Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22.09.1999)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 1999 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Beschluß des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) gerichtete und auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat der Kläger nicht hinreichend Rechnung getragen.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe, ohne die von ihm angekündigte ergänzende Stellungnahme des nach § 109 SGG gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr. A. … abzuwarten, durch Beschluß gemäß § 153 Abs 4 SGG entschieden und dadurch sein Recht auf rechtliches Gehör (§§ 62, 128 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫) verletzt, hat er einen Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht aufgezeigt, weil nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann. Der Ausschluß nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG gilt nach der eindeutigen Fassung des Gesetzes uneingeschränkt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 34). Dazu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß von einer Revisionszulassung grundsätzlich alle Entscheidungen des Berufungsgerichts ausgeschlossen sind, die eine fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG aufweisen, unabhängig davon, worauf dieser Verfahrensmangel im einzelnen beruht (BVerfG SozR 1500 § 160 Nr 69). Da eine auf § 109 SGG gestützte Rüge in jedem Falle unzulässig ist, betrifft dies auch die Rügen des Klägers, durch die unterbliebene Stellungnahme des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen seien § 103 SGG sowie das Gebot der fairen Verfahrensgestaltung verletzt worden.

Die Rüge des Klägers, der Sachverständige Dr. O. … hätte zur Erläuterung seines Gutachtens zu einem Verhandlungstermin geladen werden müssen, ist schon deshalb nicht schlüssig im obigen Sinne dargelegt, weil sie sich – wie der Kläger selbst vorträgt – lediglich auf einen im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Beweisantrag bezieht. Eine Pflicht des Senatsvorsitzenden beim LSG, den Kläger darauf hinzuweisen, einen entsprechenden Antrag vor dem LSG zu stellen, um ihm so die Revisionsmöglichkeiten nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zu sichern, läßt sich aus § 106 SGG nicht herleiten (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13).

An der schlüssigen Darlegung fehlt es schließlich auch, soweit der Kläger eine Verletzung des § 202 SGG iVm § 194 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie des Art 19 Abs 4 GG rügt. Insoweit trägt er vor, vor dem Erlaß des angefochtenen Beschlusses habe zwingend eine Beratung und eine Abstimmung stattzufinden. Demnach hätte der Senat des LSG am 22. September 1999, dem Tag des Beschlußerlasses, zusammengetreten sein, die Angelegenheit beraten und abgestimmt haben müssen. Anschließend hätte der Berichterstatter die Gründe des Beschlusses anhand der Beratung absetzen müssen. Sodann hätte der Beschluß geschrieben, möglicherweise korrigiert und unterschrieben und anschließend auf dem Postweg versandt werden müssen. Dies sei innerhalb eines Tages unmöglich. Es sei deshalb davon auszugehen, daß die Begründung des Beschlusses bereits vorgefertigt, ausgearbeitet und geschrieben gewesen sei und ab dem 22. September 1999 nicht mehr eine ernsthafte Prüfung und Abstimmung zum Gegenstand gehabt habe.

An der schlüssigen Darlegung eines Verstoßes gegen § 202 iVm § 194 GVG mangelt es bei diesem Vorbringen des Klägers schon deshalb, weil er nicht berücksichtigt hat, daß der angefochtenen Beschluß im sogenannten Umlaufverfahren, dh durch schriftliche Beratung und Abstimmung aufgrund eines Beschlußentwurfs, zustande gekommen sein kann. Ein solches Verfahren ist bei Beschlüssen nach § 153 Abs 4 SGG jedenfalls dann zulässig, wenn sämtliche an der Entscheidung beteiligten Richter mit dieser Form der Beratung und Abstimmung einverstanden sind; denn damit ist sichergestellt, daß, falls ein Richter dies beantragt oder sich ein neuer Gesichtspunkt ergibt, jederzeit in eine mündliche Beratung gemäß § 194 GVG eingetreten werden kann (vgl Bundesverwaltungsgericht Beschluß vom 23. September 1991 – 2 B 99/91 – NJW 1992, 257; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 153 RdNr 18). Die auf Art 19 Abs 4 GG gestützte Rüge des Klägers scheitert schon daran, daß er eine Rechtsverletzung durch das LSG nicht schlüssig dargetan hat.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

SozSi 2000, 363

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