Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 13.05.1998; Aktenzeichen L 17 U 24/94)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Nordrhein Westfalen vom 13. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat dem Beklagten dessen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen Kürzungen seines Honorars für Sonderleistungen und allgemeine Laboruntersuchungen in den Quartalen IV/1991 bis IV/1994. Er führt die Zusatzbezeichnung „Homöopathie” und behandelte in den streitbefangenen Quartalen im (früheren) Primärkassenbereich bei überdurchschnittlichem Rentneranteil eine unterdurchschnittliche Zahl von Patienten. Die Überschreitungen bei den Sonderleistungen beliefen sich auf Werte zwischen 105 % und 129 %, bei den Laboruntersuchungen (nur Quartal IV/1991) auf 84 % und beim Gesamthonorar auf Werte zwischen 62 % und 73 %. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen hätten grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, im übrigen unbegründet.

Der Kläger hält zunächst für grundsätzlich bedeutsam, ob im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch dann, wenn der Arzt eine Zusatzbezeichnung führt und seine Praxis dementsprechend ausgerichtet ist, von der Einholung eines Prüfreferates seitens eines ähnlich arbeitenden Arztes abgesehen werden kann, soweit die Prüfgremien keine (der Zusatzbezeichnung entsprechende) engere Vergleichsgruppe gebildet haben. Die Beschwerde ist insoweit zwar zulässig, aber nicht begründet. Zur Klärung dieser Frage ist die Revision nicht zuzulassen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung kann nämlich die Revision nur zugelassen werden, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die klärungsbedürftig, klärungsfähig sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die oben wiedergegebene Rechtsfrage ist jedoch weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig.

Ihrer Klärungsfähigkeit steht entgegen, daß keine auf Bundesrecht beruhende Verpflichtung der Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht, in jedem Fall ein „Prüfreferat” einzuholen. Die Prüfgremien sind nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im Rahmen der gemäß § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V gesamtvertraglich zu vereinbarenden Prüfvereinbarung gehalten, den Sachverhalt im erforderlichen Umfang aufzuklären (vgl BSGE 77, 53, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 191). Welche Maßnahmen in diesem Zusammenhang erforderlich sind, entzieht sich regelmäßig einer vom jeweils zu beurteilenden Einzelfall ablösbaren generellen Festlegung und hängt im übrigen auch vom Inhalt der jeweils einschlägigen Prüfvereinbarung ab, die kein Bundesrecht iS des § 162 SGG darstellt.

Darüber hinaus ist die aufgeworfene Rechtsfrage auch nicht klärungsbedürftig, weil der Kläger sie nämlich lediglich für den Fall beantwortet wissen will, daß die Prüfgremien eine ihnen vorrangig obliegende Verpflichtung zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe nicht beachtet haben. Die Einholung eines Prüfreferates eines Arztes, dessen Praxisausrichtung derjenigen des zu prüfenden Arztes entspricht, sieht der Kläger als „Kompensation” für ein – fehlerhaftes – Unterlassen der Bildung einer engeren Vergleichsgruppe. Ob ein solches Prüfreferat einzuholen ist, könnte der Senat danach nur entscheiden, wenn die Prüfgremien an sich vorrangig zur Durchführung einer verfeinerten Vergleichsprüfung verpflichtet gewesen wären. Daß eine solche Verpflichtung im Fall des Klägers nicht bestanden hat, bedarf indessen keiner Klärung im Revisionsverfahren, weil es sich auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung des Senats ohne weiteres ergibt.

Der Kläger leitet aus dem Senatsurteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 58/94 – (in SozR 3-1300 § 16 Nr 1 nur teilweise abgedruckt) ab, ein Anspruch auf Zuordnung zu einer besonderen (engeren) Vergleichsgruppe bestehe dann, wenn der Arzt eine Zusatzbezeichnung führe und diese spezifische Ausrichtung das gesamte Praxisgeschehen bestimme. Dies trifft jedoch zumindest – was hier allein von Bedeutung ist – für die Gruppe der Allgemeinmediziner und praktischen Ärzte nicht zu. Der Senat hat in diesem Urteil unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung (BSGE 62, 24, 27 = SozR 3-2200 § 368n Nr 48 S 159) ausgeführt, die Notwendigkeit der Bildung engerer Vergleichsgruppen könne allenfalls begründet sein, wenn sich die Praxisstruktur eines allgemein medizinisch tätigen Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels wie des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebotes soweit von der Typik einer allgemein ärztlichen Praxis entfernt habe, daß der primärärztliche Versorgungsauftrag nicht mehr umfassend wahrgenommen werden könne (soweit in SozR 3-1300 § 16 Nr 1 nicht abgedruckt). Daß diese Voraussetzungen hier vorliegen, hat das Landessozialgericht nicht festgestellt, und der Kläger hat insoweit keine Verfahrensrügen erhoben.

Soweit der Kläger zudem die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, was ein Arzt, dessen Abrechnungswerte im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses liegen, tun könne bzw müsse, um seiner Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren zu genügen, wenn quartalsbezogene Patientenlisten nebst Angaben von Diagnosen und Behandlungsmaßnahmen insoweit nicht als ausreichend angesehen werden, ist die Beschwerde unzulässig. Es fehlt an der in § 160a Abs 2 Satz 3 SGG geforderten „Darlegung” der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, insbesondere ihrer Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit.

Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, wie abstrakt festgelegt werden könnte, auf welche Weise ein Arzt seiner Mitwirkungsobliegenheit jeweils angemessen nachkommen kann. Dies hängt entscheidend von den Umständen jedes einzelnen Falles, von den Besonderheiten der einzelnen Praxis sowie der Ausrichtung der ärztlichen Tätigkeit und von den Umständen ab, die die Prüfgremien aufgrund der ihnen obliegenden Sachverhaltsermittlung bereits festgestellt haben. Soweit der Kläger geklärt wissen will, ob die Prüfgremien die Vorlage einer Patientenliste mit der Angabe von Diagnosen und Behandlungen zur Dokumentation von Praxisbesonderheiten stets ausreichen lassen müssen, ist die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dargelegt. Es liegt nämlich auf der Hand, daß dann, wenn dies generell zugelassen werden müßte, die Prüfgremien regelmäßig zur Durchführung einer Einzelfallprüfung genötigt wären. Das stünde im Gegensatz zur Regelung des § 106 Abs 2 Nr 1 SGB V, wonach die Wirtschaftlichkeit der Versorgung vorrangig durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten geprüft wird (vgl BSGE 76, 53, 54 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145).

Soweit der Kläger allgemein die Rechtsfrage aufwirft, welche Anforderungen an die nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderliche, die statistische Betrachtung ergänzende intellektuelle Prüfung zu stellen sind, wird keine im Revisionsverfahren zu beantwortende Rechtsfrage hinreichend konkret bezeichnet. Auch insoweit ist die Beschwerde unzulässig.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175776

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