Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 09.09.1998)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. September 1998 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der 1934 geborene Kläger ist luxemburgischer Staatsangehöriger. Seinen im Dezember 1992 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit lehnte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit der Begründung ab, zwar liege beim Kläger seit 1. Oktober 1992 Erwerbsunfähigkeit vor, jedoch habe der Kläger seinen letzten Beitrag für Dezember 1964 entrichtet, so daß die sog versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht vorlägen; der luxemburgische Versicherungsträger Caisse de Pension des Employés Privés (CPEP) habe ihr mit Formblatt E 205 mitgeteilt, in Luxemburg bestünden keine Versicherungszeiten des Klägers mehr: Die Caisse de Prévoyance des Fonctionnaires et Employés Communaux (CPFEC), die selbst kein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ist, habe ihr mitgeteilt, daß die Arbeiter- und Angestelltenzeiten des Klägers bis Dezember 1989 von ihr übernommen worden seien, sie dem Kläger unter Anrechnung auch dieser Zeiten eine Pension gewähre und der Kläger in den letzten drei Jahren Beamter gewesen sei (Bescheid vom 15. Juli 1993, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1995). Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.

Das LSG führte im wesentlichen aus, zwar sei der Kläger seit 1. Oktober 1992 erwerbsunfähig, sein Anspruch auf Rente scheitere jedoch am Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, da die von ihm in Luxemburg zurückgelegten Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht nach Art 45 Abs 1 VO 1408/71 anrechenbar seien. Die CPFEC rechne die in Luxemburg absolvierten Versicherungszeiten des Klägers in deren System an. Damit seien die Versicherungszeiten des Klägers in Luxemburg in die Beamtenversorgung überführt worden, dh in ein System, das nicht der Sozialversicherung angehöre. Da die luxemburgischen Versicherungszeiten innerstaatlich nicht mehr als solche anerkannt seien, könnten sie auch in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr als Versicherungszeiten gelten, denn die bei der Beamtenversorgung berücksichtigten Zeiten würden nicht als Versicherungszeiten iS von Art 1 Buchst r VO 1408/71 gelten (Urteil vom 9. September 1998).

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat keinen der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG in der gebotenen Weise dargetan (vgl § 160a Abs 2 Satz 2 SGG).

Der Kläger hat eine Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG gerügt und hierzu im wesentlichen ausgeführt, das LSG sei verpflichtet gewesen, zu Art 38 Abs 1 letzter Halbsatz VO 1408/71 eine Begründung zu geben. Hieran fehle es. Diese Vorschrift besage eindeutig, daß zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes des allgemeinen Systems (gesetzliche Rentenversicherung) der zuständige Träger des Mitgliedstaates die Versicherungs- und Wohnzeiten in einem anderen Mitgliedstaat zu berücksichtigen hat, und es dabei unwesentlich sei, ob diese in einem allgemeinen oder in einem Sondersystem, in einem System für Arbeitnehmer oder in einem System für Selbständige zurückgelegt worden sind. Aufgrund des Fehlens der Begründung sei das LSG-Urteil revisionsrechtlich nicht überprüfbar und schon daher aufzuheben. Der Begründungsmangel sei wesentlich, denn auf ihn könne die Entscheidung beruhen. Hätte sich das LSG mit Art 38 Abs 1 VO 1408/71 auseinandergesetzt, hätte es feststellen müssen, daß europarechtlich die Beamtenzeiten des Kläger zu berücksichtigen seien. Hätte das LSG hieran Zweifel gehabt, hätte es den Rechtsstreit dem EuGH vorlegen müssen.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger keinen Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann. Ein – abweisendes – Urteil enthält die in § 136 Abs 1 Nr 6 SGG geforderten Entscheidungsgründe, wenn mindestens die angewandte Rechtsnorm bezeichnet und angegeben ist, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen ein Tatbestandsmerkmal dieser Norm nicht vorliegt (vgl BSG Urteil vom 15. November 1988 – 4/11a RA 20/87, SozR 1500 § 136 Nr 10). Nicht mit Entscheidungsgründen versehen ist ein Urteil, wenn ihm solche Gründe objektiv nicht entnommen werden können, etwa weil die angeführten Gründe objektiv unverständlich oder verworren sind oder nur nichtssagende Redensarten enthalten oder zu einer von einem Beteiligten aufgeworfenen, eingehend begründeten und – nach der Auffassung des Gerichts – für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage nur ausgeführt wird, daß die Auffassung nicht zutreffe (vgl BSG SozR Nr 9 zu § 136 SGG; SozR 1500 § 136 Nr 8). Hierfür hat der Kläger nichts dargetan. Eine Entscheidung ist dagegen nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz faßt und nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abgehandelt hat. Die Begründungspflicht ist selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen Geschehen falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sind. Auch braucht ein Gericht nicht zu Fragen Stellung zu nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt (BSG Beschluß vom 21. Dezember 1987 – 7 BAr 61/84).

Daß das LSG in seinem Urteil keinerlei Entscheidungsgründe angeführt hätte, weshalb es die Berufung zurückgewiesen hat, macht der Kläger nicht geltend. Er beanstandet lediglich, daß das Urteil zu einer bestimmten Vorschrift keine Ausführungen enthalte. Damit wendet sich der Kläger letztlich gegen die Entscheidung des LSG in der Sache, nicht gegen den Weg, auf dem das LSG zu seinem Ergebnis gelangte. Einwendungen gegen die Entscheidung des LSG in der Sache (behauptete fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts) können nicht Gegenstand eines Zulassungsgrundes nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sein. Der Kläger rügt, das LSG habe Art 38 Abs 1 letzter Halbsatz VO 1408/71 nicht beachtet und deshalb falsch entschieden. Er trägt hingegen nicht vor, nach der bei einer Verfahrensrüge iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG allein maßgeblichen materiellen Rechtsansicht des LSG sei es für dieses Gericht entscheidend auf die vorgenannte Bestimmung angekommen, jedoch habe das LSG dennoch hierzu keine das Nichteingreifen der Vorschrift erläuternde Begründung gegeben. Der in der Beschwerdebegründung aufgeführte Grundsatz, „das Gericht habe unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, ob der Anspruch gegeben oder nicht gegeben ist”, gehört – ungeachtet dessen, ob er in dieser Form zutrifft, selbst dem „materiellen” Recht an.

Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG hat der Kläger ebenfalls nicht dargetan.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175586

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