Leitsatz (amtlich)

Betrifft die mit der Beschwerde nach § 160a SGG gerügte Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG eine vor einer Rechtsänderung ergangene Rechtsprechung des Revisionsgerichts, so erfordert die formgerechte Bezeichnung des Zulassungsgrundes die schlüssige Darlegung, warum die frühere Rechtsprechung für das im Streitfalle maßgebliche geänderte Recht erheblich geblieben ist.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 3

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 05.06.1985; Aktenzeichen L 08/Al 0148/84)

SG Landshut (Entscheidung vom 10.04.1984; Aktenzeichen S 06/Al 0069/83)

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Der Kläger macht zur Begründung der Beschwerde geltend, das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) weiche von der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 12/78 - ab (§ 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Das Vorbringen des Klägers hierzu zeigt den behaupteten Zulassungsgrund nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise auf. Es fehlt an der schlüssigen Darlegung, daß das Urteil des LSG auf der behaupteten Abweichung beruht (vgl dazu Hennig/Danckwerts/König, SGG, § 160a Erl 7.8.5., § 160 Erl 8.3., jeweils mwN).

Das LSG hat den vom Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1983 erhobenen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) mit der Begründung verneint, der Kläger stehe der Arbeitsvermittlung nicht im Sinne von § 103 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zur Verfügung. Es hat ausgeführt, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nur noch sechs stunden täglich, 30 Stunden wöchentlich arbeiten könne und daß auf dem für ihn erreichbaren Teilarbeitsmarkt entsprechende Teilzeitarbeitsplätze - frei oder besetzt - in nennenswerter Zahl nicht vorhanden seien. Dazu macht der Kläger geltend, auf die Marktüblichkeit von Teilzeitarbeitsplätzen komme es gar nicht an. Das LSG sei mit seiner entgegenstehenden Rechtsauffassung von der oa Entscheidung des BSG (BSG SozR 4100 § 103 Nr 23) abgewichen, wonach es nicht erforderlich sei, daß es Teilzeitarbeit auf dem maßgeblichen Arbeitsmarkt überhaupt gebe.

Dieses Vorbringen zeigt nicht auf, daß das Urteil des LSG auf der behaupteten Abweichung beruht. Die oa Entscheidung des BSG ist zur Anwendung des § 103 Abs 1 Satz 2 AFG in der Fassung vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 (BGBl I 1469 -SGB 10-) am 1. Januar 1981 ergangen. Diese lautete: "Nummer 1 gilt nicht hinsichtlich der Arbeitszeit; Lage und Verteilung der Arbeitszeit müssen jedoch den Bedingungen entsprechen, zu denen Beschäftigungen der in Betracht kommenden Art üblicherweise ausgeübt werden". Demgegenüber hat der § 103 Abs 1 Satz 2 AFG seit dem 1. Januar 1981 folgenden Wortlaut: "Die Dauer der Arbeitszeit braucht nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu entsprechen, wenn der Arbeitslose wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben kann". Da für den vorliegenden Streitfall der § 103 Abs 1 Satz 2 AFG idF des SGB 10 anzuwenden ist, genügt für die Darlegung einer Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht die Behauptung, das LSG sei von einer vor der Rechtsänderung ergangenen Entscheidung des BSG abgewichen. Divergenz setzt Erheblichkeit der Entscheidung des BSG für den zur neuen Entscheidung anstehenden Sachverhalt voraus. Das kann ohne weiteres nur dann angenommen werden, wenn sowohl die frühere Entscheidung des BSG als auch die im anhängigen Verfahren ergangene Entscheidung des LSG dieselbe Rechtslage betreffen. Darf sich hingegen das LSG für seine abweichende Auffassung rechtfertigend auf eine zwischenzeitliche Rechtsänderung berufen, liegt keine Divergenz vor (vgl BVerwG DVBl 1961, 745; vgl auch Hennig/Danckwerts/König, SGG, Erl 8.6. zu § 160). Für die Zulassung der Revision gem § 160a SGG fehlt es folglich an der auch hier erforderlichen Klärungsbedürftigkeit, wenn die Divergenz eine ältere, inzwischen überholte Rechtsprechung des Revisionsgerichts betrifft (BVerwG Buchholz 310 § 132 Nr 145 = 421.0 Prüfungswesen Nr 72).

Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die frühere Rechtsprechung auch für die nach der Rechtsänderung bestehende Rechtslage eine entscheidungserhebliche Bedeutung behalten hat. In diesem Falle kann die Entscheidung des LSG auf einer (fortbestehenden) Abweichung von jener Rechtsprechung  beruhen. Die formgerechte Bezeichnung einer solchen Abweichung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) erfordert dann jedoch die schlüssige Darlegung, daß und warum die frühere revisionsgerichtliche Rechtsprechung auch für die geänderte Rechtslage bedeutsam geblieben ist.

Daran fehlt es hier. Das LSG hat - im übrigen unstreitig - festgestellt, daß die zeitlich eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Klägers auf gesundheitlichen Ursachen beruht. Nach dem für den vorliegenden Fall maßgeblichen Wortlaut des § 103 Abs 1 Satz 2 AFG soll eine Beschränkung auf Teilzeitarbeit für die Verfügbarkeit nur dann unschädlich sein, wenn der Arbeitslose wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen keine Vollzeitarbeit leisten kann. Der Kläger hätte mithin darlegen müssen, warum die oa Entscheidung des BSG zu der früheren, diese Einschränkung nicht enthaltenden Fassung auch für die nunmehr zugrunde zu legende Fassung des Gesetzes bedeutsam geblieben ist. Dafür bestand um so mehr Anlaß, als die oa Entscheidung des BSG einen Fall betraf, in dem sich der Kläger wegen Betreuung seiner schulpflichtigen Kinder auf Teilzeitarbeit beschränkt hatte.

Da das Beschwerdevorbringen zur fortbestehenden Erheblichkeit der Rechtsprechung des BSG keine Ausführungen enthält, ergibt es nicht die behauptete Divergenz.

Die Beschwerde muß deshalb als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657514

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