Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung. Verjährung von Rentenansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unterstellt, daß Leistungsansprüche aus der Rentenversicherung mit der Antragstellung fällig werden, wird die Verjährung dieser Ansprüche durch den Antrag unterbrochen. Die Unterbrechung der Verjährung dauert bis zur Beendigung des Verfahrens.

2. Vorschriften über die Glaubhaftmachung von Versicherungs- und Beschäftigungszeiten (vgl FRG § 4 VuVO §§ 1, 2, 10) können nicht, auch nicht entsprechend, für den Nachweis angewendet werden, daß ein Leistungsanspruch erhoben und nicht befriedigt worden ist; insoweit gelten die allgemeinen Beweisanforderungen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Lediglich das Nichthandeln des Berechtigten während eines längeren Zeitraumes bewirkt für sich allein kein Erlöschen des Rechts.

2. Das Recht auf Rente ist als solches unverjährbar. Der Verjährung unterliegen dagegen die Forderungen auf die einzelnen, aus dem Stammrecht fließenden, in monatlichen Raten zu zahlenden Rentenbeträge. Diese Einzelansprüche verjähren in 4 Jahren nach der Fälligkeit.

 

Normenkette

RVO § 29 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15; FRG § 4 Fassung: 1960-02-25; VuVO § 1 Fassung: 1960-03-03, § 2 Fassung: 1960-03-03, § 10 Fassung: 1960-03-03

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. März 1961 zum Teil aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 30. Juni 1960 wird zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers wird im übrigen zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der Kosten des zweiten und dritten Rechtszuges zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger begehrt die Waisenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) seines wenige Monate nach seiner Geburt im Jahre 1937 verstorbenen Vaters. Der Kläger behauptet, seine Mutter habe zum ersten Mal im Jahre 1937 bei dem Versicherungsamt G. in Schlesien und das zweite Mal am 20. August 1948 bei der Gemeinde Sarstedt die Bewilligung der Waisenrente beantragt. Beide Anträge seien nicht beschieden worden.

Auf ein im Mai 1957 gestelltes Gesuch erteilte die Beklagte dem Kläger einen abschlägigen Bescheid (4. September 1958); sie erklärte, die Gewährung der Rente sei nicht zulässig, weil der Kläger den Rentenantrag erst 1957 - nach der Vollendung des 18. Lebensjahres - gestellt habe; von einer Anmeldung des Anspruchs im Jahre 1948 habe sie, die Beklagte, niemals erfahren. Außerdem stehe der fast zehn Jahre hindurch nicht oder nicht eindringlich betriebenen Forderung nunmehr der Einwand der Verwirkung entgegen, auch sei der Anspruch verjährt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Gewährung der Waisenrente für die Zeit vom 1. September 1948 bis zum 31. Mai 1955 verurteilt; eine Verurteilung der Beklagten zur Rentenleistung für die Zeit von 1937 an hat es abgelehnt (Urteil vom 30. Juni 1960). Es hat festgestellt, daß die Waisenrente im August 1948 beantragt worden ist. Eine Rücknahme des Antrags oder einen Leistungsverzicht hat es nicht als erwiesen angesehen. Der Anspruch sei auch nicht verwirkt, denn Zeitablauf und Untätigkeit des Berechtigten genügen nicht, um einen Zustand herbeizuführen, der eine Rechtsausübung als unzulässig erscheinen lasse. - Hinsichtlich des auf das Jahr 1937 zurückgehenden Leistungsbegehrens begründete das SG seine Entscheidung damit, daß es sich nicht von der Tatsache eines unbearbeitet gebliebenen Antrags aus dem Jahre 1937 hätte überzeugen können.

Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Landessozialgericht (LSG; Urteil vom 29. März 1961) das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert und nur die Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung für die Zeit vom 1. Januar 1954 bis 31. März 1955 bestehen lassen. Im übrigen wies es die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers zurück. Das LSG sah sich nicht gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn auch Rente nur für einen bereits abgelaufenen Zeitraum beansprucht wurde und sohin die Berufung nach § 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an sich ausgeschlossen war. Es nahm an, das Rechtsmittel sei statthaft, weil das SG die Zulassung der Berufung am Schluß der Entscheidungsgründe seines Urteils ausgesprochen habe. - In der Sache selbst hat sich das Berufungsgericht im wesentlichen die Argumente des Erstrichters zu eigen gemacht und dem noch hinzugefügt, daß die Beklagte die Leistung insoweit verweigern könne, als ihr zu Recht die Einrede der Verjährung entgegengehalten werde. Nach § 29 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verjähre der Anspruch auf Leistungen des Versicherungsträgers in vier Jahren nach der Fälligkeit. In entsprechenden Anwendung des § 201 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beginne die Verjährungsfrist mit dem Schluß des Jahres zu laufen, in welchem die Leistung zu erbringen sei. Unterbrochen sei die Verjährung erst durch die Erhebung der vorliegenden Klage im September 1958. Somit müßten die bis zum 31. Dezember 1953 an sich geschuldeten Rentenbeträge als verjährt angesehen werden. Infolgedessen könne der Kläger lediglich von Januar 1954 bis Mai 1955 Waisenrente verlangen.

Beide Beteiligten haben die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt.

Der Kläger rügt in erster Linie, daß das LSG überhaupt zur Sachfrage Stellung genommen und nicht die Berufung als unzulässig verworfen habe. Er meint, das Rechtsmittel sei nicht wirksam zugelassen worden. Die Rechtsmittelzulassung sei nämlich nicht - wie es als geboten angesehen werden müsse - in der Formel des erstinstanzlichen Urteils, sondern am Schluß der Urteilsgründe ausgesprochen worden. Das genüge nicht, denn daraus sei nicht zu ersehen, daß die Rechtsmittelzulassung von allen mitwirkenden Richtern vor Verkündung des Urteils beschlossen worden sei.

Weiter wendet sich der Kläger gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Zeugenbekundungen seiner Mutter nicht den Beweis für die Antragstellung im Jahre 1937 lieferten. Er bringt vor, daß die Anforderungen nicht überspannt werden dürften, weil ihm wegen des Zeitablaufs und der Flucht aus Schlesien andere Beweismittel nicht mehr zur Verfügung stünden. Die Umstände gingen aber eindeutig in Richtung auf das Vorliegen der behaupteten Tatsache; denn seine Mutter sei vermögenslos gewesen und habe sich als Witwe schwer durchschlagen müssen. Für eine Rechtsverfolgung habe es ihr an der erforderlichen Zeit gefehlt. Sie habe sich daher auf gelegentliche Nachfragen beschränkt. Diese hätten indessen nicht zum Erfolg geführt.

Schließlich sei das Berufungsgericht in der Verjährungsfrage einem Rechtsirrtum unterlegen. Es habe nicht beachtet, daß der Beginn der Verjährungsfrist von der Klärung und Fälligkeit des Anspruchs abhänge. Dem Versicherten sei die Möglichkeit einer Klage erst nach der Entscheidung des Versicherungsträgers über den geltend gemachten Rentenanspruch gegeben.

Die Beklagte erhebt mit ihrer Revision Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts für den Beginn der Verjährungsfrist anzuwenden seien. In § 29 Abs. 3 RVO sei der Beginn der Verjährungsfrist mit den Worten "nach der Fälligkeit" hinreichend genau präzisiert. Die Fälligkeit der einzelnen Leistungen ergebe sich aus § 1298 RVO aF, wonach Renten in monatlichen Teilbeträgen im voraus zu zahlen seien. Gehe man für die Berechnung der vierjährigen Verjährungsfrist von den Fälligkeitsdaten aus, so ergebe sich, daß die erste für September 1948 zu erbringende Teilleistung am 1. September 1952 verjährt gewesen sei. Vom Zeitpunkt der Klageerhebung (September 1958) aus zurückgehend, hätten unverjährte Forderungen allenfalls vom 1. September 1954 an bestanden.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten ihm Waisenrente auch für die Zeit vom 1. September 1937 bis zum 31. Dezember 1953 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen und auf ihre Revision hin dem Kläger Waisenrente nur für die Zeit vom 1. September 1954 bis 31. Mai 1955 zuzusprechen.

Der Kläger beantragt ferner,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Das LSG durfte ein Sachurteil erlassen. Der Kläger irrt, wenn er meint, die Berufung sei nicht wirksam zugelassen werden. Das SG hat die Zulassung des Rechtsmittels "in" seinem Urteil ausgesprochen. Dafür genügt es, daß diese Entscheidung einen Teil der Urteilsgründe bildet. In die Urteilsformel braucht diese Entscheidung nicht aufgenommen zu sein (BSG 8, 147).

Dem Berufungsurteil kann aber insoweit nicht gefolgt werden, als es die Beklagte für berechtigt hält, die Leistung der Waisenrente für die Zeit vom 1. September 1948 bis 31. Dezember 1953 zu verweigern.

Das Recht darauf ist nicht verwirkt. Die Rechtsverfolgung wäre wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht mehr zulässig, wenn die Mutter des Klägers eine Einstellung zur Angelegenheit gezeigt hätte, die als Verzicht auf die Rente angesehen werden müßte, und wenn weiter die Beklagte sich darauf hätte einrichten dürfen, daß sie nicht mehr in Anspruch genommen werde. Ein stillschweigender Verzicht liegt nicht schon darin, daß sich die Mutter des Klägers angeblich neun Jahre hindurch damit begnügte, ab und zu nach dem Stand der Angelegenheit zu fragen; sie hat nichts getan, was bei der Beklagten den Eindruck hätte erwecken können, sie halte den Anspruch nicht mehr aufrecht. Das wäre aber zur Rechtfertigung des Verwirkungseinwandes erforderlich. Lediglich das Nichthandeln des Berechtigten während eines längeren Zeitraums bewirkt für sich allein kein Erlöschen des Rechts.

Dem Anspruch auf Waisenrente für die bezeichnete Zeit stehen auch keine Vorschriften über Ausschlußfristen oder über die Verjährung entgegen.

Das Recht auf Rente, das mit der Erfüllung der "Voraussetzungen der Rente" (§ 1290 RVO nF, §§ 1253, 1286 RVO aF) entsteht, ist als solches unverjährbar. Der Verjährung unterliegen dagegen die Forderungen auf die einzelnen, aus dem Stammrecht fließenden, in monatlichen Raten zu zahlenden Rentenbeträge. Diese Einzelansprüche verjähren nach § 29 Abs. 3 RVO in vier Jahren nach der Fälligkeit; diese Frist läuft jeweils von dem Zeitpunkt an, in dem der Gläubiger zu fordern und der Versicherungsträger als Schuldner zu leisten berechtigt ist. Die Leistungszeit ist einheitlich und allgemein in § 1297 RVO festgelegt. Daraus läßt sich indessen nichts für den Zeitpunkt herleiten, zu dem erstmalig eine Leistung gefordert werden darf. Sie kann fällig werden, sobald die Gewährung der Rente zu beginnen hat. Die Fälligkeit tritt jedoch in den Fällen, in denen es - wie bei dem Anspruch auf Witwenrente aus der Rentenversicherung - eines Antrags bedarf, frühestens mit dem Antrag ein, wie der Senat bereits früher dargelegt hat (BSG SozR § 29 RVO Nr. 4).

In der Rechtsprechung und Literatur ist allerdings wiederholt erwogen worden, ob nicht der Rentenanspruch erst nach einer Entscheidung des Versicherungsträgers oder eines Gerichts fällig werde.

- So u. a. SG Hamburg, Breithaupt 1961, 628; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. III S. 742 c; Söchting, Die Sozialversicherung 1961, 131; Barth, Die Sozialversicherung 1962, 289; vgl. auch BSG 19, 88, 91. -

Die Frage kann hier jedoch unbeantwortet bleiben. Läuft nämlich die Verjährungsfrist bereits vom Rentenantrag an, dann wird in einem Fall wie dem vorliegenden die Verjährung durch die Antragstellung unterbrochen.

Die Unterbrechung der Verjährung ist aus der entsprechenden Anwendung der §§ 209, 211, 217 BGB abzuleiten. Diese dem bürgerlichen Recht angehörende Regelung ist sinngemäß auch im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung verbindlich, weil hier für die Unterbrechung der Verjährung keine eigenen Normen aufgestellt worden sind, wohl aber die Rechtsfolge der Unterbrechung in § 1420 Abs. 3 RVO erwähnt, ihre Möglichkeit also ausdrücklich vorausgesetzt wird. Bei der Übernahme der bürgerlich-rechtlichen Ordnung dürfen jedoch die Eigentümlichkeiten der Sozialversicherung, vor allem die unterschiedliche Form der Geltendmachung von Ansprüchen, nicht außer acht gelassen werden. Deshalb tritt die Unterbrechung der Verjährung nicht erst mit der Klageerhebung oder einer anderen prozeßbegründenden Handlung, sondern schon mit dem Augenblick ein, in dem der Antrag bei einer der in § 1613 RVO aufgeführten Stellen angebracht wird. Eine andere Auffassung, welche - übereinstimmend mit den §§ 209 ff BGB - auf die Klageerhebung bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abstellen wollte, würde der öffentlich-rechtlichen Stellung des Versicherungsträgers nicht gerecht. Diesem kommt nicht bloß eine Parteirolle zu, sondern obliegt die Aufgabe, die Belange des Versicherten dem Gesetze gemäß zu wahren und ein vom Versicherten einmal eingeleitetes Verfahren von sich aus und gemeinsam mit anderen Behörden bis zu seiner Erledigung "beschleunigt" durchzuführen (§§ 1545, 1613 ff RVO).

Die Ansicht, daß die Verjährung mit der Einreichung des Antrages unterbrochen wird, ist von dem Reichsversicherungsamt für das Rentenversicherungsrecht bereits in AN 1910 S. 644 Nr. 1511 vertreten sowie später beibehalten und auf andere Gebiete des Sozialversicherungsrechts in AN 1935, IV 270 Nr. 4896 übertragen und von dem Bundessozialgericht (BSG 19, 93, 97) bestätigt worden. Für die Richtigkeit dieser Lösung liefern § 210 BGB und § 14 des Postgesetzes vom 28. Oktober 1871 (RGBl S. 347) wertvolle Fingerzeige. In diesen Bestimmungen hat ein allgemein gültiger Rechtssatz seinen Niederschlag gefunden. Dafür spricht auch der Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg (abgedruckt bei Dürig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg, Anh. 2), in dem anerkannte Rechtsregeln Gestalt gefunden haben und worin es in Art. 103 Nr. 2 heißt, daß die Verjährung "bei Ansprüchen, die von dem Berechtigten im Verwaltungswege geltend zu machen sind, durch jeden an die zuständige Verwaltungsbehörde gerichteten Antrag auf Feststellung, Befriedigung oder Vollziehung des Anspruchs" unterbrochen werde. Dort ist ferner niedergelegt, daß die Unterbrechung "bis zur Beendigung des durch den Antrag veranlaßten Verwaltungsverfahrens" fortdauert. "Eine neue Verjährung kann erst nach Beendigung der Unterbrechung ... beginnen" (Art. 104 Satz 2 aaO).

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Verjährung um rund zehn Jahre unterbrochen wurde, erhebt sich die Frage, ob die Anmeldung des Rentenanspruchs nicht nach einer gewissen angemessenen Zeit ihre die Verjährung unterbrechende Kraft verliere. Das letztere tritt jedenfalls nicht ein, wenn die Durchführung eines Verfahrens ausschließlich in den Händen der Versicherungsbehörden oder der Versicherungsanstalt liegt und diese von Amts wegen dazu berufen sind, für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen. Mag sich der einzelne auch in einer auffallenden Weise tatenlos und zuwartend gezeigt haben, so ist sein Nichthandeln doch allenfalls nur ein zusätzlicher Grund für den tatsächlichen Stillstand des Verfahrens, keineswegs aber die dafür ausschlaggebende Ursache.

Für die Unterbrechung der Verjährung ist es auch unwesentlich, daß dem Versicherungsträger die Tatsachen unbekannt geblieben sind, auf denen die Unterbrechung beruht. So kann hier die Situation gewesen sein; der Antrag ist möglicherweise im Geschäftsgang zwischen der Gemeinde und dem Versicherungsamt steckengeblieben. Ähnliche Umstände können sich auch in den Fällen des § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB ergeben. Daraus wird aber keine Konsequenz gezogen. Trotz des tatsächlichen Stillstandes des Verfahrens und der Verzögerung der Entscheidung des Versicherungsträgers bleibt es dabei, daß die Verjährung unterbrochen war. Die Beklagte kann infolgedessen die Leistung der Waisenrente für die Zeit vom 1. September 1948 bis 31. Mai 1955 nicht verweigern. Soweit das LSG zu einer hiervon abweichenden Entscheidung gelangt ist, ist sein Urteil aufzuheben.

Darüber hinaus hält das Urteil der Nachprüfung stand. Die Revisionsangriffe richten sich gegen die Annahme des LSG, daß der Beweis für einen im Jahre 1937 gestellten und bislang nicht beschiedenen Antrag auf Waisenrente nicht erbracht sei. Dazu bemerkt die Revision, daß die Vorinstanz das einzige, dem Kläger noch zur Verfügung stehende Beweismittel, nämlich die Zeugenaussage seiner Mutter, nicht mit dem Hinweis darauf habe abtun dürfen, daß der von der Zeugin geschilderte Geschehensablauf unwahrscheinlich sei; die Tatsachenrichter hätten die Beweiskraft der Zeugenbekundung nicht abwerten dürfen. Diese Argumentation geht fehl. Die Beweiswürdigung beruht auf einer Gegenüberstellung der für und gegen die Feststellung der behaupteten Tatsachen sprechenden Umstände. Die Berufungsrichter haben diese Umstände gegeneinander abgewogen und sich über die Grundlagen ihrer Schlüsse Rechenschaft abgelegt. Sie haben die Beweisanforderungen nicht überspannt.

Was den Beweisgrad anbelangt, der im vorliegenden Fall zu gelten hat, so hat das Berufungsgericht anscheinend nicht den vollen Nachweis verlangen, sondern sich mit einer Glaubhaftmachung begnügen wollen. Seine Formulierungen deuten darauf hin, sind aber in dieser Beziehung nicht klar. Doch auch dann, wenn sich das Berufungsgericht nach dem strengeren Maßstab gerichtet haben sollte, so wäre dies nicht zu beanstanden. Denn die Vorschriften und Richtlinien, welche die Glaubhaftmachung dort zulassen, wo Versicherungsunterlagen verlorengegangen oder nicht erreichbar sind, können in diesem Rechtsstreit nicht herangezogen werden. Gegenstände erleichterter Nachweise sind namentlich Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, Arbeitsentgelte und Beiträge (vgl. § 4 FRG und die Verordnung vom 3. März 1960, BGBl I 137). Ein solches Entgegenkommen ist aber nicht vorgesehen für die Feststellung der Tatsache, daß vor langer Zeit unter normalen Zeitumständen ein Leistungsanspruch erhoben und nicht befriedigt worden ist.

Der den Rentenanspruch für die Zeit vor 1948 abweisende Teil der angefochtenen Entscheidung ist also gerechtfertigt.

Die Revision der Beklagten muß zurückgewiesen werden, weil der Versicherungsträger noch über den von dem LSG anerkannten Umfang hinaus zur Leistung verurteilt werden muß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine volle Kostenerstattungspflicht der Beklagten kommt nicht in Betracht, weil der Kläger zum Teil unterlegen ist.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380519

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