Orientierungssatz

Wird die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, daß das Berufungsgericht kein Prozeßurteil erlassen durfte, sondern im Hinblick auf § 150 Nr 2 SGG eine andere Entscheidung hätte treffen müssen, so hat der Beschwerdeführer darzulegen, wann und wo ein wesentlicher Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt worden ist.

 

Normenkette

SGG § 150 Nr 2, § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 29.01.1988; Aktenzeichen L 8 Al 308/86)

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig; ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn einer der drei abschließend in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Zulassungsgründe vorliegt. Zuzulassen ist die Revision hiernach, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) auf einer Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Der Beschwerdeführer meint, das LSG habe, statt seine Berufung als unzulässig zu verwerfen, den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) zurückverweisen müssen. Er stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde damit auf § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. In Fällen dieser Art ist in der Beschwerdebegründung der Verfahrensfehler des LSG zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), dh in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darzutun (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Das ist hier nicht geschehen.

Das LSG hat seine Entscheidung damit begründet, daß die Berufung als Höhenstreit dem Berufungsausschluß des § 147 SGG unterfalle und eine Ausnahme hiervon nicht gegeben sei, insbesondere nicht ein Fall des § 150 Nr 2 SGG; es liege kein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor, den der Kläger gerügt habe. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich aber weder, daß ein Fall des § 147 SGG nicht gegeben ist, noch, daß die Berufung des Klägers ungeachtet des § 147 SGG nach § 150 SGG zulässig war. Das gilt auch, soweit der Beschwerdeführer dem SG vorwirft, ihn nicht zur Beweisaufnahme geladen zu haben, den Verhandlungstermin nicht aufgehoben und ihn nicht auf einen Wechsel seiner Rechtsauffassung hingewiesen zu haben.

Allerdings stellt es einen Verfahrensmangel des LSG dar, wenn die Berufung als unzulässig verworfen wird, obwohl die Berufung zulässig war (BSG SozR 1500 § 144 Nr 1). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Berufung nach den §§ 144 bis 149 SGG ausgeschlossen ist und sich ihre Statthaftigkeit nur daraus ergibt, daß der Berufungskläger vor dem Berufungsgericht einen wesentlichen Verfahrensmangel des SG gerügt hat, der auch tatsächlich vorlag (§ 150 Nr 2 SGG; vgl BSGE 34, 236, 237 f). Wird die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch darauf gestützt, daß das Berufungsgericht kein Prozeßurteil erlassen durfte, sondern im Hinblick auf § 150 Nr 2 SGG eine andere Entscheidung hätte treffen müssen, hat der Beschwerdeführer nicht nur den oder die Verfahrensmängel des SG substantiiert darzutun. Er muß vielmehr auch darlegen, wann und wo ein wesentlicher Mangel des sozialgerichtlichen Verfahrens vor dem LSG gerügt worden ist. Denn da ein Verfahrensmangel des SG nach § 150 Nr 2 SGG nur dann zur Statthaftigkeit der an sich ausgeschlossenen Berufung führt, wenn er vor dem LSG gerügt worden ist (BSG SozR 1500 § 150 Nr 11), kann das LSG § 150 Nr 2 SGG nur verletzt haben, wenn eine Rüge erhoben worden ist. Wie der Beschwerdeführer beim übergangenen Beweisantrag (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) diesen so genau bezeichnen muß, daß er für das Bundessozialgericht (BSG) auffindbar ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5), gehört zur Zulässigkeit der Beschwerde in Fällen vorliegender Art die Angabe, wann und wo ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt worden ist. Es muß also dargetan werden, in welchem Schriftsatz oder in welcher Verhandlung vor dem LSG eine derartige Rüge geltend gemacht worden ist und welche Tatsachen vorgetragen worden sind, aus denen sich der Verfahrensmangel des SG ergibt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 55). Nur so entspricht die Beschwerdebegründung dem Erfordernis, das Revisionsgericht allein anhand dieser Begründung in die Lage zu versetzen, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Das ist hier nicht geschehen. Der Beschwerdebegründung ist nichts dazu zu entnehmen, wann und wie der Kläger vor dem LSG die behaupteten Verfahrensmängel des SG geltend gemacht hat. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Entscheidung, ob der Beschwerdeführer Verfahrensmängel des SG substantiiert dargetan hat.

Entspricht die Beschwerdebegründung somit nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665034

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