Leitsatz (amtlich)

1. Eine Tätigkeit ist hinreichend konkret bezeichnet, wenn sie im Zusammenhang mit einer Tarifgruppe benannt wird, für die im Tarif Tätigkeitsmerkmale aufgeführt sind.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann auf eine mangelhafte Begründung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur dann gestützt werden, wenn der Antrag auf Sachverständigenbeweis den Erfordernissen des § 403 ZPO entsprochen hat.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 Fassung: 1974-07-30, § 118 Fassung: 1974-07-30, § 103 Fassung: 1974-07-30; RVO § 1247 Abs 2 Fassung: 1957-02-23; ZPO § 403 Fassung: 1950-09-12

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 19.02.1981; Aktenzeichen L 12 J 913/80)

SG Karlsruhe (Entscheidung vom 11.04.1980; Aktenzeichen S 9 J 2970/78)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

Die Rüge des Klägers, das Gericht habe über die Anforderungen der im Urteil bezeichneten Verweisungstätigkeiten keinen Beweis erhoben, geht fehl. Insoweit bedurfte es keiner Beweiserhebung. Das Gericht hat darauf hingewiesen, daß eine Beschäftigung als Registraturhelfer oder als Bürohilfe für den Kläger in Betracht komme und hat damit diese Tätigkeiten ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt. Dabei war das Gericht nicht verpflichtet, die Quelle seiner Kenntnisse über diese Tätigkeiten darzulegen. Durch die Einführung dieser Tatsache in die mündliche Verhandlung wurden die prozessualen Rechte der Beteiligten gewahrt; sie erhielten dadurch die Möglichkeit, sich hierzu zu äußern und die entsprechenden Beweisanträge zu stellen. Die Verwertung der eingeführten Tatsache hingegen unterliegt dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger sein Vorbringen auf die vom Gericht in die mündliche Verhandlung eingeführten Tätigkeiten eines Registraturhelfers oder als Bürohilfe einrichten. Von dieser Möglichkeit hat er auch Gebrauch gemacht.

Das Landessozialgericht (LSG) brauchte sich aus seiner Sicht auch nicht gedrängt zu fühlen, das vom Kläger beantragte berufskundliche Gutachten einzuholen. Es konnte vielmehr den Sachverhalt als ausreichend geklärt ansehen (vgl BSG, Beschluß vom 1975-07-31 - 5 BJ 28/75 = SozR 1500 § 160 Nr 5). Erkennbar ging das LSG davon aus, daß nach Zahl und Schwere der beim Kläger vorhandenen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen eine pauschale Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausreiche, sondern daß die in Betracht kommenden Tätigkeiten konkret bezeichnet werden müßten (vgl insbesondere BSG, Urteil vom 1978-04-19 - 4 RJ 55/77 = SozR 2200 § 1246 Nr 30). Diese Pflicht zur konkreten Bezeichnung erfüllt ein Gericht jedoch regelmäßig dann, wenn es im Urteil einen Kläger auf eine auch unbestimmte Zahl von Tätigkeiten einer Tarifgruppe, hier Vergütungsgruppe X Bundesangestelltentarif (BAT), verweist, zumindest, wenn es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die keine spezielle berufliche Qualifikation verlangen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Tarifvertrag nicht nur die Tätigkeiten als solche, sondern auch ihre Merkmale aufführt. Diese Voraussetzung erfüllt der BAT, weil dort nicht nur die Tätigkeit selbst (zB Registrator), sondern auch allgemeine Tätigkeitsmerkmale (zB Führung einfacher Kontrollen) aufgeführt sind. Für derartige Tätigkeiten kann das Vorhandensein entsprechender Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl angenommen werden. Die Einsatzfähigkeit eines Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist damit evident (BSG aaO), so daß eine weitergehende konkrete Bezeichnung nicht erforderlich ist.

Im Hinblick darauf, daß die Vergütungsgruppe X BAT die unterste Tarifgruppe darstellt und nach ihrer Definition nur mechanische Arbeiten umfaßt, kann davon ausgegangen werden, daß ein Versicherter im allgemeinen ohne berufsspezifische Vorkenntnisse nach relativ kurzer Einarbeitungszeit in der Lage sein wird, diese Tätigkeiten auch auszuüben. Damit erübrigt sich im allgemeinen die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens, das nur den Zweck haben kann, die berufsspezifischen Anforderungen einer Tätigkeit und die entsprechende Qualifikation des Versicherten festzustellen.

Schließlich hat das LSG seine Überzeugung von der Einsatzfähigkeit des Klägers auf Tätigkeiten der Vergütungsgruppe X BAT auch ausreichend begründet. Es hat keine Anhaltspunkte für eine Überforderung des Klägers feststellen können. Soweit sich der Kläger hiergegen wendet, handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung, auf die eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann, zumal hierbei Denkgesetze und Erfahrungssätze nicht verletzt werden (BSG, Beschluß vom 1977-01-26 - 11 BA 184/76 = SozR 1500 § 160 Nr 26). Bei seinen konkreten Feststellungen hat sich das LSG nur auf einen Einzelfall bezogen, so daß sich die Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (BSG aaO S 22) nicht stellt.

Das LSG konnte sich damit begnügen, in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils den Antrag des Klägers auf Einholung eines berufskundlichen Gutachtens unter Hinweis auf die gegebene Sachlage abzulehnen. Einer weitergehenden Begründung bedurfte es nicht, insbesondere auch nicht im Hinblick auf § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Eine Verletzung des § 103 SGG durch unbegründete Übergehung eines Beweisantrages kommt nur dann in Betracht, wenn ein Beweisantritt im Sinne der einschlägigen Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) erfolgt; dh beim Zeugenbeweis müssen die Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll (§ 373 ZPO iVm § 118 Abs 1 SGG), und beim Sachverständigenbeweis die zu begutachtenden Punkte bezeichnet werden (§ 403 ZPO iVm § 118 Abs 1 SGG). Hiernach ist die Bezeichnung des Beweisthemas erforderlich, aber auch ausreichend. Erst dadurch wird das Gericht in die Lage versetzt, sich mit dem Beweisvorbringen eines Beteiligten auseinanderzusetzen und seine Auffassung "hinreichend" iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zu begrüßen. Ein Beweisthema hat der Kläger im vorliegenden Fall dem LSG nicht bekanntgegeben. Soweit er vorgetragen hat, daß er zur Ausübung der vom Sozialgericht in Betracht gezogenen Tätigkeiten außerstande sei, ist das LSG seinem Vortrag gefolgt. Im übrigen hat der Kläger vor dem LSG nicht dargelegt, welche Punkte der berufskundliche Sachverständige begutachten soll, insbesondere welche Tätigkeiten oder Arbeiten ihn etwa berufsspezifisch überfordern würden. Gerade dies wäre aber als Beweisthema für ein berufskundliches Gutachten in Frage gekommen. Seine gesundheitlich bedingte Leistungsfähigkeit dagegen wäre allenfalls Gegenstand einer medizinischen oder psychologischen Begutachtung gewesen, die der Kläger nicht beantragt hat.

Nach alldem war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659217

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