dann gesprochen werden, wenn der Anteil am Unternehmen wenigstens ein Drittel umfaßt. Ob dabei wegen der Bonität des Bodens oder wegen der Unternehmensart (z. B. Weinbau, Gärtnereibetrieb oder dergleichen) oder bei nur kurzfristiger Bewirtschaftung Ausnahmen zu machen wären, kann im vorliegenden Falle offen bleiben. Hier jedenfalls hat im Zeitpunkt der Abgabe des Eigenlandes des Klägers sein früheres Pachtland ein Drittel des damaligen landwirtschaftlichen Unternehmens des M. überschritten. Daß diese Überschreitung relativ gering gewesen ist, muß außer Betracht bleiben. Das aufnehmende landwirtschaftliche Unternehmen hat also zu wesentlichen Teilen früher dem Kläger gehört. Somit liegt weder nach früherem Recht noch nach der jetzt geltenden gesetzlichen Regelung hinsichtlich des Eigenlandes des Klägers eine strukturverbessernde Abgabe vor. Die Revision des Klägers konnte somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 296

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