Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der notwendigen Beiladung des Versicherten (SGG § 75 Abs 2), wenn wegen Zahlung von Übergangsgeld der Beginn der Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers gemäß RVO § 381 Abs 3a Nr 2 bei Fortbestehen des Krankenversicherungsverhältnisses (RVO § 311 S 1 Nr 3) allein streitig ist.

2. Der Krankenversicherungsträger ist berechtigt, gegenüber dem Unfallversicherungsträger als Rehabilitationsträger Beiträge zur KV des Versicherten nach RVO § 381 Abs 3a Nr 2 durch Verwaltungsakt festzusetzen und von diesem anzufordern. Insoweit ist der Krankenversicherungsträger dem Träger der UV als Rehabilitationsträger übergeordnet.

3. Der Rehabilitationsträger hat Beiträge nach RVO § 381 Abs 3a Nr 2 vom Beginn der 7. Woche der tatsächlichen Zahlung des Übergangsgeldes an den Versicherten zu tragen.

4. Zur vorbeugenden Feststellungsklage.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 4 Fassung: 1953-09-03, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17, § 311 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1974-08-07, § 380 Fassung: 1956-06-12, § 381 Abs. 3a Nr. 2 Fassung: 1974-08-07, § 393 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 560 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 1399 Fassung: 1974-08-07; VwVfG § 35 S. 1 Fassung: 1976-05-25; AFG § 155 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

SG Mannheim (Entscheidung vom 15.01.1976; Aktenzeichen S 7 Kr 570/75)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Januar 1976 teilweise aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 3. April 1975 wird aufgehoben. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin, die dem bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten W S (S.) ab 19. November 1974 Übergangsgeld gezahlt hat, vom 19. November bis 30. Dezember 1974 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten hat.

S. war nach einem Arbeitsunfall vom 7. Oktober 1974 über den 30. Dezember 1974 hinaus arbeitsunfähig. Bis zum 18. November 1974 einschließlich erhielt er vom Arbeitgeber im Wege der Lohnfortzahlung Arbeitsentgelt und vom 19. November 1974 an von der Klägerin Übergangsgeld nach § 560 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Beklagte forderte mit Beitragsbescheid vom 3. April 1975 von der Klägerin für die Zeit vom 19. November bis 30. Dezember 1974 Beiträge zur Krankenversicherung des S.; sie begründete die Beitragsanforderung damit, die Beiträge seien vom Beginn der 7. Woche seit dem Arbeitsunfall zu zahlen. Die Klägerin widersprach und hielt sich nach § 381 Abs 3a Nr 2 RVO erst vom Beginn der 7. Woche des Bezugs von Übergangsgeld, dh vom 1. Januar 1975 an, für beitragspflichtig.

Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat die Klage abgewiesen. Es hat ua ausgeführt, die Klägerin habe die streitigen Beiträge zur Krankenversicherung des S. vom Beginn der 7. Woche nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, nicht aber erst ab der 7. Woche des tatsächlichen Bezugs von Übergangsgeld zu zahlen (Urteil vom 15. Januar 1976). Es hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Sprungrevision eingelegt, der die Beklagte schriftlich zugestimmt hat. Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 381 Abs 3a Nr 2 RVO.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des SG und den Beitragsbescheid der Beklagten aufzuheben sowie festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, Beiträge zur sozialen Krankenversicherung für Versicherte nach § 381 Abs 3a Nr 2 RVO vor Ablauf von 6 Wochen des tatsächlichen Bezugs von Übergangsgeld zu erheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das Urteil des SG ist teilweise aufzuheben. Der Beitragsbescheid der Beklagten ist aufzuheben. Im übrigen ist die Revision zurückzuweisen.

Mit Recht hat das SG keinen Anlaß gesehen, den Versicherten S. zum Rechtsstreit nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen. Das Versicherungsverhältnis des S. zur Beklagten als Krankenversicherungsträger wird nämlich von dem Streit der Beteiligten nicht betroffen. Der als Arbeiter beschäftigte S. war nach § 165 Abs 1 Nr 1 RVO gegen Krankheit pflichtversichert. Er blieb es während der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Solange er von der Klägerin Übergangsgeld bezog, blieb seine Mitgliedschaft bei der Beklagten als Versicherungspflichtiger nach § 311 Satz 1 Nr 3 RVO auf jeden Fall erhalten. Die Mitgliedschaft des S. bestand unabhängig davon fort, wie die Streitfrage zu beantworten ist, von welchem Zeitpunkt des Bezugs von Übergangsgeld an die Beitragspflicht der Klägerin nach § 381 Abs 3a Nr 2 RVO beginnt.

Zutreffend hat die Klägerin mit ihrer Klage zunächst den Beitragsbescheid der Beklagten vom 3. April 1975 angefochten (§ 54 Abs 1 SGG), mit dem diese von der Klägerin Beiträge zur Krankenversicherung des S. gefordert hat. Dieser Bescheid ist ein Verwaltungsakt. Einen solchen zu erlassen war die Beklagte berechtigt. Das Sozialversicherungsrecht kennt keine eigene gesetzliche Bestimmung des Begriffs des Verwaltungsakts. Daher kann auch im Sozialversicherungsrecht auf die Begriffsbestimmung des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zurückgegriffen werden, zumal diese Definition im wesentlichen den in Rechtsprechung und Rechtslehre seit langem entwickelten Grundsätzen zum Verwaltungsakt entspricht (vgl Begründung des Regierungsentwurfs vom 18. Juli 1973 zum Entwurf des VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 56f; Kopp, VwVfG, 1976, § 35, Anm 1; derselbe, VwGO, 2. Aufl 1976, § 42, Anm 9a; Eyermann/Fröhler, VwGO, 7. Aufl 1977, § 42, Rd.Nrn. 12 bis 14). § 35 Satz 1 VwVfG definiert den Verwaltungsakt als "jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist".

Der streitige Beitragsbescheid erfüllt alle Voraussetzungen eines Verwaltungsakts: Er enthält eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts - Anforderung von Krankenversicherungsbeiträgen auf Grund von Übergangsgeldzahlungen der Klägerin -, diese Beitragsanforderung ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet - der Beitragsbescheid wendet sich unmittelbar an die Klägerin - und ist von der Beklagten als Behörde erlassen. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin und die Beklagte im Regelfall als Versicherungsträger und rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts rechtlich gleichgeordnet sind. Allerdings gehört es zum Wesen eines Verwaltungsakts, daß er, indem er eine Regelung trifft, dem Adressaten gebietet. Das schließt sachnotwendig die Überordnung des Gebietenden über den Gebotsunterworfenen ein. Im Regelfall liegt das Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen einer einen Verwaltungsakt erlassenden Behörde und dem Betroffenen deutlich zutage. Im Beitragsrecht tritt die Über- und Unterordnung augenfällig in Erscheinung, soweit die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe entscheidet (§ 1399 Abs 3 RVO; § 121 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes; § 182 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -). Falls sich - wie in den meisten Fällen - der Beitragseinzug nicht ohne einen Verwaltungsakt der Einzugsstelle durch schlichtes Verwaltungshandeln vollzieht (vgl BSGE 15, 118, 124), ist die Einzugsstelle auf Grund des ihr übertragenen Beitragseinzugs im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags befugt, Verwaltungsakte zu erlassen.

Ein Über- und Unterordnungsverhältnis kann aber auch zwischen an sich in ihrer Rechtsstellung Gleichgeordneten vorhanden sein, wenn einem von ihnen für eine bestimmte Aufgabe ein gesetzlicher Auftrag erteilt und ihm insoweit eine Regelungsmacht übertragen ist. So werden seit jeher Maßnahmen der Aufsicht gegenüber Selbstverwaltungsträgern wegen des sachgebotenen Über- und Unterordnungsverhältnisses als Verwaltungsakte angesehen (vgl BVerwGE 19, 121; BVerwG DVBl 1965, 86; BSGE 31, 247, 249; Bachof, Festschrift für Laforet, 1952, S. 285, 287, 313; Peter Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 229, 1974, S. 142; Salzwedel, Die Lehre vom Verwaltungsakt in der Rechtsprechung des BSG, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, 1965, S. 197, 212 ff). Ob Träger der öffentlichen Verwaltung im Verhältnis zueinander über- und untergeordnet sind, ist nur auf Grund ihrer jeweiligen Rechtsbeziehungen zu entscheiden (BSG SozR 5910 § 90 Nr 2; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Mai 1976 - 12/7 RAr 70/75 - SozSich 1976, 349 = USK 76, 195 = AuB 1977, 390 mit Anm. Hoppe). Es kommt also darauf an, ob zwischen den Behörden ein dem Regelverhältnis von Behörde und Betroffenem vergleichbares Rechtsverhältnis besteht, das die Züge von Über- und Unterordnung trägt (vgl Peter Krause, aaO, S. 142f). Das ist hier der Fall. Die Beklagte als Krankenversicherungsträger gebietet der Klägerin als Rehabilitationsträger, die vom Rehabilitationsträger auf Grund von Übergangsgeldzahlungen an S. zu tragenden Krankenversicherungsbeiträge an sie, die Beklagte, zu zahlen (§§ 381 Abs 3a Nr 2, 393 Abs 1 RVO). Wenn auch weder in den Vorschriften der §§ 381 Abs 3a Nr 2, 393 Abs 1 RVO noch in sonstigen Vorschriften ausdrücklich geregelt ist, daß der Krankenversicherungsträger berechtigt ist, die Krankenversicherungsbeiträge gegenüber dem Rehabilitationsträger festzusetzen und von ihm einzuziehen - eine dem § 1399 RVO entsprechende Vorschrift über die Befugnis der Einzugsstelle, Verwaltungsakte über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe zu erlassen (§ 1399 Abs 3 RVO), fehlt -, so ergibt sich die Entscheidungsberechtigung des Krankenversicherungsträgers für die Krankenversicherungsbeiträge doch unmittelbar aus der Natur der Sache. Der Krankenversicherungsträger kann die ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben nicht erfüllen, wenn ihm hierzu keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die erforderlichen Mittel werden vornehmlich durch Beiträge aufgebracht (§§ 380 ff RVO). Es kommt daher dem Krankenversicherungsträger zu, die jeweiligen Krankenversicherungsbeiträge vom Beitragspflichtigen zu fordern, falls dieser die von ihm geschuldeten Beiträge nicht bereits abgeführt hat. Ebenso wie der Krankenversicherungsträger gegenüber dem Arbeitgeber als Beitragsschuldner berechtigt ist, in einem Beitragsbescheid die Beiträge zur Krankenversicherung eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers festzusetzen und anzufordern, hat er das gleiche Recht auch gegenüber dem Rehabilitationsträger, der nach § 381 Abs 3a Nr 2 RVO beitragspflichtig ist, ohne daß ihn daran die sonstige Rechtsstellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts hindert.

Der zulässige Beitragsbescheid der Beklagten gegenüber der Klägerin ist jedoch rechtswidrig und deshalb aufzuheben.

Die Klägerin ist nicht verpflichtet, Beiträge zur Krankenversicherung des Versicherten S. für die Zeit vom 19.November bis 30.Dezember 1974, in der sie dem S. Übergangsgeld gewährte, als Rehabilitationsträger nach § 381 Abs 3a Nr 2 RVO zu tragen. Nach dieser Vorschrift hat der das Übergangsgeld gewährende Rehabilitationsträger für einen Versicherten, der Übergangsgeld bezieht, das nicht nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes berechnet ist, die Beiträge zur Krankenversicherung vom Beginn der siebenten Woche des Bezuges von Übergangsgeld an zu tragen. Die Klägerin entnimmt dieser Vorschrift, daß sie als Rehabilitationsträger die Beiträge zur Krankenversicherung erst dann zu tragen habe, wenn bereits für sechs Wochen Übergangsgeld gezahlt worden ist und die Zahlung des Übergangsgelds in der siebenten Woche beginnt. Die Beklagte erachtet in ihrem Beitragsbescheid die Klägerin hingegen bereits vom Beginn der siebenten Woche nach dem Arbeitsunfall und damit im unmittelbaren Anschluß an die sechswöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für beitragspflichtig.

Die Auffassung der Beklagten hat bereits nicht den Wortlaut des § 381 Abs 3a Nr 2 RVO für sich. Dort ist "vom Beginn der siebenten Woche des Bezugs von Übergangsgeld an" die Rede. Unter "Bezug von Übergangsgeld" ist aber nur die tatsächliche Zahlung von Übergangsgeld zu verstehen. Das folgt aus § 560 Abs 1 Satz 1 RVO, der klarstellt, unter welchen Voraussetzungen der Verletzte Übergangsgeld erhält: "Übergangsgeld erhält der Verletzte, solange er infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und soweit er Arbeitsentgelt nicht erhält." Hier wird nicht auf einen Anspruch, sondern nur auf die tatsächliche Zahlung abgehoben. Wer Übergangsgeld erhält, bezieht es (ebenso: Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, 29. Lieferung, X/77 300, S. 39).

Die aus dem Wortlaut des § 381 Abs 3a Nr 2 RVO gewonnene Auslegung, daß in dieser Vorschrift nur die Tatsache des Bezugs von Übergangsgeld gemeint ist, wird gestützt durch die Regelung des § 311 Satz 1 Nr 3 RVO über die fortbestehende Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bei Bezug von Übergangsgeld. Auch hier wird allein auf die Tatsache des Übergangsgeldbezuges abgehoben: "Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt erhalten, solange sie von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld beziehen und keine berufsfördernden Maßnahmen zur Rehabilitation gewährt werden."

Das SG hat allerdings gemeint, indem es sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. März 1971 - 5 RKn 26/70 - zu § 183 Abs 5 RVO (SozR Nr 60 zu § 183 RVO) berufen hat, zur Bezugszeit einer Leistung iS der RVO könnten auch Zeiten rechnen, in denen die Leistung nicht ausgezahlt wird, weil der an sich bestehende Anspruch wegen der Zahlung von Arbeitsentgelt ruht. Mit dieser Argumentation verkennt das SG die Ausgangslage. Dort war über eine Leistung zu entscheiden. Es sollte durch Auslegung des Begriffs des "Bezuges" des Krankengelds iS des § 183 Abs 5 RVO die vom Gesetzgeber nicht gewollte Doppelleistung von Rente wegen Berufsunfähigkeit und des vollen Krankengelds vermieden werden. Hier aber ist allein über die Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers zu entscheiden. Sie ist eine Besonderheit des Rehabilitationsrechts. Sie knüpft ersichtlich an die Rehabilitationsleistung des Übergangsgelds an den Verletzten durch den Rehabilitationsträger an und löst insoweit die übliche Beitragspflicht ab. Wie sich sonst die Beitragspflicht danach bemißt, welches Entgelt (Arbeitsentgelt) dem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer zugeflossen ist (§ 160 RVO; ab 1. Juli 1977: § 14 SGB IV; vgl das Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1977 - 12 RK 11/76 -, zur Veröffentlichung bestimmt), ist auch hier für die Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers für die vollen Beiträge zur Krankenversicherung maßgebend, was dem Rehabilitanden als Übergangsgeld tatsächlich zugeflossen ist. Diesen Umstand hat das SG zu wenig beachtet.

Dem Sozialversicherungsrecht im weiteren Sinn ist auch sonst die Anknüpfung an den tatsächlichen Leistungsbezug als Regelungstatbestand bekannt. Dafür kann auf § 155 Abs 2 Sätze 2 und 3 AFG verwiesen werden. Dort heißt es: "Soweit es sich um die Rechte und Pflichten aus der Krankenversicherung handelt, tritt an die Stelle der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Bezug des Arbeitslosengeldes, der Arbeitslosenhilfe oder des Unterhaltsgeldes. Das Versicherungsverhältnis wird nicht berührt, wenn die Entscheidung, die zu einem Leistungsbezug geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist." Hier ist allein maßgebend für den Bestand der Krankenversicherung, daß Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld - gleichgültig, ob zu Recht oder zu Unrecht - tatsächlich bezogen wurde (vgl Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 155, Anm 4).

Ob die in der Gesetzesbegründung des durch das Rehabilitations-Angleichungsgesetz eingefügte Nr 2 des Abs 3a des § 381 RVO enthaltene Äußerung "für die nach § 165 Abs 1 Nr 4 RVO Versicherungspflichtigen hat der Rehabilitationsträger die Beiträge ... für die übrigen Versicherten ... zur Verwaltungsvereinfachung erst vom Beginn der siebenten Woche des Bezugs von Übergangsgeld an zu tragen" (BT-Drucks 7/1237, S 66, zu Nr 23 Buchst c) zur Auslegung unterstützend herangezogen werden kann, kann offen bleiben, zumal dort nicht gesagt wird, worin die Verwaltungsvereinfachung bestehen soll.

Danach ist als Ergebnis festzuhalten: Die Beitragspflicht des Übergangsgeld gewährenden Rehabilitationsträgers zur Krankenversicherung nach § 381 Abs 3a Nr 2 RVO setzt erst mit dem Beginn der siebenten Woche des tatsächlichen Bezuges des Übergangsgelds ein (ebenso: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Schreiben an den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 21. November 1974 - IVa-4353-778/74).

Während die Aufhebungsklage Erfolg hat, scheitert die Feststellungsklage. Ihr fehlt das Feststellungsinteresse. Der Antrag der Klägerin festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, Beiträge zur sozialen (gesetzlichen) Krankenversicherung für Versicherte iS des § 381 Abs 3a Nr 2 RVO vor Ablauf von sechs Wochen des tatsächlichen Bezuges von Übergangsgeld zu erheben, zielt auf eine Feststellungsklage nach § 55 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 SGG ab. Sie betrifft nicht die Beitragspflicht der Klägerin im Falle des Verletzten S., sondern weit darüber hinausgehend allgemein die Beitragspflicht für Versicherte. Insofern hat das Begehren der Klägerin vorbeugenden Charakter. Entgegen der Auffassung des SG ist der Klägerin hierfür das Feststellungsinteresse abzusprechen. Eine vorbeugende Feststellungsklage stellt hohe Anforderungen daran, daß eine ernstliche Wiederholungsgefahr besteht. Dies hat das BSG mehrfach ausgesprochen (SozR Nrn 50 und 51 zu § 55 SGG). Die Klägerin führt für ihr Interesse an der begehrten alsbaldigen Feststellung "ihr gegenüber zu erwartende Anspruchsfälle der Beklagten" an. Diese "Anspruchsfälle der Beklagten" werden nicht bezeichnet. Das Vorbringen reicht für ein Feststellungsinteresse bei einer vorbeugenden Feststellungsklage nicht aus. Die Klägerin hat nichts für einen Anhalt dahin vorgetragen, daß sich die Beklagte der zu erwartenden Entscheidung des erkennenden Senats in dieser Sache in weiteren gleichgelagerten Fällen nicht beugen werde. Dies wäre aber die Mindestvoraussetzung für das Feststellungsinteresse gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654162

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