Orientierungssatz

Ausfallzeit - Vorbereitungslehrgang für das Bäckerhandwerk - Fachschulausbildung - überwiegende Inanspruchnahme:

1. Teilnahme an einem Vorbereitungslehrgang für das Bäckerhandwerk erfüllt nicht den Tatbestand einer Ausfallzeit iS des § 1259 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b RVO, wenn die Arbeitskraft des Versicherten durch Unterricht, Vorbereitungs- und Wegezeiten nicht überwiegend in Anspruch genommen wird, so daß daneben die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich gewesen ist.

2. Eine Ausbildung nimmt die Arbeitskraft des Auszubildenden überwiegend in Anspruch und schließt damit auch eine versicherungspflichtige Halbtagstätigkeit aus, wenn sie einen wöchentlichen Zeitaufwand von mehr als 40 Stunden erfordert (vgl BSG 25.8.1987 11a RA 26/86)

 

Normenkette

RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 03.07.1987; Aktenzeichen L 11 J 660/84)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.03.1984; Aktenzeichen S 17 J 570/83)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Ausfallzeit.

Der Kläger bezieht von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. In der Zeit vom 1. Juni 1963 bis 8. Oktober 1964 hatte er an einem Vorbereitungslehrgang des Bäckerfachvereins "Frühauf" in Hanau/Main für das Bäckerhandwerk teilgenommen. Während dieser Zeit hatte der Kläger ein landwirtschaftliches Unternehmen von 3,53 ha als selbständiger Landwirt bewirtschaftet. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. März 1983 und Widerspruchsbescheid vom 26. August 1983 den Antrag des Klägers ab, ihm diese Zeit als Ausfallzeit (Fachschulausbildung iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4b der Reichsversicherungsordnung -RVO-) anzuerkennen.

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 16. März 1984). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. Juli 1987). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Ein Fachschulunterricht sei nur anzunehmen, wenn die Arbeitskraft des Fachschülers durch den Unterricht und dessen Vorbereitung voll in Anspruch genommen werde. Das sei nur anzunehmen, wenn der Schüler mindestens 40 Stunden wöchentlich aufwenden müsse. Der Kläger sei in der Zeit, in der er sich auf die Meisterprüfung für das Bäckerhandwerk vorbereitet habe, jedoch nur etwa 35 Stunden wöchentlich durch seine Fortbildung beschäftigt gewesen.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt Verletzungen des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4b RVO sowie der §§ 62, 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das Berufungsgericht.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 16. März 1984 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist unbegründet. Seine Teilnahme an einem Vorbereitungslehrgang für das Bäckerhandwerk in der Zeit vom 1. Juni 1963 bis 8. Oktober 1964 erfüllt jedenfalls deswegen nicht den Tatbestand einer Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4b RVO, weil die Arbeitskraft des Klägers durch Unterricht, Vorbereitungs- und Wegezeiten nicht zumindest überwiegend in Anspruch genommen wurde.

Eine solche überwiegende Inanspruchnahme ist für die Anerkennung einer Ausfallzeit im Sinne der genannten Vorschrift erforderlich, weil sie denjenigen Versicherten einen angemessenen rentenrechtlichen Ausgleich verschaffen soll, die mit Rücksicht auf eine weitere Schulausbildung über das 16. Lebensjahr hinaus außerstande gewesen sind, einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen und hierdurch in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtbeitragszeiten zurückzulegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nimmt in diesem Sinne eine Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden überwiegend in Anspruch und schließt damit auch eine versicherungspflichtige Halbtagstätigkeit aus, wenn sie einen wöchentlichen Zeitaufwand von mehr als 40 Stunden erfordert (vgl BSG in SozR 2200 § 1259 Nr 62 und BSG-Urteil vom 25. August 1987 - 11a RA 26/86 - jeweils mwN).

Diese Voraussetzung für die Anerkennung der geltend gemachten Ausfallzeit ist hier nicht erfüllt, weil nach den Feststellungen des LSG der Kläger im streitigen Zeitraum nur 35 Stunden wöchentlich für seine Fortbildung aufgewendet hat und zwar Unterrichtszeit, Vorbereitungs- und Aufarbeitungszeit sowie Fahrzeit zusammengerechnet. Die entsprechenden Feststellungen des LSG sind für den erkennenden Senat schon deshalb gemäß § 163 SGG bindend, weil sie in der Revisionsbegründung ausdrücklich bestätigt worden sind.

Bei dieser Sach- und Rechtslage können die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel (Verletzungen der §§ 62, 103, 106 SGG) nicht durchgreifen, ohne daß es insoweit einer Begründung bedarf (§ 170 Abs 3 Satz 1 SGG).

Die Revision war nach alledem zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663698

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