Entscheidungsstichwort (Thema)

Amateurmusiker. Orchestermusiker. abhängiges Beschäftigungsverhältnis

 

Orientierungssatz

Zur Frage, ob die Mitglieder eines Musikantenorchesters als freie Mitarbeiter anzusehen sind oder zu dem Leiter der Kapelle in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

 

Normenkette

AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AFG § 168 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.05.1976; Aktenzeichen L 4 Kr 997/72)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 15.05.1972; Aktenzeichen S 7b Kr 1915/71)

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen und dieser deshalb verpflichtet ist, für die Kläger Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abzuführen.

Im März 1967 schlossen der Leiter der "O. M.", der Beigeladene zu 1) und die Kläger jeweils einen Vertrag, in dem sie sich verpflichteten, bei allen Veranstaltungen des Orchesters in den Jahren 1967, 1968 und 1969 sowie bei hierfür erforderlichen Proben (bei öffentlichen Veranstaltungen in Tracht) zu musizieren. In den Verträgen ist ferner bestimmt, daß derjenige Musiker, der an einer Veranstaltung nicht teilnimmt - ausgenommen im Falle einer durch ärztliches Attest nachgewiesenen Erkrankung - dem Orchesterleiter und dem Veranstalter Schadenersatz zu leisten hat. An spielfreien Tagen ist es den Musikern - nach vorheriger Unterrichtung des Orchesterleiters - erlaubt, bei anderen Orchestern mitzuwirken; ausgenommen hiervon sind Schallplattenaufnahmen mit anderen Orchestern, in Gruppen (zB ganze Bläsersätze) und die Mitwirkung von mehr als vier Musikern. Als Gegenleistung wurden mit dem Kläger zu 2) eine Gage von 150,- DM und mit dem Kläger zu 1) eine Gage von 140,- DM für jede Veranstaltung während der Sommersaison (Zeltveranstaltungen mit einer Spieldauer von 4 Stunden) vereinbart. Für Konzertveranstaltungen in Sälen (Tournee) mit einer Höchstspieldauer von drei Stunden wurden mit jedem der beiden Kläger eine Gage von 120,- DM und für Fernseh-, Funk- und Schallplattenaufnahmen Sonderzahlungen festgelegt. Weiterhin wurde vereinbart, daß jeder der Musiker sein Einkommen selbst zu versteuern und sich gegen Unfälle während der Veranstaltungen sowie auf dem Hin- und Rückweg zu diesen selbst zu versichern habe. Im Jahre 1968 ergänzten die Beteiligten jeden der Verträge dahin, daß jeder der Musiker als freier Mitarbeiter und Gagenempfänger nicht der gesetzlichen Sozialversicherung unterliege und Ansprüche im Krankheitsfall gegen den Orchesterleiter nicht bestehen.

Im April 1970 stellte die Allgemeine Ortskrankenkasse Leonberg, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, bei dem Beigeladenen zu 1) Ermittlungen über die Versicherungspflicht der Musiker in der Angestellten- und Arbeitslosenversicherung an und forderte von ihm mit Schreiben vom 5. Mai 1970 ua für die Kläger Beiträge für die Jahre 1967, 1968 und 1969 von insgesamt 17.429,76 DM nach. Nachdem der Beigeladene zu 1) sich hiergegen gewendet hatte, wiederholte die Beklagte ihre Anforderungen mit Bescheid vom 5. August 1970.

Hiergegen erhob der Beigeladene zu 1) Widerspruch. Er berief sich auf einen Beschluß des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10. September 1970, in dessen Gründen ausgeführt wird, daß die Kläger als freie Mitarbeiter anzusehen seien, weil die Entgeltregelung einer Umsatzbeteiligung angenähert sei, ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Musikern und dem Orchesterleiter nicht bestehe und die Musiker zur Einkommenssteuer veranlagt würden. Nachdem die Beklagte noch Stellungnahmen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg zur Frage der Versicherungspflicht der Musiker eingeholt hatte, hob sie mit dem auch den Klägern zugestellten Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 1971 den angefochtenen Bescheid auf und entschied, daß die Kläger als freie Mitarbeiter nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterliegen.

Die Klage der beiden Kläger blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Stuttgart - SG - vom 15. Mai 1972). Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil und den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, für die Beschäftigung der Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) in den Jahren 1968 und 1969 Beiträge zur Angestellten- und zur Arbeitslosenversicherung einzuziehen (Urteil vom 7. Mai 1976). Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß die Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden haben. Es hat festgestellt, aus den Verträgen ergebe sich, daß die Kläger verpflichtet waren, die Weisungen des Beigeladenen zu 1) zu befolgen und deshalb in dessen Orchester-Unternehmen eingegliedert waren. Die Kläger seien "nach dem unstreitig praktizierten Inhalt der Verträge" verpflichtet gewesen, in vom Beigeladenen zu 1) festgelegter Bekleidung, an von diesem festgelegten Orten, zu von ihm festgesetzten Zeitpunkten, nach einem von dem Beigeladenen zu 1) bestimmten Arbeitsprogramm und einer von ihm vorgegebenen Ausgestaltung tätig zu werden. Für abhängige Beschäftigung spreche auch, daß die Kläger über keine eigene Betriebsstätte verfügt hätten, sondern an den von dem Beigeladenen zu 1) bestimmten Orten, also an seinen Betriebsstätten, tätig geworden seien. Der Beigeladene zu 1) habe auch das Unternehmerrisiko getragen, während die Kläger nur Anspruch auf feste Vergütung gehabt hätten. Die Behauptung des Beigeladenen zu 1), in Fällen, in denen er von dem Veranstalter keinerlei Leistungen erhalten habe, habe er auch den Musikern nichts bezahlt, sei nicht glaubhaft. Dem Beigeladenen zu 1) sei der Gewinn der Veranstaltungen und auch der Schallplattenaufnahmen allein zugeflossen. Ein Gesellschaftsverhältnis zwischen ihm und den Musikern habe nicht bestanden. Die sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Behandlung des Verdienstes der Kläger habe nur Indizwirkung und falle nicht entscheidend ins Gewicht. Das gelte auch für das Fehlen einer Urlaubsregelung, zumal diese im Hinblick auf lange Zwischenräume zwischen den Einsätzen als entbehrlich angesehen werden müsse. Nicht entscheidend sei auch die Befugnis, in der veranstaltungsfreien Zeit bei anderen Orchestern tätig zu werden.

Mit der Revision macht der Beigeladene zu 1) geltend, das LSG habe die Grundstrukturen, nach denen das Orchester tätig geworden sei, verkannt. Bei den meisten Kapellenmitgliedern habe es sich um Personen gehandelt, die hauptberuflich einem anderen Beruf nachgingen und die Musikantentätigkeit nur nebenbei ausübten. Zwischen den einzelnen Einsätzen seien lange Zeiträume gewesen. Außerdem hätten die Einsätze meist an Wochenenden oder nach 20.00 Uhr stattgefunden. Veranstalter dieser Auftritte sei nicht der Beigeladene zu 1) gewesen. Dieser habe über keine eigenen Betriebsstätten verfügt und auch keine Programme ausgerichtet. Das Orchester sei nur im Rahmen von Veranstaltungen tätig geworden, die von Konzertagenturen und sonstigen Veranstaltern ausgerichtet worden seien. Auch bei Schallplattenaufnahmen sei der Beigeladene zu 1) nicht als Produzent, sondern lediglich als Kapellenmitglied tätig geworden. Der Beigeladene zu 1) rügt, daß das LSG diese Umstände nicht hinreichend ermittelt habe. Er rügt ferner, das LSG habe zu Unrecht angenommen, daß er den Musikern die Gage auch dann auszahle, wenn er von dem Veranstalter keine Leistung erhalte. Er habe entgegen der Auffassung des LSG dies bereits in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Stuttgart erklärt. Schließlich rügte der Beigeladene zu 1), das LSG habe zu Unrecht dem Vertrag entnommen, daß die Musiker hinsichtlich Zeit, Ort, Bekleidung, Arbeitsprogramm und Ausgestaltung seinen Weisungen unterlegen hätten. Dem Vertrag sei derartiges nicht zu entnehmen und diese Folgerung entspreche auch nicht der tatsächlichen Handhabung. Im übrigen macht der Beigeladene zu 1) geltend, das LSG habe nicht hinreichend gewürdigt, daß den Orchestermitgliedern keine bezahlte Freizeit gewährt werde, ihnen freistehe, bei anderen Kapellen aufzutreten, die Tätigkeit eines Orchesterleiters von der Sache her ein Weisungsrecht mit sich bringe, das nichts mit dem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht gemein habe, keine Verpflichtung bestanden habe, die Musiker in einem bestimmten Umfang zu beschäftigen und schließlich die Vertragsbeteiligten den Willen deutlich hervorgehoben hätten, kein Arbeitsverhältnis zu begründen. Diesem Willen komme angesichts der Tatsache, daß die Rechtsstellung der Musiker vielfältige unterschiedliche Beurteilungen erfahren habe und sich damit deutlich als ein Grenzfall erweise, besonderes Gewicht zu.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kläger und die Beigeladene zu 2) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 3) haben keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision des Beigeladenen zu 1) ist begründet. Das Urteil des LSG kann keinen Bestand haben. Die Sache muß an das LSG zurückverwiesen werden. Nach den bisherigen Feststellungen kann noch nicht entschieden werden, ob die Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis standen und deshalb versicherungspflichtig in der Angestelltenversicherung (§ 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) und beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung (§ 168 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -) waren.

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis setzt voraus, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Das kann allerdings - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß" verfeinert sein. Andererseits kennzeichnen vornehmlich das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit eine selbständige Tätigkeit. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt dabei davon ab, welche Merkmale überwiegen. Daher sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Maßgebend hat stets das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu sein. Bedeutsam können dabei auch vertragliche oder sonstige Vereinbarungen zwischen den Beteiligten sein. Weichen die Vereinbarungen aber von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 8 S. 15 mit weiteren Nachweisen, StRspr).

Dem LSG ist zunächst darin beizupflichten, daß die Tätigkeit der Kläger nicht aufgrund eines Gesellschaftsvertrages erfolgt ist. Insoweit fehlt es an einer vertraglichen Grundlage, die auch die Geschäftsführung und die Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie den Einfluß des einzelnen Orchestermitglieds regelt (vgl BSG SozR Nr 13 zu § 165 RVO). Ebenso läßt sich den Behauptungen des Beigeladenen zu 1) über die tatsächliche Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses kein Anhalt entnehmen, daß die Handhabung der gegenseitigen Beziehungen einem Gesellschaftsverhältnis entsprach. Der Beigeladene zu 1) war "alleiniger Inhaber" des Namens des Orchesters. Er allein führte die Verhandlungen mit den Veranstaltern, schloß mit ihnen die Verträge ab und sorgte für deren Erfüllung. Ihm allein floß die Gage zu, von der er, unabhängig von deren Höhe, den Orchestermitgliedern nur den vertraglich generell für alle Veranstaltungen festgelegten Satz auszahlte. Danach können die Kläger zu dem Beigeladenen zu 1) nur noch im Verhältnis eines selbständigen (außenstehenden) freien Mitarbeiters oder in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden haben. Für die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten reichen die Feststellungen des LSG allerdings nicht aus.

Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, daß die Kläger verpflichtet waren, die Tracht zu tragen und ein bestimmtes Instrument zu spielen, weil es sich hierbei um Umstände handelt, die schon im voraus im Vertrag festgelegt waren und kein Weisungsrecht des Beigeladenen zu 1) begründeten.

Von den übrigen Feststellungen des LSG sprechen für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, daß die Kläger verpflichtet waren, an allen Einsätzen des Orchesters teilzunehmen, sich also ständig in Bereitschaft zu halten hatten. Sie hatten nicht die Freiheit, abzusagen und statt dessen für andere Orchester tätig zu werden oder nach ihrem Belieben Urlaub zu nehmen (so BAG AP Nr 12 zu § 611 BGB - Abhängigkeit -). Demgegenüber fällt die Möglichkeit, in den Zwischenzeiten zwischen den Einsätzen des Orchesters des Beigeladenen zu 1) auch für andere Orchester tätig zu sein und der eventuell große zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Einsätzen nicht ins Gewicht, weil sie die für die Belange des Beigeladenen zu 1) wesentliche Befugnis, die Arbeitskraft der Kläger in Anspruch zu nehmen, nicht einschränkte (BAG aaO). Unbeachtlich ist auch, ob die Musiker ihre Tätigkeit als Haupt- oder Nebenberuf ausübten (BAG aaO). Dieser Umstand wirkt sich allenfalls über § 8 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) auf die Sozialversicherungspflicht aus.

Für die Arbeitnehmereigenschaft der Kläger spricht ferner, daß sie eine unabhängig von der Gesamtgage für jeden Fall festgesetzte Vergütung erhielten, die im voraus und nicht von Fall zu Fall festgesetzt wurde. Gewinn und Verlust, die sich aus der Höhe der Gesamtgage etwa ergaben, trug insoweit der Beigeladene zu 1). Das LSG ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß der Beigeladene zu 1) allein der Inhaber des Unternehmens (und Betriebes des Orchesters) war. Dafür ist nicht entscheidend, daß der Beigeladene zu 1) nicht selbst Veranstaltungen ausrichtete und über keine eigene Betriebsstätte verfügte. Deshalb kann hier auch dahinstehen, von welchen Vorstellungen das LSG insoweit ausgegangen ist und ob die hiergegen erhobenen Rügen durchgreifen. Auch in dem Betreiben eines Orchesters liegt nicht nur ein wirtschaftliches Unternehmen, sondern auch ein Betrieb. Denn auch ein Orchester ist eine organisatorische Zusammenfassung von personellen (Musiker) und sachlichen (Instrumente) Mitteln, mit denen jemand (Orchesterinhaber) fortgesetzt einen arbeitstechnischen Zweck (Musikveranstaltungen) verfolgt (vgl Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 5. Aufl 1978, D I 2 - S. 87; BAG AP Nr 1 zu § 88 BetrVG 1952). Das Bestehen einer Betriebsstätte ist nicht unabdingbare Voraussetzung für den Betriebsbegriff. Es ist demnach festzuhalten, daß die Kläger gegen eine feste Vergütung (pro Einsatz) verpflichtet waren, für den Betrieb des Beigeladenen zu 1) jeweils auf Abruf tätig zu werden.

Der Beigeladene zu 1) trug auch das wirtschaftliche Risiko dieser Einsätze. Er hatte nach dem Vertragsinhalt die vereinbarte Vergütung zu zahlen, unabhängig davon, ob die Gage von dem Veranstalter ausgezahlt wurde oder nicht. Wenn er dies tatsächlich in einem Fall nicht getan haben sollte oder der Rechtsauffassung ist, daß er das nicht zu tun brauche, so stellt dies eine Vertragsverletzung dar, die den Charakter des Rechtsverhältnisses nicht ändert.

Für ein freies Mitarbeiterverhältnis spricht lediglich, daß die Kläger insoweit das Risiko des Einsatzes ihrer eigenen Arbeitskraft zu tragen hatte, als sie für Zeiten, in denen keine Engagements abgeschlossen werden konnten, auch keine Vergütung erhielten (vgl dazu BSG USK 76196). Dieses Risiko ist allerdings allein nicht entscheidend, sondern - wie alle anderen Gesichtspunkte - im Rahmen des Gesamtbildes der Tätigkeit zu würdigen.

Für die Würdigung des Gesamtbildes reichen die bisherigen Feststellungen des LSG nicht aus. Es bedarf vor allem noch einer hinreichenden Aufklärung der bestehenden Weisungsbefugnisse. Dem Beigeladenen zu 1) ist zuzugeben, daß die Bestimmung von Ort und Zeit der Einsätze nicht seinem freien Ermessen unterlag, sondern sich aus der vertraglichen Abrede mit den Veranstaltern ergab und unmittelbar für die Kläger wirkte, weil sie sich verpflichtet hatten, für alle Engagements des Orchesters zur Verfügung zu stehen. Gleiches gilt für die eventuell mit den Veranstaltern vereinbarten Darbietungen. Als arbeitsrechtliches Direktionsrecht kann ferner nicht die Weisungsbefugnis angesehen werden, die einem Orchesterleiter im künstlerischen Bereich zusteht. Hier handelt es sich um eine aus der Sachgesetzlichkeit heraus notwendige Leitungsbefugnis, die ebenso gegenüber freien Mitarbeitern oder Gesellschaftern besteht wie gegenüber Arbeitnehmern (BAGE 6, 232, 240).

Immerhin ist aber bei einer Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Kläger zu berücksichtigen, daß der Beigeladene zu 1) die Freiheit hatte, Ort, Zeit und Auswahl der Darbietung in den Vertragsverhandlungen mit den Veranstaltern auch für die Kläger und damit im Verhältnis zu ihnen einseitig festzulegen. Letztlich ausschlaggebend bleibt deshalb, wem das Recht zustand, die weiteren Einzelheiten zu bestimmen, so zB den Umfang der Proben, die Art der Anreise sowie Art und Ort der Unterbringung, die Auswahl der Musikstücke und die Art des Arrangements und sonstige Details des äußeren Auftretens und der Durchführung. Nur wenn in diesem Bereich den Musikern die Bestimmung selbst zustand oder die erforderlichen Entscheidungen im Einvernehmen aller zu treffen waren, wäre die Folgerung möglich, daß freie Mitarbeiterverhältnisse bestanden. Nur wenn dem Mitarbeiter Raum für freie, eigenständige Entscheidungen verbleibt, kann seine Stellung als eine freie Stellung angesehen werden. Wenn also - wie hier - bereits eine vertragliche Bindung an die Abschlüsse des Beigeladenen zu 1) mit den Veranstaltern oder Produzenten besteht, so muß wenigstens im Bereich der Durchführung noch für die einzelnen Musiker eine Einflußmöglichkeit vorhanden sein. Ist dies indes nicht der Fall, so liegt eine völlige Unterwerfung unter die Entscheidungen des Beigeladenen zu 1) vor, die nur als abhängiges Beschäftigungsverhältnis angesehen werden kann. Hieran ändert dann auch das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft nichts; denn das Bestehen eines unternehmerischen Risikos enthält nur dann einen Hinweis auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, wenn diesem Risiko größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG Urteil vom 13.Juli 1978 - 12 RK 14/78 - zur Veröffentlichung bestimmt).

Der Beigeladene zu 1) hat hier zu Recht und wirksam gerügt, daß das LSG dem Vertrag ein Weisungsrecht auch hinsichtlich der Vorbereitung und des Inhalts der Darbietungen entnommen hat (Verletzung des § 128 Abs 1 SGG). Die Verträge der Kläger enthalten nämlich keine derartigen Bestimmungen. Geregelt ist lediglich das Tragen der Tracht. Aber auch insoweit ist eine für alle Fälle geltende Festlegung erfolgt, die dem Beigeladenen zu 1) kein Weisungsrecht für den Einzelfall eröffnet. Das LSG hätte sich dementsprechend nicht mit der Würdigung der Verträge begnügen dürfen, sondern hätte zu der Behauptung des Beigeladenen zu 1), daß er kein Weisungsrecht in Anspruch genommen habe, die von ihm benannten übrigen Kapellenmitglieder vernehmen müssen.

Nicht entscheidend ist, ob den Musikern ein Urlaubsanspruch eingeräumt wurde, wie die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen gehandhabt wurde und wie die Finanzverwaltung die steuerliche Rechtslage beurteilt hat. Hierbei handelt es sich um rechtliche Folgerungen, die sich aus den Erkenntnissen über die Rechtsnatur des Grundverhältnisses ergeben, es aber nicht bestimmen und die deshalb allenfalls Indizwirkungen haben können (BSG, Urteil vom 1. Februar 1979 - 12 RK 7/77 - zur Veröffentlichung bestimmt).

Abschließend ist demnach festzuhalten, daß das LSG noch Feststellungen darüber zu treffen hat, welchen Einfluß die Kläger auf die Programmgestaltung, die Programmdurchführung, Ort, Umfang und Art der Proben sowie sonstige Begleitumstände hatten. Es hat alsdann erneut eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Erst wenn sich aus dieser Gesamtwürdigung keine eindeutige Entscheidung dafür ergibt, ob die Kläger abhängig beschäftigt oder als freie Mitarbeiter tätig waren, kann der im Vertrag zum Ausdruck gekommene Wille der Vertragsparteien den Ausschlag geben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG überlassen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652905

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