Entscheidungsstichwort (Thema)

Sinn der Ersatzregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Träger der KV hat gegen den Versorgungsträger nur Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für eine Heilbehandlung aus der Zeit nach dem Wirksamwerden der Anerkennung einer Schädigungsfolge.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zum Sinn der Ersatzregelung:

Die Vorschrift des BVG § 19 Abs 3 S 1, wonach Ersatz "erst nach der Anerkennung gewährt" wird, beinhaltet nicht etwa einen zeitlichen Aufschub für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs (eine Art Auszahlungsregelung), vielmehr eine Beschränkung des Umfangs des Ersatzanspruchs. Sie hat erkennbar den Sinn, daß nur für die Aufwendungen Ersatz verlangt werden kann, die in der Zeit nach dem Wirksamwerden der Anerkennung gemacht worden sind (Bestätigung BSG vom 1969-10-09 10 RV 231/68 = KOV 1970, 154).

 

Normenkette

BVG § 19 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1964-02-21; RVO § 182 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 25.05.1977; Aktenzeichen S 18 V 94/74)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25. Mai 1977 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Krankenkasse von der beklagten Versorgungsverwaltung auch Aufwendungen vor dem Wirksamwerden der Anerkennung der Krankheit als Schädigungsfolge ersetzt verlangen kann.

Die Klägerin verlangt als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung von dem beklagten Träger der Kriegsopferversorgung Ersatz der Kosten, die sie für den Schwerbeschädigten H. in der Zeit vom 6. Januar 1972 bis zum 31. Mai 1972 aufgewendet hat. Bei dem Beschädigten waren folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anerkannt:

"Verlust des rechten Oberschenkels an der Grenze des mittleren und unteren Drittels bei freier Beweglichkeit im rechten Hüftgelenk. Narben im Bereich des linken Kniegelenkes als Folgen von Granatsplitterverletzungen".

Vom Januar 1972 an wurde er auf Kosten der Klägerin, bei der er pflichtversichert ist, wegen einer Harnröhrenerkrankung - teils stationär - behandelt und bezog Krankengeld. Da im Bereich der Harnröhre zahlreiche Strecksplitter nachgewiesen wurden, beantragte H. im Juni 1972 den Versorgungsanspruch neu festzustellen und die Harnröhrenerkrankung als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen. Dem entsprach der Beklagte durch Bescheid vom 29. August 1973. Die neuen Versorgungsbezüge - die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde von 70 vH auf 100 vH erhöht - wurden vom Antragmonat (Juni 1972) an gewährt. Die Bezeichnung der Schädigungsfolgen lautet nun folgendermaßen:

"1.

Verlust des rechten Oberschenkels an der Grenze des mittleren und unteren Drittels bei freier Beweglichkeit im im rechten Hüftgelenk. Narben im Bereich des linken Kniegelenks als Folge von Granatsplitterverletzung.

2.

Narben und winzige Weichteilstecksplitter am rechten Oberarm.

3.

Harnröhrenfistel nach vorausgegangener ausgedehnter Stenosierung der Harnröhre infolge Granatsplitterverletzung. Zustand nach Bougierung der Harnröhre mit abgeheilter Abszeßbildung und abgeheilter Blasenfistel. Harninfekt".

Der Neufeststellungsbescheid wurde der Klägerin nicht zugestellt.

Die Klägerin beansprucht von dem Beklagten Ersatz für die von ihr erbrachten Kassenleistungen - Krankenhauspflege und Krankengeld - auch für die Zeit vor der Anerkennung. Die Beklagte lehnte dies in ihrem Schreiben vom 22. Juli 1974 mit der Begründung ab, die Anerkennung habe Tatbestandswirkung für den Ersatzanspruch.

Vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin beantragt, unter Änderung des Bescheids des Versorgungsamts vom 29. August 1973 den Beklagten zu verurteilen, dem Beschädigten H. vom 6. Januar 1972 an Heilbehandlung zu gewähren und den Beklagten zu verurteilen, Kostenersatz in Höhe von 16.278,36 DM zu leisten. Das SG Dortmund hat der Klage stattgegeben. Es hat die Sprungrevision zugelassen.

Mit der Sprungrevision, der die Klägerin zugestimmt hat, rügt der Beklagte eine Verletzung der §§ 18a, 19 BVG.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Urteil des SG ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, daß sie nur die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz der Aufwendungen begehrt, die sie in der Zeit vor dem Wirksamwerden der Anerkennung der behandelten Krankheit als Schädigungsfolge gemacht hat. Außer der Fassung des Antrages - an die der Senat nicht gebunden ist (vgl. §§ 165, 153 Abs 1, § 123 SGG) - spricht nichts dafür, daß sie neben der Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) noch eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) erheben wollte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß sie außer dem Ersatz ihrer Aufwendungen für die streitige Zeit ein weiteres Klageziel im Auge hat. Denkbar ist zwar, daß eine Krankenkasse mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreichen zu können glaubt, daß die Wirksamkeit der Anerkennung in Abweichung von dem angefochtenen Bescheid auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt wird. Ob Fälle denkbar sind, in denen die Krankenkasse für befugt gehalten werden könnte, gegen den das Versorgungsverhältnis regelnden Bescheid vorzugehen (vgl. BSGE 34, 289; SozR 3100 § 18a Nr 2), ist hier nicht zu entscheiden. Denn ein solches Klageziel scheidet hier schon deshalb aus, weil in dem maßgeblichen Neufeststellungsbescheid nicht ausgesprochen ist, von welchem Zeitpunkt an die Anerkennung der neuen Schädigungsfolgen wirksam wird. Festgelegt ist lediglich der Beginn der Versorgungsbezüge. Dagegen wendet sich die Klägerin nicht. Dementsprechend ist sie auch nicht in der Lage zu erklären, in welcher Beziehung eine Änderung des Bescheids erfolgen soll. Der Bescheid enthält auch keine Festlegung des Zeitpunkts, von dem an dem Beschädigten Heilbehandlung gewährt wird. Es ist auch nicht vorgetragen, daß ein Heilbehandlungsanspruch des Beschädigten erhoben ist und noch einer Regelung bedürfe.

Der gesamte Vortrag der Klägerin bezieht sich auf den in § 54 Abs 5 SGG geregelten Leistungsstreit zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung. Auch soweit die Klägerin Ausführungen zu dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Beschädigten macht, dienen diese Ausführungen nur der Begründung ihrer Ansicht, daß sie im Ersatzstreit nicht schlechter stehen könne als der Beschädigte selbst, der Heilbehandlungsansprüche schon in der streitigen Zeit gegenüber dem Beklagten hätte geltend machen können oder über die Fiktion des § 18a Abs 1 Satz 3 BVG geltend gemacht habe.

Diese Ansicht trifft nicht zu.

Der geltend gemachte Ersatzanspruch ist in § 19 BVG - in der seit dem Zweiten Neuordnungsgesetz (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) geltenden Fassung - geregelt. Diese Vorschrift gilt (nach Absatz 1 Satz 1) für die Fälle, in denen Krankenkassen (= Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, vgl. § 18 c Abs 2 Satz 1 BVG) nicht nur nach dem BVG verpflichtet sind, Heilbehandlung zu gewähren. Das sind vor allem die Fälle, in denen - wie hier - die Krankenkassen Heilbehandlung im Wege der Krankenhilfe für ihre Mitglieder nach § 182 der Reichsversicherungsordnung (RVO) - hier iVm § 20 Reichsknappschaftsgesetz - zu leisten haben. Der Ersatzanspruch für diese Leistungen gegen den endgültig verpflichteten Träger der Kriegsopferversorgung ist sachlich und zeitlich von der Anerkennung der kostenverursachenden Krankheit als Schädigungsfolge abhängig. In § 19 Abs 1 und 2 BVG ist der sachliche Umfang des Ersatzanspruchs festgelegt. Nach Absatz 1 Satz 2 wird ua für Krankenhauspflege Ersatz gewährt, wenn die Aufwendungen durch die Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen entstanden sind. Nach Absatz 2 wird Krankengeld ersetzt, wenn die Arbeitsunfähigkeit oder die Krankenhauspflege durch anerkannte Schädigungsfolgen verursacht worden ist. Das bedeutet, daß sich die Krankenhilfe auf Krankheiten beziehen muß, die mit der anerkannten Schädigungsfolge identisch sind oder durch die Schädigungsfolge hervorgerufen worden sind.

Absatz 3 des § 19 BVG bestimmt den Ersatzanspruch für die Fälle, in denen zu Beginn der Kassenleistungen die Krankheit noch nicht als Schädigungsfolge anerkannt war. Die Sätze 1 und 2 des § 19 Abs 3 BVG differenzieren dies: In Satz 1 dieser Bestimmung ist der Fall geregelt, in dem zur Zeit der Beendigung des Anerkennungsverfahrens die Schädigungsfolge noch festgestellt werden kann, auf die sich die Kassenleistungen bezogen. In Satz 2 aaO ist eine Sonderregelung für den Fall getroffen worden, in dem lediglich festgestellt werden kann, daß eine Schädigungsfolge zwar bestanden hat, diese aber durch die von der Krankenkasse gewährte Behandlung inzwischen beseitigt worden ist.

Im Falle der Behandlung einer Krankheit, die in der Bezeichnung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht aufgeführt ist, kann ein Ersatzanspruch auf zwei denkbare Gründe gestützt werden: Es kann geltend gemacht werden, es handele sich um eine Krankheit, die durch eine bereits anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sei. Dann ist § 19 Abs 1 und 2 BVG die Anspruchsgrundlage. Ersatz kann schon vom Beginn der Behandlung an verlangt werden. Der Anspruch kann aber auch darauf gestützt werden, die Krankheit sei zwar nicht die Folge einer anerkannten Schädigungsfolge, sie sei aber die Folge eines schädigenden Vorgangs im Kriegsdienst und müsse als - neue - Schädigungsfolge anerkannt werden. Dann kann Ersatz erst nach der Anerkennung (§ 19 Abs 3 Satz 1) oder nach der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs (Satz 2 aaO) gewährt werden.

Hier kommt als Anspruchsstütze allein § 19 Abs 3 Satz 1 BVG in Betracht. Aus den Feststellungen des SG und dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ergibt sich, daß die Krankheit, für die im vorliegenden Rechtsstreit Kostenersatz verlangt wird, nicht von den bisher anerkannten Schädigungsfolgen hervorgerufen worden ist, sondern eine neu anzuerkennende Schädigungsfolge darstellt.

Die Vorschrift des § 19 Abs 3 Satz 1 BVG, wonach Ersatz "erst nach der Anerkennung gewährt" wird, hat erkennbar den Sinn, daß nur für die Aufwendungen Ersatz verlangt werden kann, die in der Zeit nach dem Wirksamwerden der Anerkennung gemacht worden sind. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 9. Oktober 1969 - 10 RV 231/68 (KOV 1970, 154) entschieden. Hiervon abzuweichen besteht auch unter Würdigung des Vortrags der Klägerin kein Grund. Der Wortlaut des § 19 Abs 3 Satz 1 BVG läßt allerdings für sich betrachtet auch die Deutung zu, nach der Durchführung des Anerkennungsverfahrens könnten sämtliche Aufwendungen auf eine neu anerkannte Krankheit von dem Träger der Kriegsopferversorgung ersetzt verlangt werden. Eine solche Auslegung ist aber weder mit der Gesamtregelung des Ersatzrechts nach § 19 BVG noch mit der Entstehungsgeschichte der Regelung des § 19 Abs 3 Satz 1 BVG vereinbar.

Wenn § 19 Abs 3 Satz 1 BVG keine Beschränkung des Umfangs des Ersatzanspruchs, sondern lediglich einen zeitlichen Aufschub für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs - eine Art Auszahlungsregelung, wie das SG meint - zum Inhalt hätte, wäre sie überflüssig. Denn schon nach den grundsätzlichen Ersatzregelungen der Absätze 1 und 2 des § 19 BVG kann eine Ersatzforderung nur geltend gemacht werden, wenn sich die Aufwendungen auf anerkannte Schädigungsfolgen richten, das Anerkennungsverfahren also schon durchgeführt ist.

Daß § 19 Abs 3 Satz 1 BVG keine - überflüssige - Auszahlungsvorschrift ist, sondern den Umfang des Ersatzanspruchs beschränkt, zeigen auch die Regelungen vor Inkrafttreten des 2. NOG (vgl. die Darstellung bei van Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, III. Teil, 1962, S. 164 f). Hiernach war selbst bei anerkannten Schädigungsleiden eine Befristung der Ersatzpflicht vorgesehen. Im übrigen war der Ersatz allgemein von der Durchführung des Anerkennungsverfahrens abhängig. Demnach mußte bestimmt werden, welche Aufwendungen verlangt werden konnten, die in der Zeit gemacht wurden, bevor das Anerkennungsverfahren durchgeführt worden war. In den Fällen, in denen der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit einer Schädigung erst während der Heilbehandlung anerkannt wurde, wurde Ersatz "frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs, jedoch nicht für eine vor Inkrafttreten dieses Gesetzes liegende Zeit geleistet". Das 2. NOG hat zwar die Befristung der Ersatzansprüche und weitere Beschränkungen wegfallen lassen (vgl. dazu van Nuis-Vorberg, aaO; es hat aber an der Regelung der Fälle des Behandlungsbeginns vor Anerkennung inhaltlich nichts geändert. Da das 2. NOG in den Absätzen 1 und 2 des § 19 BVG klarstellt, daß sich der Ersatzanspruch nur auf "anerkannte" Schädigungsfolgen bezieht, konnte die Regelung des Behandlungsbeginns vor Anerkennung knapper formuliert werden. Diese Formulierung ist aber in Verbindung mit Absatz 1 und 2 nicht weniger eindeutig.

Die Ausführungen der Klägerin zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Beschädigten schon vor der Anerkennung einer Krankheit als Schädigungsfolge Ansprüche gegen die Versorgungsverwaltung zustehen, gehen von der Annahme aus, daß die Ersatzregelung des § 19 BVG das Ziel habe, die Krankenkasse für ihre Leistungen möglichst vollständig zu entschädigen und daß ihr deshalb im Ergebnis die Ansprüche zuzubilligen seien, die dem Beschädigten ohne das Eintreten der Krankenkasse gegenüber der Versorgungsverwaltung zugestanden hätten. Dies ist nicht zutreffend. Die vollen Aufwendungen sind lediglich zu ersetzen, wenn ein nichtverpflichteter Leistungsträger anstelle des alleinverpflichteten Leistungsträgers geleistet hat und eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Umfangs des Ersatzanspruchs fehlt, so daß die Rechtsgrundlage für einen Ersatzanspruch in den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts zu sehen ist (vgl. BSGE 16, 151, 156; 16, 222). In § 19 BVG sind indessen die Fälle geregelt, in denen der vorleistende Leistungsträger - Krankenkasse - aufgrund einer eigenen Verpflichtung geleistet hat. Die Krankenkasse ist aufgrund der Mitgliedschaft des beschädigten Versicherten zu Sachleistungen grundsätzlich wegen aller Krankheiten verpflichtet. Dieser Sachleistungsanspruch ist unabhängig davon, ob die Krankheit vor oder nach dem Beginn der Mitgliedschaft entstanden ist (vgl. § 206 RVO und dazu: BSGE 40, 104, 105) und auf welcher Ursache die Krankheit beruht (vgl. § 192 RVO). Allein die Tatsache, daß die Krankenkasse für eine Schädigungsfolge geleistet hat, bewirkt nicht den Ausschluß ihrer Verpflichtung. Das ergibt sich auch nicht etwa aus Art 120 des Grundgesetzes (GG), wonach der Bund die Aufwendungen für die Kriegsfolgelasten trägt. Denn diese Verpflichtung hängt von der näheren Regelung durch Bundesgesetze, hier das BVG, ab. Das BVG bestimmt grundsätzlich, daß der Bund nur für anerkannte Schädigungsfolgen einzutreten hat. Das BVG legt den Zeitpunkt der Anerkennung in die Hand des Beschädigten selbst. Mit der Verpflichtung der Kasse tritt die Verpflichtung des Bundes erst von dem Zeitpunkt der Anerkennung der behandelten Gesundheitsstörung in Konkurrenz. Diese Konkurrenz regelt § 10 Abs 1 BVG in Übereinstimmung mit Art 120 GG zu Lasten der Versorgungsverwaltung. Dies gilt auch für Schwerbeschädigte, die - wie hier - einen entsprechenden Heilbehandlungsanspruch gegen den Träger der Sozialversicherung haben (vgl § 10 Abs 7 Buchst a BVG). Für die Aufwendungen, die die Kasse von dem Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels - der Wirksamkeit der Anerkennung - an gemacht hat, wird ihr nach § 19 BVG Ersatz geleistet.

Es kann unentschieden bleiben, unter welchen Voraussetzungen dem Beschädigten selbst schon vor der Anerkennung von Schädigungsfolgen Heilbehandlung aufgrund der Kann-Vorschrift des § 10 Abs 8 BVG zu gewähren ist. Insbesondere kann offenbleiben, ob nach § 18a Abs 1 Satz 3 BVG im Hinblick auf den Antrag auf Krankenhilfe ein Heilbehandlungsantrag fingiert werden kann. Es kann auch die von den Beteiligten im Revisionsverfahren in den Vordergrund gestellte Frage unentschieden bleiben, ob der Beschädigte des vorliegenden Falles "Berechtigter" im Sinne des § 18a Abs 1 Satz 3 BVG war. Schließlich sind Erwägungen darüber entbehrlich, in welchem Umfang eine vor der Anerkennung selbst beschaffte Heilbehandlung sich in einen Erstattungsanspruch verwandeln kann (§ 18 Abs 1 Satz 1 BVG). Selbst wenn zugunsten des Beschädigten einer nachträglichen Anerkennung im Ergebnis die Wirkung zuerkannt wird, als habe die Anerkennung schon bei Beginn der Heilbehandlung vorgelegen, so ist damit nichts über den Ersatzanspruch der Krankenkasse ausgesagt. Offen bleibt daher auch, ob die Vorschriften des BVG über die Heilbehandlung und die Kostenerstattung vor der Anerkennung überhaupt auf den Personenkreis beschränkt sind, der nicht bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist (so van Nuis-Vorberg aaO, 1969, S. 52).

Der Ersatzanspruch für die streitige Zeit könnte allenfalls dann begründet sein, wenn die Klägerin geltend machen könnte, die Anerkennung sei zu einem früheren Zeitpunkt wirksam geworden. Da nach § 60 Abs 1 und 2, § 1 Abs 1 BVG die Anerkennung mit dem Beginn des Antragsmonats wirksam wird, setzt ein solches Vorgehen die Behauptung voraus, der Beschädigte habe nicht, wie dies in dem Bescheid vom 29. August 1973 festgestellt ist, im Juni 1972, sondern schon früher den Antrag auf Anerkennung gestellt. Da die Klägerin dies nicht behauptet, bedarf es keiner Entscheidung der grundsätzlichen Frage, ob sie als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ein von dem Beschädigten unabhängiges Recht hat, Ansprüche aus dem Versorgungsverhältnis herzuleiten. Allein die Tatsache, daß sie an einer Vorverlegung des Wirksamkeitszeitpunkts interessiert ist, reicht nicht aus, eine derartige prozessuale Rechtsstellung zu begründen. So ist die Krankenkasse auch nicht befugt, geltend zu machen, der Rentenbeginn, der sie von der Verpflichtung Krankengeld zu zahlen, befreit (§ 183 Abs 3 RVO) müsse auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt werden (vgl.dazu BSGE 38,198,199). Für solche Befugnisse sind grundsätzlich ausdrückliche Regelungen (vgl. zB § 1538 RVO) erforderlich, die hier fehlen.

Es besteht schließlich auch kein Anhaltspunkt dafür, daß in dem Ersatzstreit etwa ein anderer Anerkennungszeitpunkt zugrunde gelegt werden könnte als in dem Versorgungsverhältnis. Die Befugnis der Krankenkasse, gegen den Unfallversicherungsträger ohne Rücksicht auf die gegenüber dem Versicherten getroffenen Entscheidungen des Unfallversicherungsträgers den Ersatzanspruch nach § 1504 RVO geltend zu machen (vgl. BSG 24, 155), folgt daraus, daß diese Vorschrift nicht die Anerkennung der Krankheit als Unfallfolge verlangt.

Da somit kein Grund besteht, § 19 Abs 3 BVG über seinen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, daß die Anerkennung von Schädigungsfolgen zugunsten der Krankenkasse schon vor der Wirksamkeit der Anerkennung Wirkungen entfaltet, ist der Ersatzanspruch unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1, 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652019

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