Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Kassenarztrecht. Verjährung. Unterbrechung. Streitverkündung. Beiladung

 

Leitsatz (amtlich)

Erstattungsansprüche zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften unterliegen auch im Bereich des Kassenarztrechts einer vierjährigen Verjährungsfrist.

 

Orientierungssatz

1. Die Streitverkündung gemäß §§ 72-74 ZPO unterliegt im Zivilprozeß der Parteidisposition und stellt somit eine Unterbrechungswirkung des § 209 Abs 2 Nr 4 BGB als Prämie für rechtliche Aktivitäten des Klägers dar (vgl BSG vom 21.2.1990 - 12 RK 55/88 = SozR 3-2400 § 25 Nr 1). Dagegen unterliegt die Entscheidung über die Beiladung gemäß § 75 SGG dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes.

2. Mit der Gleichsetzung von Beiladung und Streitverkündung würde einem Kläger gleichsam von Amts wegen die Rechtswohltat des § 209 Abs 2 Nr 4 BGB zugestanden, selbst wenn er nicht zur Unterbrechung der Verjährung aktiv geworden ist.

 

Normenkette

SGB I § 45 Abs. 1 Fassung: 1975-12-11, Abs. 2 Fassung: 1975-12-11; SGB IV § 25 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1976-12-23, § 27 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1976-12-23; SGB X § 50 Abs. 4 Fassung: 1980-08-18, § 113 Abs. 1 Fassung: 1982-11-04; ZPO §§ 72-74; BGB § 209 Abs. 2 Nr. 4; SGG § 75; SGB IV § 25 Abs. 2 Fassung: 1976-12-23, § 27 Abs. 3 Fassung: 1976-12-23; SGB X § 113 Abs. 2 Fassung: 1982-11-04

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.05.1988; Aktenzeichen L 1 Ka 1079/87)

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 10.12.1986; Aktenzeichen S 1 Ka 2561/83)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 1988 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig sind Forderungen der Klägerin wegen abgerechneter, aber nicht erbrachter Leistungen eines früheren Mitglieds der Beklagten, wegen Gutachterkosten und wegen Kürzungen aufgrund unwirtschaftlicher Behandlungsweise.

Der französische Staatsangehörige O. (O.) war bis 1977 im Bereich der Beklagten als Kassenzahnarzt zugelassen. In den Jahren 1975 bis 1977 rechnete er nicht oder nicht vollständig erbrachte Prothetikleistungen in Höhe von DM 125.662,84 ab. Dieser Betrag wurde ihm ausgezahlt. Nach Bekanntwerden dieses Sachverhaltes verließ er im September 1977 die Bundesrepublik Deutschland mit unbekanntem Ziel, ohne verwertbares Vermögen zu hinterlassen.

Am 5. und 26. September 1977, 18. Oktober 1977 und 3. Januar 1978 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von DM 126.850,62 sowie zusätzlich die ihr durch Nachbegutachtungen entstandenen Kosten in Höhe von DM 5.704,40 geltend. Hierzu teilte die Beklagte der Klägerin am 3. März 1978 mit, der durch O. verursachte Schaden belaufe sich nach rechnerischer und sachlicher Prüfung ohne die Begutachtungskosten auf DM 125.662,84. Der Klägerin wurde aus dem restlichen Honorarguthaben des O. ein Teilbetrag in Höhe von DM 6.042,71 gutgeschrieben. Weiter trat die Beklagte 1978 der Klägerin die ihr gegen O. zustehenden Regreßansprüche in Höhe von DM 141.540,13 sowie im Jahre 1980 einen weiteren Anspruch von DM 9.851,32 nach § 24 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) ab.

Im August 1979 erhob die Klägerin gegen O. beim Landgericht Offenburg Klage auf Schadensersatz wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von DM 151.355,45. Der Rechtsstreit wurde durch Beschluß des Landgerichts vom 25. März 1980 an das Sozialgericht (SG) Freiburg verwiesen. Durch Beschluß vom 8. April 1981 lud das SG die (jetzige) Beklagte zu dem Rechtsstreit der Klägerin gegen O. bei. Mit Urteil vom 19. April 1983 wies das SG sodann die Klage ab. Die von der seinerzeit beigeladenen Beklagten hiergegen eingelegte Berufung wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 6. März 1985 zurückgewiesen.

Durch Bescheid vom 27. März 1984 nahm die Beklagte gegenüber O. eine Honorarberichtigung in Höhe von DM 125.324,83 vor. Dieser Bescheid wurde im sozialgerichtlichen Verfahren aufgehoben.

Durch bindende Bescheide wurden die Honorare des O. wegen Unwirtschaftlichkeit für die Quartale I/75 bis I/76 um DM 18.641,46 und für die Quartale II/76 bis IV/76 um DM 11.317,96 gekürzt. Hiervon entfielen Teilbeträge in Höhe von DM 16.179,60 und DM 9.851,32 (insgesamt DM 26.030,92) auf die Klägerin.

Mit ihrer am 6. Dezember 1983 zum SG Freiburg erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von DM 151.355,25. Diese Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des SG Freiburg vom 10. Dezember 1986). Die Berufung der Klägerin wurde durch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18. Mai 1988 zurückgewiesen mit der Begründung, die Beklagte habe zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben. Für den Klageanspruch gelte eine vierjährige Verjährungsfrist. Den durch O. verursachten Schaden habe die Beklagte mit Schreiben vom 3. März 1978 festgestellt. Dieses Schreiben stelle kein Anerkenntnis iS des § 208 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar. Die Verjährung sei auch vor ihrem Ablauf (31. Dezember 1982) nicht unterbrochen worden. Die Beiladung der Beklagten zu dem früheren Rechtsstreit der Klägerin gegen O. durch Beschluß des SG Freiburg vom 8. April 1981 stelle keine Streitverkündung iS des § 209 Abs 2 Nr 4 BGB dar, weil sie nicht in einem Prozeß erfolgt sei, von dessen Ausgang der Anspruch abhänge. Die Erhebung der Verjährungseinrede verstoße auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Ansprüche auf Zahlung von DM 26.030,92 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise sowie auf Ersatz der Begutachtungskosten in Höhe von DM 5.740,40 seien durch Erklärung vom 24. Mai 1978 an die Klägerin abgetreten worden, so daß diese nunmehr von der Beklagten keine Zahlung mehr verlangen könne. Auch stünde einer Zahlungsverpflichtung die Einrede der Verjährung entgegen.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt die Verletzung des § 61 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren- (SGB X), §§ 812, 195 BGB analog und trägt dazu vor, die vierjährige Verjährungsfrist gelte nur für einzelne eng begrenzte Ansprüche, zu denen der Klageanspruch nicht gehöre. Die Schließung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie sei hier nicht angebracht, denn die Anwendung einer vierjährigen Verjährungsfrist wäre nicht sachgerecht. Vielfach komme erst nach Jahren ein Betrugsverdacht auf, der oftmals jahrelange Ermittlungsarbeit nach sich ziehe. Von diesen Schwierigkeiten seien die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZÄV) nicht betroffen, weil ihr Aufhebungsanspruch gegenüber einem Kassenzahnarzt einer Verjährung nicht unterliege, vielmehr nur die Frist des § 45 Abs 4 SGB X zu beachten sei. Hingegen wäre der Anspruch der Kassen gegenüber der KZÄV bei einer vierjährigen Verjährungsfrist regelmäßig verjährt. Weiter rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 75 Abs 2, 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm §§ 74, 78 Zivilprozeßordnung (ZPO) sowie § 209 Abs 2 Nr 4 BGB und trägt dazu vor, die im sozialgerichtlichen Verfahren vorgenommene Beiladung stehe einer Streitverkündung gleich und unterbreche damit die Verjährung.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 1988 und des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Dezember 1986 die Beklagte zu verurteilen, an sie (Klägerin) DM 151.355,25 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1.

Soweit die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch wegen der von O. abgerechneten, aber nicht erbrachten prothetischen Leistungen in Höhe von DM 125.662,84 erhebt, ist dieser Anspruch verjährt.

Rechtsgrundlage für diese Forderung der Klägerin ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl hierzu Erichsen in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl 1988, S 262 ff, und Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht Band I, 9. Aufl 1974, § 44 I b 6). Dieser aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Erstattungsanspruch gebietet es, daß Leistungen, die ohne Rechtsgrund erbracht worden sind, zurückzuerstatten sind (vgl grundlegend BSGE 16, 151, 153; 38, 46, 47, jeweils mwN). Dementsprechend hat der erkennende Senat entschieden, daß eine Krankenkasse von der KÄV Erstattung der Gesamtvergütung beanspruchen kann, soweit sie diese für Einzelleistungen gezahlt hat, die tatsächlich vom Kassen(zahn)arzt nicht erbracht worden sind (vgl BSGE 61, 19, 21 f = SozR 2200 § 368f Nr 11; - anders bei Berechnung der Gesamtvergütung nach einer Kopf- oder Fallpauschale, vgl BSGE 66, 1 ff = SozR aaO Nr 16).

Rechtsgrund für die insoweit anteilige Leistung der Gesamtvergütung durch die Klägerin an die Beklagte ist, daß die nach Einzelleistungen abgerechneten zahnärztlichen Leistungen durch die Mitglieder der Beklagten (die Kassenzahnärzte) tatsächlich erbracht worden sind. Mithin hat die Klägerin an die Beklagte für den Zeitraum 1975 bis 1977 Gesamtvergütung in Höhe von insgesamt DM 125.662,84 ohne Rechtsgrund gezahlt, weil O. als früheres Mitglied der Beklagten prothetische Leistungen in dieser Höhe abgerechnet, aber nicht erbracht hat. Die Beklagte hat den durch O. verursachten Schaden bereits mit Schreiben vom 3. März 1978 in Höhe von DM 125.662,84 festgestellt. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist auch nicht dadurch ausgeschlossen oder beeinträchtigt, daß die Beklagte selbst gegen O. keine Rückgriffsansprüche realisieren kann (vgl BSGE 61, 19, 23). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Anspruch der Klägerin nicht auf Erstattung des noch Vorhandenen beschränkt, weil die Gewährleistungspflicht der Beklagten grundsätzlich eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ausschließt (BSGE aaO). Schließlich steht auch § 24 BMV-Z nicht dem Erstattungsanspruch der Klägerin entgegen, weil diese Vorschrift eine spezielle Regelung für den Fall schuldhafter Pflichtverletzungen ausschließlich in dem Bereich darstellt, in dem die Prüfungsinstanzen zuständig sind (BSGE 61, 19, 24).

Zu Recht ist jedoch das LSG davon ausgegangen, daß der Beklagten gemäß § 222 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, weil dieser Anspruch verjährt ist. Die Beklagte hat auch die Einrede der Verjährung erhoben. Der erkennende Senat geht davon aus, daß jedenfalls der hier in Frage stehende allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegt. Für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch hat der Gesetzgeber keine ausdrückliche Kodifizierung vorgenommen, so daß auch keine gesetzliche Verjährungsregelung vorliegt. Aus dem Fehlen einer gesetzlichen Regelung kann jedoch nicht geschlossen werden, daß der hier streitige Anspruch der Verjährung überhaupt nicht unterliegt. Es ist ein allgemeiner Rechtsgedanke, der in § 194 BGB seinen Ausdruck gefunden hat, daß An-$sprüche grundsätzlich der Verjährung unterliegen. Hinsichtlich der Verjährungsfrist sind diejenigen Verjährungsvorschriften des öffentlichen und bürgerlichen Rechts heranzuziehen, die ihrem Wesen und Inhalt nach dem streitigen Anspruch vergleichbare Ansprüche betreffen. Das Fehlen einer unmittelbar anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung hat aber nicht zur Folge, daß, wie die Klägerin hier vorträgt, die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB gilt. Eine 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB gilt zwar für zivilrechtliche Bereicherungsansprüche gemäß §§ 812 ff BGB und Ersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 BGB (vgl Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl, § 195 Anm 3c; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl, § 195 Anm 6, 7) und wäre dementsprechend auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch anzuwenden, wenn die §§ 194 ff BGB die maßgebliche Rechtsmaterie wären (für eine 30-jährige Verjährungsfrist verwaltungsrechtlicher Vermögensansprüche vgl Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 37 III 2, S 266). So ging die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bis zum Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) am 1. Januar 1976 auch davon aus, daß der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch generell der 30-jährigen Verjährung unterliegt (vgl BSGE 42, 135, 137 = SozR 3100 § 10 Nr 7 mwN). Demgegenüber hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Januar 1987 (= SozR 2200 § 368e Nr 10 S 20) klargestellt, daß die Anwendung der §§ 194 ff BGB im öffentlichen Recht stets unter dem Vorbehalt steht, daß sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, den Erfordernissen des öffentlichen Rechts oder den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes nichts anderes ergibt. "Es ist daher von Fall zu Fall zu prüfen, ob die bestehende Regelungslücke nicht durch Heranziehung öffentlich-rechtlicher Vorschriften geschlossen werden kann und die Voraussetzungen der Analogie - Ähnlichkeit der Sachverhalte in rechtlich-$wertender Hinsicht - vorliegen" (BSG aaO mwN; ebenso für einen grundlegenden Vorbehalt zugunsten öffentlich-rechtlicher Regelungen schon: BSGE 19, 88, 90 = SozR Nr 2 zu § 60 BVG).

Die Rechtsprechung des BSG ist angesichts der Regelung des § 45 SGB I davon ausgegangen, daß diese Vorschrift ein allgemeines Rechtsprinzip der vierjährigen Verjährung in das Sozialrecht einführe, und hat dementsprechend noch vor Inkrafttreten der weiteren Bücher des SGB am 1. Januar 1981 bzw 1. Juli 1983 das Rechtsprinzip der vierjährigen Verjährungsfrist analog auf öffentlich-$rechtliche Erstattungsansprüche ausgedehnt, für die damals ausdrückliche Verjährungsregelungen fehlten (vgl BSGE 41, 287, 290, 291 = SozR 3100 § 81b Nr 4 und BSG SozR aaO Nr 6). Mit seiner Entscheidung vom 11. August 1976 hat das BSG klargestellt, daß auch der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegt, weil diese Frist ein allgemeines Prinzip des Sozialrechts darstelle (vgl BSGE 42, 135, 137, 138). In der Folgezeit hat der Gesetzgeber dieses allgemeine Prinzip in § 25 Abs 1 Satz 1 und § 27 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV), in Kraft getreten am 1. Juli 1977, und in § 50 Abs 4 SGB X, in Kraft getreten am 1. Januar 1981, verdeutlicht. § 50 Abs 4 SGB X, der den Erstattungsanspruch der Verwaltung gegen den Bürger einer vierjährigen Verjährungsfrist unterwirft, ist dabei vom Gesetzgeber ausdrücklich als Teilkodifikation des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs konzipiert worden (vgl Schroeder-Printzen/ Wiesner SGB X 2. Aufl 1990, RdNr 1 zu § 50; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S 81w I). Schließlich stellt auch der am 1. Juli 1983 in Kraft getretene § 113 SGB X eine Teilkodifikation des allgemeinen öffentlich- rechtlichen Erstattungsanspruches dar. Nach § 113 Abs 1 SGB X verjähren Erstattungs- und Rückerstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. § 113 SGB X gilt grundsätzlich nur für Ansprüche nach §§ 102 ff SGB X. Jedoch wird in der Literatur in Anlehnung an die gesetzgeberischen Motive (vgl BT-Drucks 9/95, S 27) ganz überwiegend die Ansicht vertreten, daß § 113 SGB X die Verjährungsfrist für Erstattungsansprüche einheitlich auf vier Jahre festsetzen wolle. Dementsprechend enthalte § 113 Abs 1 SGB X einen allgemeinen Grundsatz, der auch auf alle Erstattungsansprüche anwendbar ist, die bislang gesetzlich noch nicht geregelt worden sind (Hauck/Haines, SGB X 3, K § 113, RdNr 6; Grüner/Dalichau, 3.1 zu § 113 SGB X; Kummer, Das neue Erstattungsrecht in der Bewährung, DAngVers 1986, S 397, 404; Gerlach, Die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander, DOK 1983, S 393, 408; Kasseler Kommentar/Seewald § 45 SGB I, RdNr 19; Pickel, SGB X, Anm 7 zu § 113). In entsprechender Anwendung dieser Vorschriften des Sozialgesetzbuches, insbesondere des § 113 Abs 1 SGB X, ist daher davon auszugehen, daß der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegt. Unabhängig davon, daß der Anspruch auf Erstattung der Gesamtvergütung keine Sozialleistung iS des § 11 Satz 1 SGB I betrifft und die Beklagte auch kein Leistungsträger iS der §§ 12, 18 bis 29 SGB I ist, handelt es sich hier dennoch um einen sozialversicherungsrechtlichen und damit öffentlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch zwischen zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts. Es ist daher davon auszugehen, daß der Gesetzgeber bei einer Kodifikation des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Sozialrecht seinem selbst gesetzten Prinzip der vierjährigen Verjährungsfrist gefolgt wäre (vgl zu diesem Prinzip auch BT-Drucks 9/95, S 27). Im übrigen hat die Harmonisierung von Verjährungsvorschriften den Sinn, den handelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften einen gesicherten Orientierungsrahmen vorzugeben. Eine vierjährige Verjährungsfrist ist aus praktischen und haushaltsrechtlichen Gründen geboten, um jahrelange Auseinandersetzungen zu vermeiden und Erstattungsansprüche einer beschleunigten Klärung zuzuführen (so bereits BSGE 42, 135, 138).

Schließlich begegnet die Anwendung der vierjährigen Verjährungsfrist nach dem Sozialgesetzbuch auch insofern keinen Bedenken, als diese Vorschriften erst ab 1. Januar 1976 sukzessive in Kraft getreten sind, die Ansprüche hier aber aus den Jahren 1975 bis 1977 herrühren. Es kann dahinstehen, wann die Zahlung der Gesamtvergütung durch die Klägerin im einzelnen erfolgt ist, weil nach Art II § 17 SGB I der § 45 SGB I auch rückwirkend für alle vor Inkrafttreten des SGB I fällig gewordenen und noch nicht verjährten Ansprüche Geltung beansprucht (vgl Kasseler Kommentar/Seewald § 45 SGB I RdNr 4). Dementsprechend hat das BSG in den Entscheidungen aus dem Jahre 1976 (BSGE 41, 287 und 42, 135) die damals im Wege der Analogie gewonnene vierjährige Verjährungsfrist auch rückwirkend auf alle noch nicht verjährten Ansprüche angewandt.

In entsprechender Anwendung des § 113 Abs 1 SGB X hat die Verjährungsfrist für den Erstattungsanspruch der Klägerin mithin nach Ablauf des Kalenderjahres begonnen, in dem der Anspruch entstanden ist. Da die überzahlte Gesamtvergütung in Höhe von DM 125.662,84 für Abrechnungsquartale in den Jahren 1975 bis 1977 seitens der Klägerin an die Beklagte gezahlt worden ist, hat die Verjährungsfrist somit frühestens am 1. Januar 1976 (für die Quartalsabrechnungen 1975) und spätestens am 1. Januar 1979 (für den Fall, daß die Gesamtvergütung für das Quartal IV/1977 erst im Jahre 1978 bezahlt worden ist) begonnen. Mithin sind die Erstattungsansprüche der Klägerin spätestens mit Ablauf des Jahres 1982 verjährt gewesen.

Zutreffend geht das LSG davon aus, daß der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist weder gehemmt noch unterbrochen worden ist. § 45 Abs 2 SGB I, § 25 Abs 2, § 27 Abs 3 SGB IV, § 113 Abs 2 SGB X verweisen für die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung auf die Vorschriften des BGB (vgl auch § 61 SGB X).

Eine Hemmung der Verjährung gemäß §§ 202 ff BGB ist nicht eingetreten. Auch eine Unterbrechung der Verjährung durch Anerkenntnis iS des § 208 BGB ist nicht erfolgt. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 3. März 1978 kein Anerkenntnis iS des § 208 BGB abgegeben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils hat die Beklagte mit ihrer Erklärung vom 3. März 1978 lediglich den Schadensbetrag festgestellt. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß es an der für § 208 BGB erforderlichen, nach außen erkennbaren Aktivität der Beklagten fehlt (§ 208 BGB nennt hierfür Abschlagszahlung, Zinszahlung oder Sicherheitsleistung).

Die Klägerin hat auch nicht durch die Klageerhebung vor dem Landgericht Offenburg im August 1979 die Verjährung gemäß § 209 Abs 1 BGB unterbrochen, weil nur eine Klageerhebung gegen den richtigen Schuldner die Verjährung unterbricht (vgl BGHZ 80, 222, 226). Auch in dem bloßen Geltendmachen der Erstattungsforderung in den Jahren 1977 und 1978 gegenüber der Beklagten kann keine verjährungsunterbrechende Handlung gesehen werden. Zwar enthält § 45 Abs 3 SGB I eine Regelung, nach der der bloße Antrag die Verjährung unterbricht. § 113 Abs 2 SGB X hat auf eine solche Regelung jedoch bewußt verzichtet. Die schriftliche Geltendmachung des Erstattungsanspruches unterbricht mithin die Verjährung nicht (Schroeder-Printzen/ von Wulffen SGB X 2. Aufl, § 113 RdNr 6).

Schließlich ist auch nicht durch die Beiladung der Beklagten gemäß § 75 SGG zu dem früheren Prozeß der Klägerin gegen O. eine Unterbrechung der Verjährung in entsprechender Anwendung des § 209 Abs 2 Nr 4 BGB eingetreten.

Das SG hat mit Beschluß vom 8. April 1981 die Beklagte zu dem Rechtsstreit der Klägerin gegen O. beigeladen. Wäre dieser Beiladungsbeschluß des SG gemäß § 209 Abs 2 Nr 4 BGB einer Streitverkündung iS der §§ 72 bis 74 ZPO gleichzustellen, wäre noch innerhalb des Laufes der vierjährigen Verjährungsfrist eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten. Auch die Voraussetzungen des § 215 Abs 2 BGB hätte die Klägerin erfüllt, so daß der Erstattungsanspruch zumindest teilweise noch nicht verjährt wäre. Der 12. Senat des BSG hat hierzu im Urteil vom 21. Februar 1990 (BSGE 66, 222, 225 = SozR 3-2400 § 25 Nr 1) ausgeführt, daß die Stellung eines Beigeladenen im sozialgerichtlichen Verfahren der eines Dritten vergleichbar sei, dem im Zivilprozeß der Streit verkündet wird und der deshalb damit rechnen muß, daß nach Beendigung des Prozesses Ansprüche gegen ihn erhoben werden.

Der erkennende Senat hat Bedenken, ob die Beiladung gemäß § 75 SGG generell der zivilprozessualen Streitverkündung gemäß §§ 72 bis 74 ZPO gleichzustellen ist. Hiervon geht auch der 12. Senat (aaO) offenbar nicht aus. Während die Streitverkündung gemäß §§ 72 bis 74 ZPO im Zivilprozeß der Parteidisposition unterliegt und somit sich die Unterbrechungswirkung des § 209 Abs 2 Nr 4 BGB als Prämie für rechtliche Aktivitäten des Klägers darstellt (so auch der 12. Senat aaO, S 224), unterliegt die Entscheidung über die Beiladung gemäß § 75 SGG dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes. Im vorliegenden Fall hat das SG die Beiladung am 8. April 1981 beschlossen, nachdem bereits am 25. März 1980 die Klage vom Landgericht Offenburg an das zuständige SG verwiesen worden war. Das Urteil des SG in dem Vorprozeß ist schließlich am 19. April 1983 ergangen. Mithin ist der Rechtsstreit vom 25. März 1980 bis 19. April 1983 beim SG anhängig gewesen, und die Beiladung gemäß § 75 SGG hat während dieses gesamten Zeitraums erfolgen können, ohne daß die Klägerin rechtliche Möglichkeiten gehabt hätte, einen Beiladungsbeschluß jedenfalls zu einem bestimmten Termin zu erzwingen. Hätte das SG mithin erst 1982 oder 1983 die Beklagte beigeladen, wäre die Unterbrechung der Verjährung gemäß § 209 Abs 2 Nr 4 BGB nur teilweise oder überhaupt nicht eingetreten. Um mögliche haftungsrechtliche Ansprüche vom Instanzrichter abzuwenden, wäre es daher erforderlich, eine Rechtspflicht (und einen korrespondierenden Rechtsanspruch des Beizuladenden) zu konstituieren, möglichst frühzeitig umfassende Beiladungen auszusprechen. Eine solche Rechtspflicht ist im Rahmen des § 75 SGG nicht ersichtlich. Im übrigen macht der vorliegende Fall deutlich, daß mit einer Gleichsetzung von Beiladung und Streitverkündung der Klägerin gleichsam von Amts wegen die Rechtswohltat des § 209 Abs 2 Nr 4 BGB zugestanden würde, obwohl sie selbst nicht zur Unterbrechung der Verjährung aktiv geworden ist. Die Klägerin hat in dem im August 1979 zunächst angestrebten Zivilprozeß gegen O. vor dem Landgericht Offenburg der Beklagten gerade nicht gemäß § 72 ZPO den Streit verkündet, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre. Trotz ihrer damaligen Passivität würde die Beiladung 1981 somit für die Klägerin von Amts wegen die Verjährung unterbrechen. Auch soweit das SGB Unterbrechungstatbestände enthält (vgl etwa § 52 Abs 1 SGB X), wird darin immer eine Aktivität des Anspruchsinhabers honoriert, die dieser zur Wahrnehmung seines Anspruches ergreift.

Einer weiteren Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des 12. Senats bedarf es jedoch nicht. Im Ergebnis weicht der Senat hiervon nicht ab. In dem vom 12. Senat entschiedenen Fall ist es um die Krankenversicherungspflicht einer Arbeitnehmerin gegangen. Dieser Rechtsstreit ist präjudiziell für die Beitragspflicht des Arbeitgebers gewesen. Hiervon ausgehend hat der 12. Senat die Beiladung der Streitverkündung gleichgestellt. Im vorliegenden Fall hingegen ist der Vorprozeß, in dem die jetzige Beklagte beigeladen worden ist, nicht präjudiziell gewesen. Seinerzeit hat die Klägerin gegen O. auf Schadensersatz geklagt. Der nunmehr geltend gemachte Anspruch beruht auf den Rechtsbeziehungen zwischen einer Kasse und der KZÄV, die von denen zwischen Kassen- und Kassenzahnärzten wie auch zwischen KZÄVen und ihren Mitgliedern streng zu trennen sind.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Erhebung der Verjährungseinrede gemäß § 222 BGB seitens der Beklagten auch nicht rechtsmißbräuchlich iS des § 242 BGB. Die Verjährungseinrede wäre dann rechtsmißbräuchlich, wenn die Beklagte arglistig und mithin vorsätzlich die Verjährung herbeigeführt hätte (Kasseler Kommentar/Seewald, § 45 SGB I RdNr 15). Hierfür reicht nicht aus, daß die Beklagte zunächst die Rechtsansicht vertreten hatte, die Klägerin müsse gegen O. direkt vorgehen. Das LSG hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts grundsätzlich selbst das Risiko trägt, wenn sie einer falschen Rechtsansicht ohne nähere eigene Prüfung folgt.

2.

Soweit die Klägerin von der Beklagten Zahlung von DM 26.030,92 aufgrund der durch die Prüfungsausschüsse mittlerweile bindend festgestellten unwirtschaftlichen Behandlungsweise des O. fordert, ist dieser Anspruch nicht begründet. § 24 Satz 2 BMV-Z bestimmt, daß die KZV den von den Prüfungseinrichtungen festgestellten Regreß-$(schadens-)betrag an den Honorarforderungen des Kassenzahnarztes gegen die KZV einbehält und ihn - vorbehaltlich einer anderen Entscheidung im Rechtswege - an die Krankenkasse abführt; "soweit dies nicht möglich ist, weil Honorarforderungen des Kassenzahnarztes gegen die KZV nicht mehr bestehen, tritt die KZV den Anspruch auf den Regreß-(schadens-)betrag an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung ab" (vgl § 24 letzter Halbsatz BMV-Z). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSGE 61, 19, 24 = SozR 2200 § 368f Nr 11) stellt § 24 BMV-Z eine abschließende Sonderregelung dafür dar, wie Rechtsansprüche gegen einen Zahnarzt aufgrund unwirtschaftlicher Behandlungsweise abzuwickeln sind. Haben die Prüfungsinstanzen einen Schaden durch unwirtschaftliche Behandlungsweise festgestellt und besteht kein Honoraranspruch des Zahnarztes gegen die Beklagte mehr, so tritt die Beklagte ihre Forderungen gegen den Zahnarzt an die Krankenkasse ab. Der letzte Halbsatz des § 24 BMV-Z bringt mithin einen Grundsatz der Risikoverteilung zum Ausdruck, wie ihn die Partner des BMV-Z vorgesehen haben (vgl Tiemann, BMV-Z, Komm, Stand Oktober 1989, § 24 Anm Nr 7). Die Klägerin kann auf keinem anderen Weg als über § 24 BMV-Z ihre insoweit bestehenden Ansprüche durchsetzen. Nach Abschluß des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens kann die Klägerin hier mithin nicht mehr auf einen Erstattungsanspruch zurückgreifen (BSGE 61, 19, 27). Da die Abtretungserklärungen der Beklagten hinsichtlich der DM 26.030,92 gemäß § 24 BMV-Z vorliegen, besteht kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von DM 26.030,92 aus anderen Rechtsgründen.

3.

Soweit die Klägerin schließlich Ersatz der Gutachterkosten in Höhe von DM 5.740,40 fordert, ist dieser Anspruch ebenfalls verjährt. Wie bereits ausgeführt, unterliegen öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der vierjährigen Verjährungsfrist. Sie gilt in gleicher Weise für den von der Klägerin geltend gemachten Ersatzanspruch und ist auch insoweit überschritten worden.

4.

Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 158

AusR 1992, 17

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