Leitsatz (amtlich)

Der auf Abschnitt 4 des Abkommens zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eV, Bonn, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften eV, Kassel, einerseits und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Köln, andererseits über die zahnärztliche Versorgung der Unfallverletzten und Berufskranken (Zahnärzteabkommen) vom 1952-01-25 idF der Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen vom 1958-02-19 (BG 1958, 169) und vom 1962-07-10 (BG 1962, 472) gestützte Anspruch eines Kassenzahnarztes auf Honorierung einer von der BG erbetenen Auskunft mit Befundbericht ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, über den im Streitfall als einer Angelegenheit der Sozialversicherung - aus dem Bereich der Unfallversicherung - die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit aufgrund einer Leistungsklage nach SGG § 54 Abs 5 zu entscheiden haben.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 54 Abs. 5 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1968 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf eine Gebühr von 7,20 DM für eine der Beklagten erteilte Auskunft.

Der Kläger ist Kassenzahnarzt und Mitglied der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Westfalen-Lippe. Am 22. Januar 1963 beauftragte ihn die Beklagte, für die Behandlung des Unfallverletzten Sch einen Heil- und Kostenplan aufzustellen. Ferner bat sie den Kläger um Auskunft, welche Angaben der Verletzte ihm - dem Arzt - gemacht habe und welche Zeichen einer Gewalteinwirkung festzustellen gewesen seien. Der Kläger übersandte der Beklagten am 23. Januar 1963 den Heil- und Kostenplan und teilte ihr die Angaben des Verletzten zum Unfallhergang sowie den erhobenen Befund mit. Als Honorar machte der Kläger 7,20 DM geltend. Die Beklagte teilte dem Kläger am 28. Januar 1963 mit, daß nach Abschnitt II Abs. 2 des Zahnärzteabkommens vom 25. Januar 1954 und den Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen vom 19. Februar 1958 und 10. Juli 1962 eine Gebühr für den Heil- und Kostenplan nicht in Ansatz zu bringen sei.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage durch Urteil vom 13. Juli 1965 als unzulässig abgewiesen. Bei der Gebührenforderung des Klägers handele es sich nicht um einen Anspruch aufgrund der Beziehungen zwischen Zahnärzten und Krankenkassen i.S. des § 51 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), sondern um einen privatrechtlichen Gebührenanspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehöre. Zwar könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) nach § 368 n Abs. 1 Satz 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch für andere Träger der Sozialversicherung weitere Aufgaben der kassenärztlichen Versorgung übernehmen, jedoch gehörten dazu nicht Abmachungen für ein Tätigwerden der Kassenärzte außerhalb der kassenärztlichen Versorgung, so daß insoweit eine Zuständigkeit der SG nicht gegeben sei.

Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 10. Oktober 1968 als unzulässig verworfen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Berufung sei gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht statthaft, weil sie einen Anspruch auf eine einmalige Leistung betreffe. Sie sei auch nicht nach § 150 Nr. 2 SGG zulässig. Zwar habe der Kläger als wesentlichen Verfahrensmangel gerügt, daß das SG zu Unrecht den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verneint habe, doch sei die Rüge nicht gerechtfertigt. § 51 Abs. 1 SGG finde keine Anwendung, da er die Zuständigkeit der SG nur für die dort angeführten Angelegenheiten begründe. Die Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen bzw. Berufsgenossenschaften fielen nicht darunter. Anderenfalls hätte es nicht der Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGG bedurft, der auch das Kassenarztrecht als Angelegenheit der Sozialversicherung behandele. Nach der gesetzlichen Definition gehörten dazu aber nur solche Streitigkeiten, die aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten bzw. Zahnärzten und Krankenkassen zu entscheiden seien. Die Beklagte sei aber keine Krankenkasse. Auch wenn sie verpflichtet sei, Heilbehandlung zu gewähren (§ 547 RVO), könne sie einer Krankenkasse nicht gleichgestellt werden. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit könne auch durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag begründet werden und vieles spreche dafür, daß das aufgrund der Ermächtigung des § 368 n Abs. 1 Satz 4 RVO abgeschlossene Zahnärzteabkommen ein solcher Vertrag sei. Ob dies auch für den Vertrag in seiner Gesamtheit zutreffe, brauche jedoch nicht entschieden zu werden, denn das Zahnärzteabkommen begründe nach seinem Inhalt keine unmittelbaren vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten. Da der Rechtsstreit keine Angelegenheit des Kassenarztrechts betreffe, sei auch die Rüge des Klägers, daß der Senat für Kassenarztrecht zuständig sei, nicht begründet. Mangels eines Verweisungsantrags habe nicht geprüft zu werden brauchen, ob der Zivilrechtsweg zulässig sei oder ob aus Teil V des Zahnärzteabkommens die Einrede herzuleiten sei, daß der Rechtsstreit durch Schiedsrichter entschieden werden müsse.

Gegen das am 6. Dezember 1968 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Januar 1969 Revision eingelegt und sie am 9. Januar 1969 begründet. Der Kläger rügt wesentliche Mängel des Verfahrens. Die Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges sei immer ein Verfahrensmangel. Das SG habe seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint. Gestützt auf § 51 SGG habe es gemeint, daß der Sozialrechtsweg weder durch Gesetz noch durch Vertrag begründet sei und das Zahnärzteabkommen nicht Angelegenheiten betreffe, für welche die SG zuständig seien. Diese Bestimmungen befaßten sich nur mit den Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen; die Berufsgenossenschaft sei aber keine Krankenkasse. Das angefochtene Urteil meine weiter, daß auch durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag der Rechtsweg zu den SG begründet sein könnte, ein solcher Vertrag aber nicht vorliege. Im übrigen beziehe er sich auf seine Stellungnahme zur Rechtslage in den Vorinstanzen. Ferner rügt der Kläger, daß Landessozialgerichtsrat Kühne im Berufungsverfahren als Berichterstatter tätig gewesen sei, ohne daß ihm die Aufgaben nach §§ 104, 106 bis 108 SGG gemäß § 155 SGG durch eine schriftliche Verfügung des Vorsitzenden übertragen worden seien. Ein weiterer Verfahrensmangel sei, daß die mündliche Verhandlung vor dem LSG am 10. Oktober 1968 entgegen § 112 Abs. 1 SGG nicht mit der Darstellung des Sachverhalts begonnen habe. Nach Aufruf der Sache sei vom Vorsitzenden des Senats sofort über die Zulässigkeit des Rechtsweges, über die Beschwer des Klägers und seinen Gebührenanspruch verhandelt worden. Nach einer Mittagspause habe sein Prozeßbevollmächtigter zur Sache und auf Aufforderung des Gerichts zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges Stellung genommen. Da seinem Prozeßbevollmächtigten Verfahren vor den SG nicht ungeläufig seien, sei ihm sofort das Unterbleiben der Darstellung des Sachverhalts aufgefallen. Er habe aber keine Gelegenheit gehabt, schon in der Verhandlung auf diesen Mangel hinzuweisen. Daß, wie es in der Sitzungsniederschrift vom 10. Oktober 1968 heiße, der Vorsitzende eine Darstellung des Sachverhalts gegeben habe, sei unrichtig. Er berufe sich insoweit auf das Zeugnis der an der Sitzung beteiligt gewesenen Richter, der Schriftführerin und der Prozeßvertreter der Beteiligten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1968 und des Urteils des SG Dortmund vom 13. Juli 1965 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 1963 zu verurteilen, an ihn 7,20 DM zu zahlen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1968 die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Sie trägt vor, es sei zweifelhaft, ob der Kläger den mit einem Verstoß gegen § 51 SGG begründeten Verfahrensmangel formgerecht gerügt habe. In der Revisionsbegründungsschrift beziehe er sich lediglich auf seinen früheren Vortrag in den beiden Rechtszügen. Ein Verfahrensmangel liege aber auch nicht vor, denn nach der gegenwärtigen Rechtslage seien Streitigkeiten zwischen Ärzten und den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nicht der Sozialgerichtsbarkeit unterworfen. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 155 SGG genüge nicht den Formvorschriften. Es sei vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb das LSG anders entschieden haben würde, wenn der Vorsitzende einen Berichterstatter bestellt hätte. Ebenfalls greife die Rüge eines Verstoßes gegen § 112 Abs. 1 SGG nicht durch. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätte bereits in der mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 1968 die nach seiner Behauptung unterbliebene Darstellung des Sachverhalts rügen können. Auch habe der Kläger nicht vorgetragen, daß dadurch die Entscheidung des LSG zu seinen Ungunsten beeinflußt worden sei.

II

Der Rechtsstreit war durch den erkennenden Senat zu entscheiden. Streitigkeiten, die aus dem Zahnärzteabkommen zwischen einem Kassenzahnarzt und einem Träger der Unfallversicherung entstehen, sind Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung - aus dem Bereich der Unfallversicherung - im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG. Eine Angelegenheit des Kassenarztrechts, die zwar nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG auch eine Angelegenheit der Sozialversicherung ist, aber von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in einer besonderen Besetzung (§ 12 Abs. 3 SGG) zu entscheiden ist, liegt nicht vor. Nach der gesetzlichen Definition gehören dazu nur die Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen (BSG 11, 1, 12; 21, 104, 106; 28, 218, 219), nicht aber diejenigen zwischen Ärzten, Zahnärzten und anderen Trägern der Sozialversicherung (§ 368 n Abs. 1 Satz 4 RVO).

Die vom LSG nicht zugelassene Revision ist zulässig und im wesentlichen begründet.

Das LSG hat die Berufung als unzulässig angesehen, weil der vom Kläger geltend gemachte Anspruch eine einmalige Leistung i.S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG betraf und die Berufung ungeachtet dieser Vorschrift auch nicht gemäß § 150 Nr. 2 SGG wegen eines wesentlichen Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens zulässig war. In der unter Hinweis auf § 51 SGG vorgebrachten Rüge des Klägers, daß die Abweisung der Klage durch das SG wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges ein wesentlicher Mangel des Verfahrens sei, liegt gleichzeitig die Rüge, das LSG habe zu Unrecht in der Abweisung der Klage als unzulässig keinen wesentlichen Mangel des Verfahrens i.S. des § 150 Nr. 2 SGG gesehen und damit seinerseits gegen Verfahrensvorschriften verstoßen (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Es hätte ungeachtet des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Berufung gemäß § 150 Nr. 2 SGG als zulässig ansehen und in der Sache entscheiden müssen. Bei einer Verletzung des § 150 Nr. 2 SGG, die ihrerseits auf einer Verkennung der Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 51 SGG beruht, brauchen in der Revisionsbegründung keine Tatsachen für die Möglichkeit angegeben zu werden, daß das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, da dies bereits aus der Art des Verfahrensmangels folgt (BGH in MDR 1961 S. 142 Nr. 55).

Das LSG hat zu Unrecht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zwar handelt es sich bei dem mit der Berufung verfolgten Anspruch (BSG in SozR Nr. 20 zu § 144 SGG) um den Anspruch auf eine einmalige Leistung i.S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG, und die Berufung wäre ungeachtet der Tatsache unzulässig, daß das SG durch Prozeßurteil entschieden hat (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 1 zu § 144). Da jedoch das SG die Klage unter Verkennung der Zulässigkeit des Rechtsweges (§ 51 SGG) als unzulässig abgewiesen hat, statt eine Sachentscheidung zu treffen, und sein Urteil damit an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens litt (BSG 1, 283; 15, 169, 172, BSG in SozR Nr. 46 zu § 51 SGG), hätte das LSG die Berufung ungeachtet des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG gemäß § 150 Nr. 2 SGG als zulässig ansehen und seinerseits in der Sache entscheiden müssen.

Für die Entscheidung über den Anspruch des Klägers ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.

Der Anspruch hat seine Rechtsgrundlage in dem Abkommen zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V., Bonn, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften e.V., Kassel, einerseits und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Köln, andererseits über die zahnärztliche Versorgung der Unfallverletzten und Berufskranken (Zahnärzteabkommen) vom 25. Januar 1954 idF der Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen vom 19. Februar 1958 (BG 1958, S. 169) und vom 10. Juli 1962 (BG 1962, S. 472). Nach § 558 Abs. 1 Nr. 1 RVO aF hat die Berufsgenossenschaft bei Verletzung Krankenbehandlung zu gewähren, die nach § 558 b Nr. 1 RVO aF ärztliche Behandlung umfaßt. Dazu hatte der Reichsarbeitsminister aufgrund der Ermächtigung des § 558 g Abs. 1 RVO aF in der Verordnung über Krankenbehandlung und Berufsfürsorge in der Unfallversicherung vom 14. November 1928 (RGBl I 387) in § 33 Abs. 3 bestimmt, daß unbeschadet der gesetzlichen Verantwortlichkeit der Versicherungsträger für die Durchführung des Heilverfahrens die Beziehungen zwischen den Versicherungsträgern und den sonstigen an der Durchführung des Heilverfahrens beteiligten Stellen durch Arbeitsgemeinschaften und Abkommen geregelt werden sollen (vgl. jetzt §§ 547, 557 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 RVO). Ein solches Abkommen zur Durchführung des Heilverfahrens (jetzt: Heilbehandlung) ist das Zahnärzteabkommen. Es soll, wie es in seiner Einleitung heißt, die zahnärztliche Versorgung der Unfallverletzten und Berufskranken sicherstellen, für welche die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Leistungen nach den Vorschriften der RVO gewähren. Das Zahnärzteabkommen dient damit der Verwirklichung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Beklagten, es bezieht sich auf einen Gegenstand des öffentlichen Rechts und ist daher ein öffentlichrechtlicher Vertrag (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, 9. Aufl., S. 268). Der Vertrag liegt aber auch im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgaben der KV. Diese haben nach § 368 n Abs. 1 RVO nicht nur die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung sicherzustellen, sondern sind nach § 368 n Abs. 1 Satz 4 RVO mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde auch ermächtigt, weitere Aufgaben der ärztlichen Versorgung, insbesondere für die Ersatzkassen und für andere Träger der Sozialversicherung, zu übernehmen. Dabei kommen nur Aufgaben öffentlich-rechtlicher Versorgungs(Versicherungs-)ansprüche in Betracht (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, Anm. 7 zu § 368 n RVO; Jantz/Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, Anm. 6 zu § 368 n RVO; Knoll/Schieckel, RVO-Gesamtkommentar, Anm. 8 zu § 368 n RVO). Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat als Aufsichtsbehörde der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (§ 368 k Abs. 3 Satz 2 RVO) dem Zahnärzteabkommen am 12. Dezember 1955 zugestimmt (Gesch.-Z.: IV a 3 - 16488/55). Das Abkommen ist auch für den Kläger als Mitglied der KZV Westfalen Lippe verbindlich. Die Satzungen der KZV müssen nach § 368 m Abs. 2 RVO Bestimmungen enthalten, nach denen die von der Bundesvereinigung abgeschlossenen Verträge für die Mitglieder der KZV verbindlich sind. Die Satzung der KZV Westfalen Lippe enthält in § 5 Abs. 4 eine solche Bestimmung. Zu Unrecht meint das LSG, daß es an einer für die Mitglieder der KZV verbindlichen Regelung fehle, weil sich die Vertragspartner in der Einleitung des Abkommens verpflichtet haben, ihre Mitglieder zur Befolgung des Abkommens mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln anzuhalten. Darin ist ein Hinweis auf die der KZV als Träger der mittelbaren Staatsverwaltung zur Verfügung stehenden hoheitlichen Mittel zu sehen, durch die eine KZV ihre Mitglieder zur Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten erforderlichenfalls anzuhalten hat (§ 368 m Abs. 4 RVO). Die Verbandsgewalt der KZV beschränkt sich nicht nur auf die Durchführung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben der kassenzahnärztlichen Versorgung, sondern erstreckt sich auch auf die Sicherstellung der von ihr (vertraglich) übernommenen weiteren Aufgaben der ärztlichen Versorgung (§ 368 n Abs. 1 Satz 4 RVO). Denn die Übernahme weiterer Aufgaben der ärztlichen Versorgung bedeutet jedenfalls in den Fällen, in denen die ärztliche Versorgung von einem Träger der Sozialversicherung zu gewähren ist und damit zum Aufgabenbereich der öffentlichen Hand gehört, eine Erweiterung des körperschaftlichen Wirkungskreises der KV, nicht eine Tätigkeit außerhalb ihres Verbandszwecks (BSG 11, 1,6).

Die durch das Zahnärzteabkommen zwischen den Trägern der Unfallversicherung und den Kassenzahnärzten begründeten Rechtsbeziehungen sind öffentlich-rechtlicher Art, auch soweit es den Honoraranspruch des einzelnen Kassenzahnarztes betrifft. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, daß öffentliche Aufgaben in privatrechtlicher Form durchgeführt werden (BSG 21, 104, 109 f). Das ist jedoch hier nicht der Fall. Kennzeichnend für die Beziehungen zwischen den Trägern der Unfallversicherung und den Kassenzahnärzten ist, daß das Abkommen nicht lediglich auf die Vermittlung ärztlicher Dienste zu vereinbarten Bedingungen gerichtet ist, sondern auf die Sicherstellung und Gewährleistung einer Versorgungsaufgabe durch die KZV kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation (Hess/Venter, Das Gesetz über Kassenarztrecht, Anm. II 3 zu § 368 n RVO). Die Beziehungen zwischen dem Unfallversicherungsträger und dem Kassenarzt entstehen im Einzelfall nicht aufgrund eines zwischen ihnen abzuschließenden Dienstvertrages. Allein die Tatsache, daß der Kassenzahnarzt einen Unfallverletzten oder Berufskranken behandelt, dem der Träger der Unfallversicherung Krankenbehandlung (Heilbehandlung) zu gewähren hat, begründet seinen Anspruch auf Gebühren nach dem Zahnärzteabkommen (vgl. den öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruch der Hebamme, BSG 10, 260, 262). Dabei ist es unerheblich, daß die Berufsgenossenschaft vom Beginn einer Kieferbehandlung zu unterrichten ist und die prothetische Behandlung ihrer Einwilligung bedarf (I B Nr. 2 des Zahnärzteabkommens). Öffentlich-rechtlich ist aber nicht nur der Honoraranspruch des Kassenzahnarztes für die erbrachten zahnärztlichen Leistungen, sondern auch für die ihm durch das Abkommen auferlegten sonstigen Verpflichtungen, wie der Erstattung von Auskünften, Berichten und Gutachten (Abschnitt IV des Zahnärzteabkommens).

Da der freiberuflich tätige Kassenzahnarzt dem Träger der Unfallversicherung nicht in einem Verhältnis der Eingliederung oder Unterordnung gegenübersteht, wird über seinen Honoraranspruch nicht durch Verwaltungsakt entschieden. Im Streitfall ist daher die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig (vgl. hinsichtlich der Hebamme BSG 10, 260, 263).

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht ausgeschlossen, weil, wie die Beklagte meint, Abschnitt V des Zahnärzteabkommens die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens enthält und sie die prozeßhindernde Einrede gemäß § 274 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erhoben habe, daß der Rechtsstreit durch Schiedsrichter zu entscheiden sei. Diese Ansicht ist schon deshalb nicht zutreffend, weil nach Abschnitt V Streitigkeiten, die sich aus der Durchführung des Abkommens ergeben, nur in Besprechungen zwischen der örtlichen KZV und dem zuständigen Landesverband der Berufsgenossenschaften und im Falle einer nicht zustande gekommenen Einigung durch die beiden Spitzenverbände (die Vertragspartner) zu schlichten sind, der einzelne Kassenzahnarzt oder die einzelne Berufsgenossenschaft somit nicht Parteien eines solchen Verfahrens sind.

Ist die Revision somit statthaft und zulässig, kommt es nicht mehr darauf an, ob sie auch wegen der weiteren vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen statthaft sein würde.

Die Revision des Klägers ist auch insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war. Das LSG wird nunmehr, da die Berufung zulässig war, über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch sachlich zu entscheiden haben. Der Senat konnte nicht selbst entscheiden, weil aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht ersichtlich ist, wie sich die vom Kläger geforderte Gebühr, die Teil II Ziffer 15 der Preugo zu entnehmen ist (Abschnitt IV des Zahnärzteabkommens), zusammensetzt. Bei der erneuten Entscheidung des LSG ist auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

BSGE, 236

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