Verfahrensgang

SG Düsseldorf (Urteil vom 22.08.1990)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22. August 1990 aufgehoben. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet war, die mit Bescheid vom 21. Februar 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1990 verweigerte Genehmigung für die Beigeladene zu 1) als Weiterbildungsassistentin (Kieferorthopädie) zu erteilen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen

 

Tatbestand

I

Streitig ist eine von der beklagten kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) verweigerte Genehmigung für die Beschäftigung einer Weiterbildungsassistentin zur Kieferorthopädin.

Der Kläger ist als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie mit der Befugnis, Kieferorthopäden auszubilden, niedergelassen, zur kassenzahnärztlichen Versorgung zugelassen und Mitglied der beklagten KZÄV. Der Kläger beantragte im Februar 1990 eine Assistentengenehmigung für die Beigeladene. Diese hatte die in § 3 Abs 3 der Zulassungsverordnung für Kassenzahnärzte (Zahnärzte-ZV) vorgeschriebene Vorbereitungszeit bereits abgeleistet. Die Assistentengenehmigung sollte die Weiterbildung der Beigeladenen zur Kieferorthopädin im Rahmen der Weiterbildungsordnung, die aufgrund des § 33 Abs 8 Heilberufegesetz Nordrhein-Westfalen (HeilBerG) erlassen wurde, ermöglichen. Die beklagte KZÄV lehnte den Antrag ab: Die Genehmigung eines Weiterbildungsassistenten, der seine Vorbereitungszeit bereits abgeleistet habe, könne nach § 32 Abs 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV nur erteilt werden, wenn diese zur Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung erforderlich sei. Das sei nicht der Fall. Im übrigen biete der Kläger nicht die Gewähr, eine Assistentin zur Erfüllung der kassenzahnärztlichen Pflichten anzuhalten, da mit ihm in einer Rücksprache Anfang Februar 1990 mehrfache Fälle der Verletzung kassenzahnärztlicher Pflichten besprochen worden seien (Bescheid vom 21. Februar 1990; Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1990).

Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 22. August 1990).

Mit der vom SG durch Beschluß zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger, es verletze § 32 Abs 2 Zahnärzte-ZV, bei der Genehmigung eines Weiterbildungsassistenten ausschließlich die kassenzahnärztliche Versorgung zu berücksichtigen und nicht das Weiterbildungsinteresse. Durch Zeitablauf komme eine Beschäftigung der Beigeladenen nicht mehr in Frage. Der Klageantrag werde daher auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG abzuändern, die Bescheide der Beklagten aufzuheben und festzustellen, daß die Versagung der Genehmigung zur Beschäftigung der Beigeladenen als Assistentin rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig. Der ursprüngliche prozessuale Anspruch auf Genehmigung der Beschäftigung der Beigeladenen als Assistentin hat sich durch Ablauf der Zeit, für die die beantragte Genehmigung eine Beschäftigung erlauben sollte, erledigt. Nach dem Klageantrag, den das Revisionsgericht selbständig auslegen darf, sollte die Beschäftigung alsbald, bezogen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung im Juni 1990, beginnen und zwei Jahre dauern. Der Zeitraum war jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts im Dezember 1992 abgelaufen.

Hat sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt, spricht das Gericht nach § 131 Abs 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf Antrag aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Vorschrift findet nicht nur in Fällen der reinen Anfechtungsklage Anwendung, sondern auch, wenn sich ein Verpflichtungsbegehren erledigt hat (BSG SozR 4100 § 91 Nr 5 und SozR 4100 § 19 Nr 9; BSG Urteil vom 15. November 1980 – 7 RAr 81/78 – DBlR 2633a, AFG/§ 47; BSGE 42, 212, 216 = SozR 1500 § 131 Nr 3; vgl BVerwG Buchholz 232 § 42 BBG Nr 2 und 310 § 113 VwGO Nrn 11, 18, 84 und 155), wie das hier der Fall ist. Der Zulässigkeit der erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage steht nicht entgegen, daß der Kläger nicht – entsprechend der anfänglichen Verpflichtungsklage – die Feststellung beantragt hat, daß die Behörde verpflichtet war, den abgelehnten Verwaltungsakt zu erlassen (BSG SozR 4100 § 91 Nr 5). Sein Antrag, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festzustellen, daß die Versagung der Genehmigung rechtswidrig war, ist bei Auslegung nach dem Klageziel auf die Feststellung gerichtet, daß die Beklagte verpflichtet war, die Genehmigung zu erteilen. An die Fassung des Antrags ist das Gericht nach § 123 SGG nicht gebunden. Der Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage verstößt nicht gegen § 168 SGG und ist auch in der Revisionsinstanz zulässig (BSGE 68, 228, 229 = SozR 3-2200 § 248 Nr 1).

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse iS von § 131 Abs 1 Satz 3 SGG. Ein Interesse unter dem Wiederholungsgesichtspunkt ist im Falle der erledigten Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zwar zu verneinen, wenn ungewiß bleibt, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse vorliegen, wie sie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes für dessen Rechtswidrigkeit maßgebend waren (BSG Urteil vom 20. Mai 1992 – 14a/6 RKa 29/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, und Urteil vom 7. September 1988 – 10 RAr 8/87 –, nicht veröffentlicht). Hierzu hat der Kläger aber vorgetragen, daß jederzeit die Frage der Beschäftigung eines Fortbildungsassistenten bei ihm wieder auftauchen könne. Es ist außerdem kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß der Kläger eine Ausbildung zum Kieferorthopäden auch außerhalb seiner Kassenarztpraxis vornehmen kann. Damit geht es um das Recht des Klägers, von seiner Ausbildungsbefugnis in Zukunft Gebrauch zu machen. Eine Wiederholungsgefahr ist damit hinreichend konkretisiert.

Die erhobene Verpflichtungsklage war im Zeitpunkt ihrer Erledigung entgegen der Auffassung des SG begründet.

Wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Beschäftigung eines Assistenten vorliegen, hat der Kassenarzt einen Rechtsanspruch gegen die KZÄV, daß diese ihm die Zustimmung zur Beschäftigung des Assistenten erteilt (BSGE 8, 256 = SGb 1959, 270 mit Anmerkung Pöllinger).

Ob es sich bei der in § 32 Abs 2 Zahnärzte-ZV geregelten Assistentengenehmigung in Satz 1 einerseits und Satz 2 andererseits um nach ihrem Inhalt unterschiedliche Genehmigungen handelt, wie das SG annimmt, oder um eine nach ihrem Inhalt einheitliche Genehmigung, wobei Satz 1 und Satz 2 lediglich unterschiedliche Anspruchsgrundlagen sind, kann dahinstehen. Jedenfalls kommt ein Anspruch aus § 32 Abs 2 Satz 1 Zahnärzte-ZV in unmittelbarer Anwendung nicht in Betracht, da die Beigeladene die Vorbereitungszeit gemäß § 3 Abs 3 Zahnärzte-ZV bereits abgeleistet hatte. Die Frage, ob eine Zeit der Weiterbildung zum Fachzahnarzt bei einem niedergelassenen Fachzahnarzt dann gleichzeitig eine Vorbereitungszeit nach § 3 Abs 3 iVm § 32 Abs 2 Satz 1 Zahnärzte-ZV sein kann, wenn der doppelte Ausbildungszweck ausdrücklich gewollt ist (vgl zu den entsprechenden Vorschriften der Zulassungsordnung-Ärzte [ZO-Ärzte] LSG Saarbrücken RSpDienst 2211 §§ 32, 33 ZO-Ärzte, 1), stellt sich deshalb nicht.

Das SG hat aus dem Zusammenhang des § 32 Abs 2 Zahnärzte-ZV, der in seinem Satz 1 nur für die Genehmigung des Ausbildungsassistenten (Vorbereitungszeit für die Zulassung als Kassenzahnarzt) von der Anspruchsvoraussetzung „aus Gründen der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung” absieht, und keine besondere Regelung für den Weiterbildungsassistenten (Weiterbildung zum Fachzahnarzt, hier zum Kieferorthopäden) vorsieht, gefolgert, daß die Genehmigung eines Weiterbildungsassistenten nur nach § 32 Abs 3 Satz 2 „aus Gründen der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung” erfolgen dürfe. Würde im Falle des Weiterbildungsassistenten stets unterstellt, daß dessen Weiterbildung aus Gründen der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung notwendig sei, so würde diese tatbestandliche Voraussetzung nach Auffassung des SG im Ergebnis als ungeschrieben angesehen. Das könne allenfalls in Ausnahmefällen bei einer kurzen Weiterbildung bis zu drei Monaten hingenommen werden.

Dem vermag der Senat in Ansehung der in Art 12 Grundgesetz (GG) garantierten Berufsfreiheit nicht zu folgen. Vielmehr ist § 32 Abs 2 Zahnärzte-ZV im Wege der Lückenfüllung auf der Grundlage des Berufsrechts dahin auszulegen, daß ein Weiterbildungsassistent im Rahmen der berufsrechtlich vorgeschriebenen Mindestzeiten unabhängig von Gründen der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung zu genehmigen ist. Ob die Genehmigung eines Weiterbildungsassistenten nach § 32 Abs 3 Zahnärzte-ZV dann versagt werden darf, wenn die Beschäftigung der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfanges dient, bedarf keiner Entscheidung, da nach den Feststellungen des SG Anhaltspunkte für einen solchen Tatbestand nicht vorliegen und die KZÄV dieserhalb keine Befürchtungen geltend gemacht hat.

Während § 32 Abs 2 Zahnärzte-ZV die im Bereich der Zahnärzte relativ seltene Facharztausbildung nicht besonders anspricht, ist die Facharztausbildung in § 32 Zulassungsordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) ausdrücklich geregelt. Die Beschäftigung von Ausbildungsassistenten iS des § 3 Abs 3 bedarf hiernach der Genehmigung (Satz 1). Im übrigen darf der Kassenarzt einen Vertreter oder einen Assistenten nur beschäftigen, wenn dies im Rahmen der Aus- oder Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erfolgt; die vorherige Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) ist erforderlich (Satz 2). Hiernach ist auch beim Weiterbildungsassistenten nicht erforderlich, daß die Beschäftigung aus Gründen der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erfolgt. Vor dem Inkrafttreten der vorgenannten Fassung aufgrund der Vierten Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte (BGBl I 1987, 1679) lautete § 32 Abs 2 Satz 2: „Im übrigen darf der Kassenarzt aus Gründen der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung einen Vertreter oder einen Assistenten nur mit vorheriger Genehmigung der kassenärztlichen Vereinigung beschäftigen.” Zu dieser früher geltenden Fassung heißt es bei Heinemann/Liebold (Kassenarztrecht, 5. Auflage, § 32 ZO-Ä, RdNr E 233): „Im Rahmen der Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin ist eine dreimonatige Tätigkeit in einer Allgemeinpraxis in der Anlage zur Weiterbildungsordnung = DÄ 1979, 2763 vorgeschrieben, die nur bei solchen Allgemeinärzten/praktischen Ärzten absolviert werden kann, die hierfür von der Ärztekammer eine entsprechende Ermächtigung zur Weiterbildung anderer Ärzte erhalten haben. Die KÄV muß einen solchen Assistenten genehmigen, da die Beschäftigung und damit die Weiterbildung der langfristigen Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung dient. Dieses Ziel geht der eventuellen Vergrößerung der Praxis (Abs 3) vor.” Das SG glaubt zu Unrecht, seine Auffassung, daß im Zahnarztbereich nur eine Weiterbildung bis allenfalls drei Monate privilegiert sein könne, auf diese Äußerung stützen zu können.

Die Weiterbildung zum Kieferorthopäden richtet sich nach § 33 Abs 8 des HeilBerG nach der jeweiligen Weiterbildungsordnung der Kammer, hier nach § 9 Abs 6 Weiterbildungsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein, wozu das SG ohne nähere Bezeichnung der Rechtsnorm lediglich festgestellt hat, daß eine solche Weiterbildung nur in wenigen Fällen stattfinde. Da der Senat die landesrechtliche Vorschrift des § 9 Weiterbildungsordnung damit erstmalig anwendet, war er nicht gehindert, den Inhalt dieser Norm selbst festzustellen (BSGE 66, 150, 156 mwN = SozR 2200 § 1248 Nr 1). Nach § 4 der Weiterbildungsordnung vom 9. Dezember 1978 (MinBlNW 1979, 420) kann die Weiterbildung auch bei einem hierzu ermächtigten niedergelassenen Zahnarzt erfolgen. Die Zeit der Weiterbildung beträgt nach § 9 Abs 4 für die Kieferorthopädie drei Jahre. Eine Weiterbildungszeit, die in der Praxis eines nach § 10 Abs 1 ermächtigten niedergelassenen Zahnarztes abgeleistet wird, kann bis zur Dauer von zwei Jahren nach § 9 Abs 6 angerechnet werden. Zwei Jahre sind nach § 9 Abs 7 ohne Unterbrechung an einer Stelle abzuleisten, wobei die Ausbildungsabschnitte je 12 Monate im Regelfall nach § 9 Abs 6 nicht unterschreiten sollen.

Während für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin eine dreimonatige Tätigkeit in einer Allgemeinpraxis zwingend vorgeschrieben ist, ist die Ausbildung bei einem niedergelassenen Kassenzahnarzt mit Ausbildungsbefugnis für die Kieferorthopädie lediglich freigestellt. Auf die Notwendigkeit einer Weiterbildung bei einem niedergelassenen Kieferorthopäden kommt es bei der Frage der Genehmigung nicht entscheidend an. Für die Auslegung der Zahnärzte-ZV genügt es, daß die Ausbildungsmöglichkeit bei einem niedergelassenen Kassenzahnarzt nur genutzt werden kann, wenn dies die Zahnärzte-ZV ermöglicht. Ob das Land Ausbildungsplätze allein in den Universitätskliniken in ausreichendem Umfang zur Verfügung stellt (vgl zu den Verhältnissen in Baden-Württemberg Löwisch, JZ 1981, 411 ff), kann deshalb dahinstehen.

Die Weiterbildungsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein findet, soweit sie eine Weiterbildung auch bei einem niedergelassenen Zahnarzt vorsieht, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage im HeilBerG in der Fassung durch Gesetz vom 14. Dezember 1989 (GVNW Seite 678). Zwar nennt § 34 Abs 1 HeilBerG als Weiterbildungsstätten lediglich ermächtigte Kammerangehörige in Einrichtungen der Hochschulen oder in zugelassenen Einrichtungen der medizinischen Versorgung. Nach § 45 Abs 3 HeilBerG kann die Weiterbildung jedoch, abgesehen von den in § 34 Abs 1 genannten Stellen, auch bei einem ermächtigten niedergelassenen Zahnarzt durchgeführt werden.

Das SG hat aus § 18 Abs 1 Satz 3 Buchst a Zahnärzte-ZV zu Unrecht gefolgert, daß dem Normgeber der Zahnärzte-ZV bei der Regelung in § 32 Abs 2 Zahnärzte-ZV bewußt war, eine Assistententätigkeit komme auch im Rahmen der Weiterbildung in Betracht. Nach der genannten Vorschrift ist dem Antrag auf Kassenzulassung ein Auszug aus dem Zahnarztregister beizufügen, aus dem ua „gegebenenfalls der Tag der Anerkennung des Rechts zum Führen einer bestimmten Gebietsbezeichnung hervorgehen” muß. Es mag sein, daß der Verordnungsgeber bei dieser Vorschrift nur an den Erwerb der Gebietsbezeichnung durch eine Assistententätigkeit bei einer Klinik oder Einrichtung gedacht hat. Der Umstand, daß der Verordnungsgeber bei der Vierten Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20. Juli 1987 anders als in der Fünften Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte (ebenfalls vom 20. Juli 1987) die Weiterbildungsassistenten ausdrücklich berücksichtigt, ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß die Ausbildung der Fachärzte für Allgemeinmedizin bundesweit auch in Praxen niedergelassener Ärzte erfolgen kann, und mit einer Mindestzeit erfolgen muß, und daß sie auch tatsächlich in einem größeren Umfang in kassenärztlichen Praxen erfolgt als die Ausbildung der Kieferorthopäden. Der Zahnärzte-ZV kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß der Bundesverordnungsgeber die landesrechtlich vorgesehene Nutzung der Ausbildungskapazitäten niedergelassener Kieferorthopäden im Kassenzahnarztbereich ausschließen wollte. Ein solcher Ausschluß würde in die Berufsfreiheit des ausbildungsberechtigten niedergelassenen Kassenzahnarztes einerseits und des Weiterbildungsassistenten andererseits (Art 12 GG) eingreifen. Wenn der Verordnungsgeber einen solchen Eingriff gewollt hätte, hätte er ihn deutlich verlautbaren müssen. Deshalb ist § 32 Abs 2 Satz 1 Zahnärzte-ZV auf den Weiterbildungsassistenten, soweit dieser die für eine Gebietsanerkennung erforderliche Mindestzeit zurücklegt, entsprechend anzuwenden. Der Fall, daß ein Weiterbildungsassistent freiwillig eine längere Weiterbildung betreibt (vgl hierzu LSG Berlin Breithaupt 1988, 614), ist hier nicht zu entscheiden. Desgleichen kann unerörtert bleiben, ob bei einer Anwendung des § 32 Abs 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV nur dem Kassenzahnarzt ein klagbarer Anspruch auf die Genehmigung zusteht (so SG Freiburg WzS 1979, 278), oder auch dem Assistenten. Die zum eigenen Klageanspruch des Assistenten bestehenden Zweifel rechtfertigen es, die Interessen des Weiterbildungsassistenten bei der Klage des Kassenzahnarztes mit abzuwägen.

Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des SG abschließend beurteilen, daß der streitige Anspruch auf Genehmigung dem Kläger zustand. Das SG hat zwar, von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht, zu der Behauptung der Beklagten keine Feststellungen getroffen, mit dem Kläger seien im Februar 1990 kurz vor der Beantragung der Assistentengenehmigung Beanstandungen kieferorthopädischer Fälle besprochen worden und hieraus gehe hervor, daß der Kläger keine Gewähr dafür biete, er werde den Assistenten zur Erfüllung der kassenzahnärztlichen Pflichten anhalten, wie dies § 32 Abs 4 Zahnärzte-ZV vorsehe. Beanstandungen der KZÄV, die weder zur Entziehung der Kassenzulassung noch zu einer Disziplinarmaßnahme führen, was hier unzweifelhaft der Fall ist, können die Ablehnung der Genehmigung eines Weiterbildungsassistenten nicht rechtfertigen (ähnlich SG Berlin, Urteil vom 24. Februar 1988, zum Zahnarztbereich und SG Kiel, Urteil vom 14. November 1987, beide ArztuR 1989, Nr 2, 42), zumal wenn der Assistent die Vorbereitungszeit für die Kassenzulassung, in der er ausdrücklich mit den kassenzahnärztlichen Pflichten vertraut gemacht werden soll, bereits abgeleistet hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173292

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