Verfahrensgang

LSG für das Land Brandenburg (Urteil vom 24.05.2000; Aktenzeichen L 8 AL 83/99)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 24. Mai 2000 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Brandenburg vom 24. Mai 2000, mit dem dieses die Berufung des Klägers gegen ein Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. April 1999 zurückgewiesen hat.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Das LSG habe den Aufhebungsbescheid der Beklagten gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für rechtmäßig gehalten, weil ihm – dem Kläger – grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vorgeworfen werden könne. Dabei habe das LSG die allgemeine Regel aufgestellt, daß es nicht ausreichend sei, lediglich durch telefonische Auskünfte Zweifel an einem begünstigenden Bescheid anzumelden, wenn bereits ein schriftlicher, entgegenstehender Bescheid vorliege. In diesem Falle sei es zumutbar, persönlich oder schriftlich auf den Zweitbescheid und auf die Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit hinzuweisen. Der Frage, ob er – der Kläger – sich persönlich oder schriftlich an die Behörde hätte wenden müssen, komme grundsätzliche Bedeutung zu. Die in seinem Falle vom LSG aufgestellten Regeln seien auf alle Fälle der Leistungsverwaltungen anwendbar, da Voraussetzung lediglich gewesen sei, daß eine Leistung erst durch einen schriftlichen Bescheid abgelehnt, später aber in einem zweiten Bescheid bewilligt worden sei. Die Frage der Verhaltenspflichten des Leistungsantragstellers im Falle zweier voneinander abweichender Bescheide, sei, soweit ersichtlich, bislang auch nicht höchstrichterlich entschieden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Den Anforderungen an die Beschwerdebegründung wird der Vortrag des Klägers schon deshalb nicht gerecht, weil er den der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Sachverhalt überhaupt nicht schildert. Dem Senat ist es deshalb nicht möglich, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Vortrags des Klägers ein Bild über Streitgegenstand und rechtliche wie tatsächliche Streitpunkte zu machen. Aufgabe der Revisionsinstanz ist es indes nicht, sich den für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Sachverhalt selbst aus dem Urteil des LSG bzw den Leistungsakten herauszusuchen. Die Wiedergabe des der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Sachverhalts ist deshalb Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung des Senats über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung verlangt die Wiedergabe des streiterheblichen Sachverhalts insbesondere deshalb, weil eine Rechtssache nur dann grundsätzliche Bedeutung hat, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über ein Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muß daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung – auch zu vergleichbaren Rechtsgebieten – und ggf sogar unter Berücksichtigung des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Mit anderen Worten: Es müssen Rechtsfragen formuliert und deren abstrakte Klärungsbedürftigkeit und konkrete Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie deren Breitenwirkung dargelegt werden. Insbesondere die Klärungsfähigkeit kann aber ohne entsprechenden Vortrag zum Sachverhalt überhaupt nicht beurteilt werden; denn klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den konkret zu entscheidenden Rechtsstreit erheblich ist.

Abgesehen davon hat der Kläger schon keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Er mißt der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, wann im Rahmen des § 45 SGB X von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden kann, wenn der Leistungsempfänger bereits vor der – rechtswidrigen – Bewilligung einer Sozialleistung einen ablehnenden, bestandskräftigen Bescheid für denselben Leistungszeitraum erhalten hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, betrifft die Frage, ob das Verhalten eines Leistungsempfängers als grob oder nur leicht fahrlässig einzustufen ist, die tatrichterliche Würdigung im konkreten Einzelfall, nicht die Anwendung eines klärungsbedürftigen allgemeinen Rechtssatzes (vgl Beschluß des Senats vom 4. Juli 2000 – B 7 AL 4/00 B –; vgl auch BSG, Beschluß vom 22. März 1999 – B 14 KG 17/98 B –). Denn diese Frage läßt sich nicht einheitlich für alle Fälle, sondern nur von Fall zu Fall, dh nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, beantworten (grundsätzlich BSGE 45, 180, 181). Der Kläger hat sich insoweit nicht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auseinandergesetzt und insbesondere nicht dargetan, daß und inwieweit der den Grad des Verschuldens betreffende Steigerungsbegriff der „groben” Fahrlässigkeit über den Einzelfall hinaus einer einheitlichen Rechtsanwendung zugeführt werden kann oder muß.

Daß die Entscheidung des LSG ggf in der Sache unrichtig ist, vermag die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen; denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Entspricht die Begründung der Beschwerde sonach nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde – ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter – in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; vgl auch BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175823

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