Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtssache. Grundsätzliche Bedeutung. Höchstrichterliche Klärung. Widerspruch. Ablehnung. Krankenpflegeverordnung. Folgeverordnung. Dieselbe Angelegenheit. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.

2. Als höchstrichterlich geklärt gilt eine Rechtsfrage, die das Revisionsgericht noch nicht ausdrücklich entschieden hat, auch dann, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage ergeben.

3. Die Rechtsfrage, „ob es sich bei Widersprüchen gegen die Ablehnung von Krankenpflegeverordnungen und Folgeverordnungen um ‚dieselbe Angelegenheit’ im Sinne des RVG handelt”, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 Sätze 1-2, § 169 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 09.02.2017; Aktenzeichen L 1 KR 111/16)

SG Gießen (Entscheidung vom 20.01.2016; Aktenzeichen S 9 KR 192/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Das Hessische LSG hat mit Urteil vom 9.2.2017 die Verurteilung der beklagten Krankenkasse auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 229,08 Euro für ein isoliertes Vorverfahren nach § 63 SGB X sowie die Klageabweisung im Übrigen bestätigt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt: Bei den vom Kläger erhobenen Widersprüchen gegen die Ablehnungsbescheide vom 13.8. und 27.8.2013 habe es sich nicht um "dieselbe Angelegenheit" iS von § 15 Abs 2 RVG gehandelt, sodass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Erstattung der zur Zweck entsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erhebung des Widerspruchs vom 9.9.2013 gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 27.8.2013 gehabt habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Beklagte Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beklagte den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht formgerecht dargelegt hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 1 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Beklagte hält für grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage,

"ob es sich bei Widersprüchen gegen die Ablehnung von Krankenpflegeverordnungen und Folgeverordnungen um 'dieselbe Angelegenheit' im Sinne des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) handelt".

Die Beklagte meint, das BSG habe in seiner bisherigen Rechtsprechung den Begriff "dieselbe Angelegenheit" noch nicht hinreichend geklärt. Die bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung (Hinweis auf BSG Urteile vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R - SozR 4-1935 § 15 Nr 1; vom 21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5, vom 17.3.2005 - B 3 KR 35/04 R - BSGE 94, 205 = SozR 4-2500 § 37 Nr 4 und vom 17.10.2007 - B 6 KA 4/07 R - SozR 4-1935 § 17 Nr 1) enthielte keine Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage, ob zeitlich aufeinander folgende Verordnungen von häuslicher Krankenpflege "dieselbe Angelegenheit" iS des RVG seien.

Als höchstrichterlich geklärt gilt eine Rechtsfrage, die das Revisionsgericht noch nicht ausdrücklich entschieden hat, auch dann, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage ergeben (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 mwN).

Es kann offenbleiben, ob die Beklagte in der Beschwerdebegründung die von ihr selbst zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend ausgewertet und substantiiert vorgetragen hat, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage der grundsätzlichen Bedeutung noch nicht beantwortet hat.

Denn es fehlt in jeder Hinsicht an der notwendigen Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der gestellten Frage. Der Beschwerdebegründung lassen sich weder Inhalt noch Feststellungen des angegriffenen Berufungsurteils entnehmen. Die Wiedergabe des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils fehlen völlig; das Urteil des LSG findet dort gar keine Erwähnung. Im Revisionsverfahren geht es aber nicht darum, abstrakte Rechtsfragen losgelöst von dem durch das LSG entschiedenen Fall zu beantworten. Im Hinblick auf die hier aufgeworfene Frage hat das BSG betont, dass es zur Bestimmung, ob "dieselbe Angelegenheit" vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags ankommt (vgl BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R - SozR 4-1935 § 15 Nr 1 RdNr 15). Diese Umstände sind an keiner Stelle der Beschwerdebegründung dargelegt und daher ist dem Senat eine Prüfung verwehrt, ob die aufgeworfene Problematik im angestrebten Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11205289

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