Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung, ob eine Förderung unter Berücksichtigung der Lage und der Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheint (AFG § 36), kommt es grundsätzlich auf die Verhältnisse in dem angestrebten Beruf an.

2. Die Förderung einer Maßnahme zur Umschulung erscheint jedenfalls dann zweckmäßig, wenn der angestrebte Beruf ein sogenannter Mangelberuf ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Für einen Techniker bedeutet der Wechsel zum Lehrerberuf auch dann, wenn er dabei in seinem Fachgebiet verbleibt, stets eine berufliche Umschulung.

 

Normenkette

AFG § 2 Fassung: 1969-06-25, § 36 Fassung: 1969-06-25, § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 43 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Oktober 1972 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Förderung der Teilnahme an einem 2-semestrigen Lehrgang zur Heranbildung von Werkerziehern für Volksschulen im Lande Niedersachsen.

Der Kläger hat das Tischlerhandwerk erlernt und von 1958 bis 1961 ausgeübt. Von 1961 bis 1965 besuchte er die Werkkunstschule in Hildesheim, legte die Meisterprüfung im Tischlerhandwerk ab und beschloß schließlich seine Ausbildung mit der Hauptprüfung als Innenarchitekt und Holztechniker. Anschließend war er bis September 1970 in der Industrie (Herstellung von Schul- und Ladenmöbeln sowie die Einrichtung von Läden) tätig.

Er gab seine letzte Tätigkeit auf, um - wie er angibt - einen schon lange gehegten Wunsch, Lehrer zu werden, in die Tat umzusetzen. Hierzu hätte er ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, da das Land Niedersachsen Absolventen von Werkkunstschulen als Lehrer für Kunsterziehung und Werken (im Angestelltenverhältnis) für alle Schulformen einstellt. Der Kläger fühlte sich jedoch nicht hinreichend qualifiziert, weil während der Ausbildung an der Werkkunstschule keinerlei pädagogische Kenntnisse vermittelt worden seien. Um sich diese notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, besuchte der Kläger in der Zeit vom 15. September 1970 bis 22. Juli 1971 den 2-semestrigen Werkerzieherlehrgang in D. Dieser Lehrgang ist darauf angelegt, Personen aus pädagogischen, künstlerischen und Handwerksberufen zu Werkerziehern an Volksschulen auszubilden. Er setzt als Zugangsvoraussetzungen u. a. eine abgeschlossene Ausbildung in einem pädagogischen, technischen oder künstlerischen Beruf sowie eine mehrjährige Tätigkeit in diesem Beruf voraus. Für Absolventen von Werkkunstschulen ist dieser Lehrgang nicht vorgeschrieben und führt auch nicht zu einer höheren Einstufung.

Der Antrag des Klägers vom 3. Juni 1970 auf Förderung des Lehrgangs in D wurde abgelehnt (Bescheid vom 8. Oktober 1970, Widerspruchsbescheid vom 10. November 1970).

Die Beklagte vertrat die Auffassung, daß es in den vom Kläger erlernten Berufen Tischlermeister, Holztechniker und Innenarchitekt ausgezeichnete Beschäftigungsmöglichkeiten gebe und deshalb eine Umschulung zum Lehrer arbeitsmarktpolitisch nicht zweckmäßig sei (§§ 36 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG - und 8 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 - AFuU 1969 -).

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Hildesheim vom 14. April 1971). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) jedoch die begehrte Förderung zugesprochen (Urteil vom 24. Oktober 1972). Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß der Besuch des Lehrgangs in Dreibergen für den Kläger eine berufliche Fortbildung darstelle. Der Lehrgang habe nicht die Voraussetzungen für die Ausübung des Lehrerberufs geschaffen und damit zu einem Beruf mit neuem Inhalt hingeführt, wie dies für die Umschulung charakteristisch sei. Der Kläger sei schon mit Beendigung der Werkkunstschule fertig ausgebildeter Lehrer gewesen. In Dreibergen habe er seine Kenntnisse lediglich vertieft und damit ein Ziel verfolgt, das in den Bereich der Fortbildung gehöre.

Die Fortbildung sei nicht als arbeitsmarktpolitisch unzweckmäßig anzusehen. Es stelle sich nämlich nicht die Frage, ob das Überwechseln des Klägers von dem Beruf des Innenarchitekten in den des Lehrers zweckmäßig erscheine, sondern die Frage, ob die Fortbildung eines pädagogisch nicht ausgebildeten Lehrers im pädagogischen Bereich arbeitsmarktpolitisch sinnvoll sei. Die letztere Frage sei zu bejahen, denn Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts wiesen den Beruf des Lehrers als Mangelberuf aus. Dies gelte insbesondere für Lehrkräfte in technischen Fächern.

Mit der - zugelassenen - Revision rügt die Beklagte Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, der Kläger sei zu Beginn der Teilnahme an dem Kurs in Dreibergen nicht ausgebildeter Lehrer gewesen, sondern Innenarchitekt, worauf seine letzte Tätigkeit hindeute. Auch inhaltlich seien dem Kläger durch den Lehrgang in Dreibergen erstmals die wesentlichen Kenntnisse vermittelt worden, die Grundlage des neuen Berufs bildeten. Erst die neuvermittelten erziehungswissenschaftlichen Grundlagen machten den Beruf des "ausgebildeten Lehrers" aus.

Der Bildungsgang in Dreibergen sei zudem gezielt auf die Heranbildung von Werkerziehern für Volksschulen ausgerichtet. Er baue deshalb nicht auf der Werkkunstschulausbildung auf. Auch dies spreche gegen die Annahme einer Fortbildung.

Im übrigen habe der Kläger tatsächlich den Beruf des Lehrers bisher nicht ausgeübt, sondern ein Studium zum Volksschullehrer begonnen. Für dieses Studium sei der Umweg über den Ausbildungskurs in D nicht erforderlich gewesen. Die Zulassung zum Studium setze das Abitur oder die Begabtensonderprüfung voraus. Diese Sonderprüfung habe auch der Kläger ablegen müssen. Es sei nicht einmalwünschenswert, daß der Weg zum Volksschullehrer auf dem Umweg über Kurse in Dreibergen angegangen werde. Eine Förderung solcher Bemühungen verleite Interessenten zu unzweckmäßigen Ausbildungsgängen.

Im übrigen wiederholt sie ihre Auffassung, daß der Wechsel von einem Mangelberuf in den anderen arbeitsmarktpolitisch nicht zweckmäßig sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 24. Oktober 1972 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 14. April 1971 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Er beruft sich zur Begründung im wesentlichen auf das Urteil des LSG. Ergänzend führt er aus, daß es für die Beurteilung einer Maßnahme nicht auf die Entschlüsse über den weiteren Berufsweg ankomme, die der Kläger nach Abschluß der Maßnahme fasse, sondern auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Das spätere Studium müsse deshalb außer Betracht bleiben.

Er ist darüber hinaus der Meinung, daß der Lehrgang auch als Umschulung zu fördern sei. In dem Beruf des Kunsterziehers herrsche ein größerer Mangel als in dem Beruf des Innenarchitekten. Dies gelte besonders für den Bereich seines Wohnortes. Dort seien Anstellungsmöglichkeiten, die seinem Ausbildungsstand als Innenarchitekt entsprächen, kaum gegeben, wohl aber bestehe ein starker Bedarf an Kunsterziehern. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, daß das Bedürfnis nach Lehrern wegen der besonderen Breitenwirkung dieses Berufes schwerer wiege.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zugestimmt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Entgegen der Auffassung des LSG kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Besuch des Lehrgangs in Dreibergen für den Kläger eine Fortbildung darstellt. Der Kläger hat seinem Werdegang nach einen technischen Beruf. Er war Tischler, Tischlermeister und schließlich Innenarchitekt. Er hat auch bis zum Beginn der Maßnahme auf dem technischen Sektor gearbeitet. Zu dem Lehrerberuf hat er bisher keinerlei Beziehungen gehabt. Er hat weder eine Ausbildung genossen, die speziell hierauf zugeschnitten ist, noch hat er ihn je ausgeübt. Es gibt auch keine Vorschrift in den Gesetzen und Verordnungen des Landes Niedersachsen, die den Absolventen der Werkkunstschulen gleichzeitig mit dem Abschluß der künstlerisch-technischen Ausbildung eine Lehrbefähigung zuerkennt. Allgemeine (nachrangige) Erlasse, wonach Absolventen von Werkkunstschulen die Qualifikation als Lehrer zuerkannt wird, hat das LSG nicht festgestellt. Die Auffassung des LSG, der Kläger sei bereits mit Abschluß des Werkkunstschulstudiums fertig ausgebildeter Lehrer gewesen, entbehrt deshalb sowohl vom Inhalt der Ausbildung her als auch nach der rechtlichen Bedeutung der erworbenen Qualifikation der Grundlage. Wenn das Land Niedersachsen Werkkunstschulabsolventen dennoch in allen Schulformen die Möglichkeit gibt, als Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt zu werden, so vermag diese Praxis die berufliche Einordnung des allein auf technische Berufe ausgerichteten Werkkunstschulabschlusses nicht zu verändern.

Es besteht bislang also kein Anhalt, daß der Kläger mit Beendigung des Werkkunstschulstudiums zwei Qualifikationen erworben hat, eine für die Ausübung eines technischen Berufs - also als Techniker - und eine als Lehrer. Vielmehr deutet alles darauf hin, daß er auch nach Beendigung des Studiums ausschließlich Techniker war und nur diese Qualifikation mit Abschluß der Werkkunstschule erworben hat. Da jedoch nicht auszuschließen ist, daß einschlägige, bisher nicht festgestellte Erlasse bestehen, die den Werkkunstschulabsolventen generell eine weitere Qualifikation als Lehrer zuerkannt haben, muß das LSG hierzu noch weitere Ermittlungen anstellen. Hat der Kläger - entgegen der nach den bisherigen Feststellungen des LSG zu vertretenden rechtlichen Bewertung - allerdings auch eine Qualifikation als Lehrer mit dem Abschluß der Werkkunstschule erhalten, wäre seine Teilnahme an der hier streitigen Maßnahme als Fortbildung im Sinne des § 41 AFG anzusehen. Da nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die Werklehrerkurse in D als Zugang eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine angemessene Berufserfahrung voraussetzen, wären zumindest die für eine Förderung der Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme vorgeschriebenen gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen erfüllt.

Sollte sich jedoch ergeben, daß der Kläger mit dem Abschluß der Werkkunstschule keine ausdrückliche Lehrbefähigung erhalten hat, so war der Besuch des Lehrgangs in Dreibergen für ihn eine Maßnahme der beruflichen Umschulung (§ 47 AFG). Dieser Lehrgang hatte das Ziel, Lehrer auszubilden. Er diente nicht nur dazu, ergänzende pädagogische Fähigkeiten zu vermitteln, die im Rahmen des bisherigen künstlerischen oder technischen Berufs verwertet werden sollten - wie etwa bei Lehrgängen für Ausbilder -, sondern er sollte zu Lehrberufen an allgemeinbildenden Schulen hinführen. Für einen Techniker bedeutet der Wechsel zum Lehrerberuf auch dann, wenn er dabei in seinem Fachgebiet verbleibt, stets eine berufliche Umschulung. Der Beruf des Lehrers hat gegenüber dem Technikerberuf einen anderen Inhalt, weil die Tätigkeit nicht mehr durch die technischen Anforderungen, sondern durch die pädagogische Aufgabe geprägt wird (vgl. Urteil des Senats vom 24. September 1974 - 7 RAr 51/72 -; BSG in SozR 4100 Nr. 9 zu § 43 AFG).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Förderung der Teilnahme an dem Lehrgang als Umschulung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Lehrgang in D hält sich im zeitlichen Rahmen der §§ 47 Abs. 3 AFG, 6 AFuU 1969. Der Kläger ist auch Arbeitsuchender. Für die Erfüllung dieser Voraussetzung genügt es, wie der Senat in den oa. zitierten Urteilen bereits entschieden hat, daß der Kläger dem Arbeitsamt gegenüber den Willen bekundet hat, im Anschluß an die Maßnahme eine berufliche Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt aufzunehmen.

Die allgemeinen Förderungsvoraussetzungen des § 36 AFG sind ebenfalls erfüllt. Danach dürfen Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung nur gewährt werden, wenn der Antragsteller geeignet ist und die Förderung unter Berücksichtigung der Lage und der Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie der beruflichen Neigung des Antragstellers zweckmäßig erscheint. Die Eignung des Klägers für den Lehrerberuf steht nicht in Frage. Ebenso ist die Förderung der Maßnahme in Dreibergen zweckmäßig unter dem Gesichtspunkt der Neigung des Klägers zum Lehrerberuf. Die Maßnahme ergänzt sein bisheriges technisches Wissen um pädagogische Kenntnisse und spezielle Kenntnisse für schulisches Werken; sie verschafft ihm auch eine bestimmte formelle Qualifikation. Zwar hätte ein Vollstudium zum Lehrer für den Kläger den Vorteil intensiverer Ausbildung und größerer beruflicher Sicherung gebracht. Dagegen bot aber der Lehrgang in Dreibergen den Vorteil geringerer zeitlicher Belastung - ein Vorteil, der gerade bei der Umschulung Erwachsener besonders ins Gewicht fällt. Unzweckmäßig wäre die Maßnahme allenfalls gewesen, wenn der Kläger von vornherein die Absicht gehabt hätte zu studieren und den Lehrgang in Dreibergen lediglich als Vorstufe hierzu durchlaufen hätte. Den Feststellungen des LSG ist jedoch nichts dafür zu entnehmen, daß beim Kläger eine solche Absicht zu Beginn der hier streitigen Maßnahme bestanden hat.

Für die Beurteilung, ob die Förderung des Lehrgangsbesuchs auch unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheint, kommt es grundsätzlich auf die Verhältnisse in dem angestrebten Beruf an, nicht aber - wie die Beklagte meint - generell auf einen Vergleich mit den Verhältnissen im bisherigen Beruf. Hiervon geht die Beklagte in der - allerdings in diesem Fall noch nicht anzuwendenden - Neufassung von § 8 AFuU (Fassung vom 19. Dezember 1973) selbst grundsätzlich aus. Der Wortlaut des § 36 AFG läßt bereits erkennen, daß Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes lediglich bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Förderung berücksichtigt werden müssen. Diese Prüfung läßt keinen Raum für eine Ordnung des Arbeitsmarktes, insbesondere für eine Lenkung der Arbeitskräftefluktuation zwischen verschiedenen Berufen durch die Beklagte. Eine solche allgemeine Lenkungsbefugnis der Beklagten dem § 36 AFG insoweit zu entnehmen, würde den in § 2 AFG aufgeführten allgemeinen Zielen des Gesetzes nicht entsprechen. Ob eine Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheint, orientiert sich vielmehr regelmäßig an den Zwecken, denen die jeweilige Maßnahme dient.

Zweck der Umschulung ist es in erster Linie, die berufliche Beweglichkeit des Arbeitnehmers zu sichern oder zu verbessern (§ 47 Abs. 1/§ 2 Ziff. 2 AFG). Dieses Ziel wird regelmäßig erreicht, wenn der Bildungswillige in dem neuen Beruf - zusätzlich zu seinem bisherigen Beruf - eine auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Beschäftigungsmöglichkeit erhalten hat. Diese Voraussetzung ist grundsätzlich dann erfüllt, wenn es sich bei dem angestrebten Beruf um einen sogenannten Mangelberuf handelt, hingegen nicht, wenn der neue Beruf überbesetzt ist oder wegen rückläufiger Tendenzen in absehbarer Zeit Unterbringungsschwierigkeiten erwarten läßt. Wo die genauen Grenzen liegen, ist nach Lage des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei können u. U. auch die Verhältnisse in dem bisherigen Beruf von Bedeutung sein. Es ist durchaus denkbar, daß der Wechsel in den neuen Beruf die Möglichkeiten des Einsatzes auf dem Arbeitsmarkt nicht erweitert, weil eine Rückkehr in den bisherigen Beruf ausgeschlossen erscheint oder sehr erschwert ist, so z. B. bei besonders schneller Entwicklung der Anforderungen an die Berufskenntnisse oder weil ständige Übung bestimmter Tätigkeiten erforderlich ist. Im vorliegenden Fall hat das LSG festgestellt, daß es sich bei dem vom Kläger angestrebten Beruf des Werklehrers um einen Mangelberuf handelt. Demnach sind die Voraussetzungen des § 36 AFG erfüllt.

Wenn auch - unter den anfangs erörterten Voraussetzungen - die Teilnahme des Klägers an dem Werklehrerkursus in D nach § 41 AFG (als Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme) oder aber nach § 47 AFG (als berufliche Umschulung) grundsätzlich zu fördern ist, so fehlen dennoch weitere für eine abschließende Entscheidung erforderliche Feststellungen.

Der Sachverhalt gibt nämlich zu Zweifeln Anlaß, ob die Förderung nicht nach § 43 Abs. 2 AFG ausgeschlossen ist, weil der vom Kläger besuchte Lehrgang in Dreibergen auf die Zwecke des Landes Niedersachsen ausgerichtet ist und ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse hierfür nicht besteht. Der Senat hat hierzu bereits in seinen Urteilen vom 24. September 1974 - 7 RAr 11/72 (SozR 4100 Nr. 9 zu § 41 AFG) und 7 RAr 51/72 (SozR 4100 Nr. 6 zu § 47 AFG) ausgesprochen, daß ein Lehrgang der Schulbehörde eines Landes, der das Ziel hat, Lehrkräfte für den musisch-technischen Unterricht für die eigenen Schulen heranzubilden, auf die Zwecke eines Betriebes oder Verbandes im Sinne des § 43 Abs. 2 AFG ausgerichtet ist und für die Förderung kein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Die Zweckgebundenheit einer Maßnahme ergibt sich nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 19. März 1974 - 7 RAr 32/72 -) insbesondere aus drei Kriterien, nämlich der Auswahl des Teilnehmerkreises, dem Inhalt der Schulung und dem besonderen Ausbildungsziel. Hinsichtlich der Auswahl der Teilnehmer ist es nicht von Bedeutung, daß Zugang zu diesen Lehrgängen möglicherweise nicht nur oder nicht einmal in erster Linie Bedienstete des Landes Niedersachsen, sondern auch außenstehende Bewerber haben. Gerade in den Fällen, in denen ein Betrieb oder Verband freie Stellen, deren Besetzung eine bestimmte Qualifikation des Stelleninhabers erfordert, nicht mit eigenen Bediensteten besetzen kann, ist es zwangsläufig, daß Außenstehende für die Bildungsmaßnahme angeworben werden. Die besondere Interessenbindung wird in einem solchen Fall daran deutlich, daß die Absolventen der Lehrgänge ausschließlich für den Schuldienst des Landes ausgebildet werden sollen.

Der Inhalt der Schulung in Dreibergen und der vorgesehene Abschluß deuten jedenfalls auf eine besondere Interessenbindung im Sinne des § 43 Abs. 2 AFG hin, weil es sich bei diesem Ausbildungsgang um eine von der allgemein üblichen pädagogischen Ausbildung durch ein Studium abgehobene besondere Schulung handelt, die ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in Erlassen des niedersächsischen Kultusministeriums hat und auf die Bedürfnisse des Landes Niedersachsen ausgerichtet erscheint. Die Ausrichtung der Maßnahme auf die Zwecke des Landes Niedersachsen würde nicht dadurch beeinträchtigt, daß in Ausnahmefällen mit dieser Ausbildung eine Beschäftigung außerhalb der Schulverwaltung des Landes möglich sein sollte.

Ein starkes Indiz für die Interessengebundenheit sind auch die Trägerschaft und die finanziellen Hilfen für die Teilnehmer. Es ist also von Bedeutung festzustellen, ob die Lehrgänge von der Schulbehörde getragen und die Teilnahme daran finanziell gefördert wird. Den vom LSG in Bezug genommenen Akten ist insoweit zu entnehmen, daß die Unterbringung der Teilnehmer kostenlos im Lehrerfortbildungsheim erfolgt und sie für die Verpflegung lediglich einen geringfügigen, sicher nicht kostendeckenden Zuschuß zu leisten haben. Dies läßt eine Trägerschaft und Kostenbeteiligung des Landes Niedersachsen vermuten. Eine abschließende Entscheidung ist jedoch nicht möglich, weil die erforderlichen Feststellungen noch fehlen.

Ergeben die Ermittlungen des LSG Tatsachen, die den Schluß rechtfertigen, daß der vom Kläger besuchte Lehrgang in D auf die Zwecke des Landes Niedersachsen in dem oben gekennzeichneten Sinne ausgerichtet war, so läßt sich eine Förderung auch nicht durch ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse rechtfertigen. Der Begriff des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses im Sinne des § 43 Abs. 2 AFG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der allerdings der Verwaltung einen gewissen Spielraum in der Beurteilung der Rechtsanwendung auf den einzelnen Sachverhalt einräumt. Die Ausübung dieses Beurteilungsspielraumes durch die Verwaltung wird für den Bereich der Förderung der beruflichen Bildung im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 39 AFG vorgenommen. Macht die Bundesanstalt von dem ihr bei der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen zustehenden Beurteilungsspielraum durch eine entsprechende Regelung im Rahmen des Satzungsrechts Gebrauch, so beschränkt sich die Kontrolle durch das Gericht darauf, ob die entsprechenden Satzungsbestimmungen von der Ermächtigung gedeckt sind. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß von § 4 AFuU 1969 auszugehen ist, in welchem der Begriff "besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse" näher umschrieben wird. In Betracht kommt vorliegend allenfalls die Regelung in § 4 Nr. 3 AFuU 1969; danach besteht ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse im Sinne des § 73 Abs. 2 AFG, wenn die Umschulung die berufliche Beweglichkeit des Teilnehmers verbessert und Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung oder Mangel an Arbeitskräften auf andere Weise nicht verhütet oder beendet werden kann. Eine von einer Schulbehörde eingerichtete Bildungsmaßnahme zur Heranbildung von Fachlehrern hat zwar den Zweck, einen "Mangel an Arbeitskräften zu verhüten oder zu beenden", dieser Mangel ist aber "auf andere Weise" (als durch Förderung seitens der Bundesanstalt für Arbeit) zu beheben. Auf "andere Weise" im Sinne des § 4 Nr. 3 AFuU 1969 sind die dort bezeichneten arbeitsmarktpolitischen Schwierigkeiten jedenfalls dann zu beheben, wenn der Betrieb oder Verband, auf dessen Zwecke die Bildungsmaßnahme ausgerichtet ist, selbst eine gesetzliche Verpflichtung zur Beseitigung jener Schwierigkeiten hat. Das ist hier der Fall. Gemäß Art. 7 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Schulpflicht und deren Organisation eine zentrale Aufgabe des Staates. Zur Schulaufsicht im Sinne des Art. 7 Abs. 1 GG gehört die Befugnis des Staates zur zentralen Ordnung und Organisation des Schulwesens mit dem Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Diese verfassungsmäßigen gesetzlichen Pflichten der Länder haben zur Folge, daß ein im Bereich der Schulbehörde bestehender Mangel an Arbeitskräften von ihr selbst, also "auf andere Weise" als durch Förderung seitens der Bundesanstalt verhütet bzw. beendet werden kann.

Da somit die Entscheidung des Falles davon abhängt, ob der Lehrgang in D auf die Zwecke des Landes Niedersachsen ausgerichtet ist, muß das LSG die hierfür erforderlichen Feststellungen nachholen. Somit ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG hat bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden.

 

Fundstellen

BSGE, 189

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