Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. mehrere Urteilsbegründungen

 

Orientierungssatz

Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Blick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund formgerecht gerügt wird und tatsächlich vorliegt (vgl BSG vom 24.9.1980 - 11 BLw 4/80 = SozR 1500 § 160a Nr 38).

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 16.10.1987; Aktenzeichen L 1 An 55/86)

 

Gründe

Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) ua nur zulassen, wenn - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - das Urteil des LSG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Die - behauptete - sachliche Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund.

Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, bezeichnet werden. Genügt eine Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht dargelegt. Sie hält in dem um die Zulassung der Nachentrichtung von Beiträgen geführten Rechtsstreit die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen die Beklagte oder die Beigeladene daraus ergeben könne, daß der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund als öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsanstalt in der DDR die Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Berlin für den Geburtsjahrgang 1912 pflichtwidrig bereits vernichtet habe. Da eine Rechtsfrage in einer Rechtssache nur dann grundsätzliche Bedeutung hat, wenn sie klärungsbedürftig ist, hätte die Klägerin im einzelnen darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 59 mwN). Dazu hätte sich die Klägerin auch insbesondere deswegen gedrängt fühlen müssen, weil in der Rechtsprechung des BSG (BSGE 41, 126 = SozR 7610 § 142 Nr 5; BSGE 51, 89 = SozR 2200 § 381 Nr 44; ständige Rechtsprechung) ein solcher Anspruch nur anerkannt worden ist, wenn ein Leistungsträger iS des § 12 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 1) oder eine andere Behörde in der Bundesrepublik, die mit einem solchen Leistungsträger im Verwaltungsverfahren nach gesetzlichem Plan arbeitsteilig zusammenwirkt, rechtswidrig zum Nachteil des Versicherten gehandelt hat. Außerdem hätte die Klägerin den nach ihrer Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darstellen müssen, der die Entscheidung der von ihr als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Hierzu fehlen Ausführungen.

Soweit die Klägerin rügt, das LSG sei vom Urteil des BSG vom 22. Mai 1985 (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 60) iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG abgewichen, hat sie die "Entscheidung", von der das Urteil des LSG angeblich abweicht, nicht hinreichend bezeichnet. Sie rügt zum einen, das Urteil des LSG habe die Erweiterung des zur Nachentrichtung berechtigten Personenkreises lt dem genannten Urteil des BSG nicht beachtet; es habe nämlich die Frage nicht aufgeworfen, welche Umstände beim Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin vorgelegen hätten. Dieser Vortrag läßt nicht erkennen, mit welchem für seine Entscheidung tragenden konkreten Rechtssatz das LSG von welchem tragenden konkreten Rechtssatz in dem Urteil des BSG abgewichen ist (dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 29). Gleiches gilt für ihr weiteres Vorbringen, aus der neueren Rechtsprechung des BSG folge, sie dürfe nicht schlechtergestellt werden als diejenigen Verfolgten, die nicht Bürger eines fremden Staates geworden seien.

Im übrigen trägt das angefochtene Urteil - auch - die weitere Begründung (Bl 10), die Klägerin sei schon deswegen nicht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10a des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) oder nach Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) berechtigt, weil sie die erforderlichen Nachentrichtungsanträge nicht bis zum 31. Dezember 1975 gestellt habe. Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Blick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund formgerecht gerügt wird und tatsächlich vorliegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 38). In bezug auf diese Begründung hat der Kläger in der Beschwerde nichts vorgebracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665709

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