Beteiligte

1)Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagte und Revisionsklägerin, - 4 RJ 319/74 = - 2)Klägerin und Revisionsbeklagte, Prozeßbevollmächtigter: gegen Beklagte und Revisionsklägerin, - 12 RJ 356/74 = GS 3/75 - 3)Klägerin und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

A.

I 1. Vorlage des 4. Senats in Sachen B… ./. LVA…

- 4 RJ 319/74 -

a)

Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Die im Jahre 1912 geborene Klägerin begehrt von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).Die Klägerin ist ungelernte Arbeiterin. In der Zeit von 1926 bis 1965 war sie als Hausgehilfin, Ziegeleiarbeiterin, landwirtschaftliche Arbeiterin, Fabrikarbeiterin, Wäschereiarbeiterin und Arbeiterin in einer Weinkellerei versicherungspflichtig beschäftigt. Seither geht sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Sie ist in ihrer Erwerbsfähigkeit durch Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, arthrotische Veränderungen beider Hüft- und Kniegelenke und eine eingeschränkte Greiffähigkeit der Finger der linken Hand beeinträchtigt. Ihr mangelt es an Handgeschick und körperlicher Belastbarkeit sowie an Konzentrations- und Reaktionsvermögen. Sie ist nur noch fähig, körperliche Arbeiten leichter Art im Wechsel von Sitzen und Stehen etwa fünf bis sechs Stunden täglich auszuüben, sofern es sich nicht um Akkord- und Fließbandarbeiten oder solche Arbeiten handelt, die eine normale Greiffunktion der linken Hand erfordern. Sie kann keine Arbeiten in der industriellen Fertigung, im Büro sowie im Dienstleistungs-, Reinigungs- und handwerklichen Sektor verrichten. Mit Bescheid vom 24. Februar 1971 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 1. Februar 1971 an Rente wegen EU zu gewähren. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) aufgehoben und den Rechtsstreit an dieses Gericht zurückverwiesen. Die Ausschöpfung weiterer Erkenntnisquellen sei notwendig.

Nach weiteren Ermittlungen hat das LSG die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen und die Revision wiederum zugelassen. Es hat angenommen, daß der Klägerin der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen, sie also erwerbsunfähig sei.Mit ihrer Revision wendet sich die Beklagte vor allem dagegen, daß das LSG nicht versucht habe, weitere Ermittlungen zur Aufklärung des vom Großen Senat (GS) in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 (BSGE 30, 167 und 192) geforderten Zahlenverhältnisses anzustellen. Gegebenenfalls hält sie es für angezeigt zu prüfen, ob an der vom GS aufgestellten Zahlenrelation noch festgehalten werden könne. Auch sei zu erwägen, ob die vom GS vorgenommene Abgrenzung zwischen den Risikobereichen der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung im Hinblick auf die Konjunkturentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland noch richtig sei.

b)

Der 4. Senat hält es für geboten, daß der GS sich erneut mit der Frage befaßt, nach welchen Merkmalen BU und EU i.S. der §§ 1246 Abs. 2, 1247 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen sind, insbesondere, ob an den Entscheidungssätzen Nr. 4 seiner Beschlüsse vom 11. Dezember 1969 festgehalten werden soll.

c)

Der 4. Senat hat dem GS zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 43 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) folgende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung vorgelegt:

Wird an der Auffassung festgehalten, daß dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist, wenn das Verhältnis der im Verweisungsgebiet vorhandenen, für den Versicherten in Betracht kommenden Teilzeitarbeitsplätze zur Zahl der Interessenten für solche Beschäftigungen ungünstiger ist als 75 : 100 (vgl. Beschlüsse vom 11. Dezember 1969, jeweils Entscheidungssätze Nr. 4)?

Welche Folgerungen ergeben sich aus der Beantwortung dieser Frage für die übrigen Entscheidungssätze der vorbezeichneten Beschlüsse?

2.

Vorlage des 12. Senats in Sachen B… ./. LVA…

- 12 RJ 356/74 -

a)

Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Rente wegen EU über den 31. Dezember 1972 hinaus zu gewähren ist. Die 1923 geborene Klägerin, die als Hausgehilfin, Weinbergarbeiterin und Postfacharbeiterin versicherungspflichtig tätig gewesen war, erkrankte 1969 am rechten Unterschenkel an einem Fibrosarkom, das auch nach Operation und Röntgenbestrahlung Beschwerden verursachte. Die Beklagte gewährte der Klägerin aus diesem Grunde Rente wegen EU auf Zeit von Juli 1970 bis Dezember 1971. Anschließend verlängerte die Beklagte die Rente bis Dezember 1972. Die Klägerin kann seitdem als Postfacharbeiterin im Sitzen, jedoch nicht länger als eine Stunde im Stehen arbeiten. Die Beklagte lehnte es durch Bescheid vom 8. Februar 1973 ab, weiterhin Rente zu gewähren. Das SG Koblenz hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen EU über den 31. Dezember 1972 hinaus zu gewähren. Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat festgestellt, die Klägerin sei halbschichtig bis untervollschichtig einsatzfähig, aber dennoch erwerbsunfähig. Sie sei nämlich nicht mehr in der Lage, ihr Leistungsvermögen in Erwerb umzusetzen. Der Teilzeitarbeitsmarkt sei ihr praktisch verschlossen, weil für die ihr verbliebene Leistungsfähigkeit Arbeitsplätze fehlten. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 1247 RVO. Das LSG habe es nicht dabei bewenden lassen dürfen, statistische Unterlagen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen. Es habe vielmehr weitere Ermittlungen vornehmen müssen.

b)

Der 12. Senat hat seine Vorlage wie folgt begründet: Die Rentenversicherungsträger und die Tatsachengerichte hätten sich bemüht, den Entscheidungssätzen in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 zu folgen. Sie seien jedoch verstärkt auf Schwierigkeiten gestoßen. Es habe sich ergeben, daß die Lage des jeweiligen Teilzeitarbeitsmarktes nicht verläßlich aufklärbar sei. Insbesondere hätten sich die vom GS in die Aufklärungsmöglichkeiten der Arbeitsverwaltung gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Versuche, auf anderem Wege den Teilzeitarbeitsmarkt aufzuhellen, hätten sich als fruchtlos erwiesen. Der 12. Senat hält es zur Fortbildung des Rechts und zugleich zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 43 SGG) für angezeigt, daß der GS den gesamten Fragenkreis, der ihm bereits einmal zur Entscheidung vorgelegen hat, unter Berücksichtigung aller rechtlichen und praktischen Gesichtspunkte, und zwar auch derjenigen, auf Grund des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl. I 1881) überprüft und einer neuen, überschaubaren und in Verwaltungs- und Gerichtspraxis praktikablen Lösung zuführt.

c)

Der 12. Senat hat dem GS folgende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung vorgelegt:Wird an der Entscheidung festgehalten, daß für die Beurteilung, ob ein Versicherter

berufsunfähig i.S. des § 1246 Abs. 2 RVO ist, es erheblich ist, daß Arbeitsplätze, auf denen tätig zu seit ihm zuzumuten ist, und die er mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, seien sie frei oder besetzt, vorhanden sind beziehungsweise ob ein Versicherter erwerbsunfähig i.S. des § 1247 Abs. 2 RVO ist, es erheblich ist, daß Arbeitsplätze, die er mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, seien sie frei oder besetzt, vorhanden sind (Entscheidungssätze Nr. 1 der Beschlüsse vom 11. Dezember 1969) ?

Falls diese Frage bejaht wird:

Wird an den Entscheidungssätzen Nrn. 2 bis 6 der Beschlüsse festgehalten?

3.

Vorlage des 12. Senats in Sachen A… ./. LVA…

- 12 RJ 66/76 -

a)

Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Rente wegen EU zusteht.Die 1919 geborene Klägerin war als Hausgehilfin, Küchenhilfe, Putzfrau und Maschinenarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Bescheid vom 5. Oktober 1972 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, Rente wegen BU zu gewähren. Das SG Hannover hat der Klägerin Rente wegen EU vom 1. Mai 1972 an zuerkannt. Das LSG Niedersachsen hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat seine Entscheidung u.a. damit begründet, die Klägerin sei vornehmlich durch Aufbrauchserscheinungen an der Wirbelsäule, einen leichten Bluthochdruck bei Schlagaderverhärtung und Übergewicht leistungsgemindert; sie könne höchstens noch sechs Stunden täglich leichte Frauenarbeiten, überwiegend im Sitzen ohne Akkord- und Schichtarbeit und ohne andauerndes Bücken, schweres Heben und Tragen verrichten. Mit ihrem eingeschränkten Leistungsvermögen sei sie erwerbsunfähig. Für ungelernte Arbeiterinnen mit einem nicht nur zeitlich, sondern auch funktionell erheblich eingeschränkten Leistungsvermögen gebe es Arbeitsplätze nur noch in einem kaum greifbaren Umfang. Daher müsse von einem praktisch verschlossenem Arbeitsmarkt gesprochen werden.Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 1247 Abs. 2 RVO. Das LSG habe den "allgemeinen Erfahrungssatz" außer acht gelassen, daß leistungsgeminderte Frauen in nennenswertem Umfang Teilzeitarbeitsplätze einnähmen. Gerade die vergangenen Zeiten der Vollbeschäftigung hätten bewiesen, daß vorzugsweise kleinere und mittlere Handels- und Gewerbebetriebe solche Arbeitskräfte, zumal der unteren Lohngruppen, in Teilzeitarbeit eingestellt hätten. Das LSG habe zu Unrecht sich auf die Auskünfte über die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze berufen. Diese Auskünfte reichten nicht aus, um das Verhältnis der Teilzeitarbeitsplätze zu der Zahl der Interessenten feststellen zu können. Die Arbeitsverwaltung registriere nur jene Stellen und Interessenten für Teilzeitarbeitsplätze, die dort gemeldet würden. Die meisten Arbeitsplätze, auch Teilzeitarbeitsplätze, würden aber auf dem freien Arbeitsmarkt vermittelt. Daher hätten die Arbeitsbehörden nicht das notwendige Zahlenmaterial.

b)

Der 12. Senat hat diese Vorlage ebenso begründet wie die Vorlage Nr. 2.

c

Er hat dem GS auch dieselben Rechtsfragen vorgelegt, wie in der Vorlage Nr. 2.

4.

Vorlage des 5. Senats in Sachen … ./. LVA

- 5 RJ 343/73 -

a)

Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Die Beteiligten streiten darüber, ob der im Jahre 1924 geborenen Klägerin Anspruch auf Versichertenrente zusteht. Die Klägerin war als Heimarbeiterin, Packerin, Einlegerin und Fabrikarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Ihren Antrag auf Rente hat die Beklagte mit Bescheid vom 28. Dezember 1971 abgelehnt, weil die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Auf die Klage hat das SG Koblenz den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin Rente wegen BU zu zahlen. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das LSG Rheinland-Pfalz mit der Klarstellung zurückgewiesen, daß die Rente wegen BU ab 1. September 1971 zu zahlen ist. Nach den Feststellungen des LSG kann die Klägerin nur noch halbschichtig bis untervollschichtig leichte Tätigkeiten, im Wechsel zwischen Umhergehen, Stehen und Sitzen verrichten, bei denen sie keinen nervlichen Belastungen, wie z.B. bei Fließband- und Akkordarbeiten, ausgesetzt ist. Wegen der nicht nur zeitlich stark eingeschränkten Arbeitsfähigkeit sei es ihr praktisch nicht möglich, das verbliebene Leistungsvermögen in eine erwerbsbringende Tätigkeit umzusetzen. Selbst die Arbeitsverwaltung könne nicht angeben, ob, wo und in welchem Umfang Arbeitsplätze für derartig leistungsgeminderte Versicherte zur Verfügung stehen. Das LSG hat die Revision zugelassen. Mit der Revision macht die Beklagte geltend, das LSG habe mit der Feststellung, daß der Klägerin der Arbeitsmarkt verschlossen sei, gegen § 1246 Abs. 2 RVO und § 103 SGG verstoßen. Nach ihrer Ansicht könne die Klägerin praktisch auf den gesamten halbschichtigen bis untervollschichtigen Teilzeitarbeitsmarkt verwiesen werden. Außer der zeitlichen Einschränkung lägen bei ihr keine weiteren starken Einschränkungen vor. Für die Klägerin kämen daher zahlreiche Teilzeitarbeiten in Industrie, Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Betracht. Das LSG hätte seine Annahme, der Klägerin sei der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen, nicht nur auf Auskünfte der BA stützen dürfen, sondern hätte weitere Ermittlungen durchführen müssen.

b)

Der 5. Senat hat seine Vorlage wie folgt begründet:Die mit den Vorlagen des 4. und des 12. Senats vorgelegten Rechtsfragen seien zu eng gefaßt, um die Frage der Beurteilung von BU und EU bei Teilzeitarbeitskräften in ihrer ganzen Breite neu prüfen und entscheiden zu können. Auch sollten alle Teilzeitarbeitskräfte, somit auch die, welche halbschichtig und mehr arbeiten könnten, nur auf Tätigkeiten verwiesen werden dürfen, für die es Arbeitsplätze an ihrem Wohnort oder in der täglich zu erreichenden Umgebung gibt. Ebenso solle man sich bei der Aufhellung des Arbeitsmarktes auf Anfragen an das örtliche Arbeitsamt, das gegebenenfalls Auskünfte benachbarter Arbeitsämter heranziehen müsse, beschränken. Der 5. Senat hält für ältere Arbeitnehmer ganz allgemein die Chance, einen offenen Arbeitsplatz zu finden, für geringer als bei jüngeren Arbeitsuchenden. Deshalb solle bei der speziellen Frage, ob der Arbeitsmarkt für eine Teilzeitarbeitskraft praktisch verschlossen ist, das Alter mitberücksichtigt werden, wenn der Versicherte die Altersgrenze von 55 Jahren überschritten habe. Schließlich seien die medizinischen Sachverständigen kaum in der Lage, in der vom GS in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 vorgesehenen Art hinsichtlich der einem Versicherten noch möglichen Arbeitszeit zwischen vollschichtig, halbschichtig bis untervollschichtig, zweistündig bis unterhalbschichtig und unterzweistündig zu differenzieren.

c)

Der 15. Senat hat dem GS nach § 43 SGG folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:Welche Entscheidungssätze treten gegebenenfalls bei einer Aufhebung der Beschlüsse des GS vom 11. Dezember 1969 an die Stelle der aufgehobenen Entscheidungssätze Nrn. 1 bis 6?Wird insbesondere bei einer Aufhebung der Entscheidungssätze 5 und 6 an deren Stelle bestimmt, daß alle Versicherten, die nicht mehr vollschichtig arbeiten können, nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden können, für die Arbeitsplätze an ihrem Wohnort oder in dessen näherer, täglich zu erreichender Umgebung vorhanden sind? Kann es als allgemein zulässig angesehen werden, die Ermittlungen über das Vorhandensein von Teilzeitarbeitsplätzen auf Anfragen an das örtlich zuständige Arbeitsamt zu beschränken?Zusätzlich:Soll die Tatsache, daß ältere Arbeitnehmer allgemein nur noch schwer einen offenen Arbeitsplatz finden, bei der zur Feststellung der BU und EU einer Teilzeitarbeitskraft erforderlichen Prüfung der Frage, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist, berücksichtigt werden?Soll an der Differenzierung der einem Versicherten noch möglichen Arbeitszeit in vollschichtig, halbschichtig bis untervollschichtig, zweistündig bis unterhalbschichtig und unterzweistündig festgehalten werden, oder soll eine Differenzierung der noch möglichen Arbeitszeit vorgesehen werden, die nur noch unterscheidet, ob der Versicherte noch vollschichtig, halbschichtig oder unterhalbschichtig arbeiten kann?

II

1.

Für die den Vorlagen des 12. Senats (Nrn. 2 und 3) zugrunde liegenden Revisionen ist auf Grund des Geschäftsverteilungsplanes für das Jahr 1976 seit dem 1. Januar 1976 der 4. Senat zuständig.

2.

Der GS hat die vier Vorlagen durch Beschluß vom 4. Oktober 1976 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

B.

I

Der GS hat vorab seine Besetzung und die Formalien der Vorlagen geprüft.

1.

Die Besetzung der Richterbank des GS richtet sich nach dem von den vorlegenden Senaten angegebenen Anrufungsgrund (§ 43 SGG). Nach § 41 Abs. 5 Satz 2, 2. Alternative SGG nehmen daher an der Entscheidung über die Vorlagen - außer den ständigen Mitgliedern des GS - auch die Vorsitzenden Richter dieser Senate oder ein von ihnen bestimmtes Mitglied ihres Senats teil. Da die Vorsitzendenstelle im 4. Senat derzeit unbesetzt ist, wirkt für diesen Senat dessen stellvertretender Vorsitzender mit. Dies gilt auch hinsichtlich der Vorlagen des 12. Senats, weil der 4. Senat für die ihnen zugrunde liegenden Revisionen zuständig geworden ist; diese Vorlagen sind daher so zu behandeln, als ob sie der 4. Senat vorgelegt hätte. Für den 5. Senat nimmt, da dessen Vorsitzender ständiges Mitglied des GS ist, ebenfalls der stellvertretende Vorsitzende teil, den der Vorsitzende im übrigen auch nach § 41 Abs. 5 Satz 2, 2. Alternative SGG hierzu bestimmt hat. Zu berücksichtigen ist ferner, daß der GS die vier Vorlagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Im Hinblick hierauf muß die Entscheidung des GS über alle Vorlagen in derselben Besetzung erfolgen, so daß die nach § 41 Abs. 5 SGG hinzutretenden Richter des 4. und 5. Senats nicht auf die Mitwirkung an der Entscheidung über die Vorlagen ihrer Senate beschränkt sind. Der GS setzt sich demnach wie folgt zusammen: Aus dem Präsidenten des BSG als Vorsitzenden, den sechs weiteren ständig mitwirkenden Berufsrichtern, der stellvertretenden Vorsitzenden des 4. Senats, dem stellvertretenden Vorsitzenden des 5. Senats sowie aus den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten je zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Versicherten und Arbeitgeber.

2.

Die Vorlagen sind zulässig.Die Entscheidung über die den Vorlagen zugrunde liegenden Revisionen hängt von der Beantwortung der gestellten Fragen ab. Die vom 5. Senat vorgelegten Rechtsfragen sind allerdings nur insoweit rechtserheblich, als sie Rechtsfragen zur BU betreffen. Denn in der zugrunde liegenden Revision ist nur die BU-Rente streitig. Der Umstand allein, laß diese Rechtsfragen bei der Beurteilung von BU und EU nur nach einheitlichen Grundsätzen entschieden werden könnten, reicht nicht aus, um auch die Rechtsfragen zur EU als rechtserheblich anzusehen, so daß diese Vorlage insoweit unzulässig ist. Die vorgelegten Rechtsfragen haben sowohl nach Ansicht der vorlegenden Senate als auch des GS grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 43 SGG. Deshalb kann unentschieden bleiben, ob allein die erkennenden Senate die Grundsätzlichkeit beurteilen oder der GS insoweit ein Prüfungsrecht hat. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzung des § 43 SGG, daß die Vorlage der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen muß, kommt es nach der Rechtsprechung des GS allein auf die Auffassung des vorlegenden Senats an (BSGE 14, 246, 247; 40, 167, 171). Die vorlegenden Senate haben beide Voraussetzungen bejaht.

3.

Da die vier Vorlagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, ist über die sich aus der Beurteilung der BU und EU bei Teilzeitarbeit ergebenden Fragen, die bereits den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 zugrunde lagen, und über die zusätzlich vom 5. Senat vorgelegten Fragen zu entscheiden.

II

Der GS hält nach Prüfung der vorgelegten Rechtsfragen an den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 nur zum Teil fest.

1.

Der GS bestätigt die in den Entscheidungssätzen Nrn. 1 und 3 getroffenen Entscheidungen, Nr. 1 allerdings ohne den Zusatz, daß es nicht darauf ankäme, ob die in Betracht kommenden Teilzeitarbeitsplätze frei oder besetzt sind. Eine weitere Entscheidung i.S. der Nr. 2 der damals getroffenen Entscheidungen hält der GS nicht mehr für erforderlich. Nach den früheren Entscheidungssätzen war es für die Beurteilung, ob ein Versicherter, der nur noch Teilzeitarbeit verrichten kann, berufs- oder erwerbsunfähig ist, erheblich, daß Arbeitsplätze, die er mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, seien sie frei oder besetzt, vorhanden sind. Ein solcher Versicherter durfte danach auf Tätigkeiten nur verwiesen werden, wenn ihm für diese der Arbeitsmarkt praktisch nicht verschlossen war. Wie der GS bereits in den damaligen Beschlüssen entschieden hat (BSGE 30, 167, 171 ff.; 192, 195 ff.), ist es Sinn und Zweck der Renten wegen BU oder EU, durch Krankheit oder Gebrechen ausfallendes Erwerbseinkommen zu ersetzen. Für die Beurteilung der BU oder EU kann es daher nicht nur auf die Frage ankommen, ob der Versicherte gesundheitlich noch bestimmte Tätigkeiten verrichten kann; es ist vielmehr auch erheblich, ob solche Tätigkeiten die Möglichkeit bieten, durch ihre Verrichtung Erwerbseinkommen zu erzielen. Die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten kann deshalb nicht nach Tätigkeiten beurteilt werden, die ihm kein Erwerbseinkommen verschaffen können. Die "Fähigkeit zum Erwerb" und die Möglichkeit eine "Erwerbstätigkeit ausüben" zu können, sind nicht gegeben, wenn der Versicherte auf Tätigkeiten verwiesen würde, für die es keine oder nur wenige Arbeitsplätze gibt, der Arbeitsmarkt also praktisch verschlossen ist, so daß der Versicherte nicht damit, rechnet kann, einmal einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Der GS hält deshalb an seiner Auffassung fest, daß es für die Beurteilung, ob ein Versicherter berufs- oder erwerbsunfähig i.S. der §§ 1246 Abs. 2 und 1247 Abs. 2 RVO ist, erheblich ist, daß Arbeitsplätze, auf denen tätig zu sein ihm zuzumuten ist, und die er mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, vorhanden sind. Ein Versicherter kann auf Tätigkeiten nur verwiesen werden, wenn ihm für diese Tätigkeiten der Arbeitsmarkt praktisch nicht verschlossen ist. Die Tatsache allein, daß sich die Grundsätze der Entscheidungssätze Nr. 4 wegen fehlender statistischer Unterlagen nicht als durchführbar erwiesen haben, kann nicht zu einer Aufgabe der Grundsatzentscheidung führen.

2.

An den Entscheidungssätzen Nr. 4 in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 hält der GS dagegen nicht fest. Dort ist der GS davon ausgegangen, daß der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist, wenn das Verhältnis der im Verweisungsgebiet vorhandenen, für den Versicherten in Betracht kommenden Teilzeitarbeitsplätze zur Zahl der Interessenten für solche Beschäftigungen ungünstiger als 75 : 100 ist. In der Verwaltungspraxis und in der Rechtsprechung hat sich inzwischen herausgestellt, daß die Zahl der im Verweisungsgebiet in Betracht kommenden Teilzeitarbeitsplätze und die Zahl der Interessenten, insbesondere ihr Verhältnis zueinander, regelmäßig nicht mit der Sicherheit zu ermitteln sind (vgl. hierzu insbesondere , DRV 1976, 290 ff.). Die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung in dieser Frage kann aber nicht dazu führen, insoweit zu der Ausgangslage vor den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 zurückzukehren und ohne Relation zur Zahl der Interessenten lediglich auf eine Zahl von Arbeitsplätzen abzustellen, die als "nennenswert" oder mit ähnlichen unbestimmten Begriffen gekennzeichnet wird (vgl. BSGE 30, 167, 182). Auch dafür gibt es weder entsprechende statistische Unterlagen noch hat die Arbeitsverwaltung hierüber einen ausreichenden Überblick. Die Dienststellen der BA sind daher insoweit nicht in der Lage, zuverlässige Auskünfte zu erteilen.

3.

Vielmehr bietet sich für die Beantwortung der Frage, ob der Arbeitsmarkt für einen Versicherten, der nur noch Teilzeitarbeit verrichten kann, praktisch offen oder verschlossen ist, unter Beachtung der Vorschriften des RehaAnglG ein anderer Weg an. Nach § 1 RehaAnglG ist es Aufgabe der Rehabilitation, körperlich, geistig oder seelisch Behinderte "möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern". Behinderte in diesem Sinne sind (auch) alle Personen, die infolge einer Leistungsminderung nicht mehr vollschichtig arbeiten können (vgl. BSG SozR 4100 § 56 Nr. 1). Als Mittel der Rehabilitation nennt das Gesetz die medizinischen, berufsfördernden und ergänzenden Maßnahmen und Leistungen (§§ 1, 9 ff. RehaAnglG). Zu den berufsfördernden Leistungen gehören dabei insbesondere Hilfen zur Einhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 RehaAnglG). Eine Rehabilitationsleistung oder -maßnahme ist für einen Behinderten demgemäß schon die Vermittlung eines seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeitsplatzes (vgl. RegBegr zum RehaAnglG Teil A - BT-Drucks. 7/1237 S. 49 ff.). Dem entspricht die Neufassung des § 56 AFG durch das RehaAnglG; die Bezeichnung der Leistungen nach dem zweiten Unterabschnitt des zweiten Abschnitts des AFG als berufsfördernde Leistungen in bezug auf Behinderte, bezieht nämlich die Vorschriften über die Arbeitsvermittlung (§§ 13 ff. AFG) in diesen Kreis ein (§ 56 Abs. 2 AFG). Zu berufsfördernden Maßnahmen und Leistungen dieser Art (berufliche Rehabilitation) ist auch der Rentenversicherungsträger verpflichtet (§§ 1236 Abs. 1, 1237a RVO; § 13 Abs. 1, § 14a AVG). Er bleibt dem Versicherten gegenüber dafür auch dann verantwortlich, wenn er die Durchführung anderen Stellen überträgt (§ 1238 RVO; § 15 AVG). Die vorrangige Zuständigkeit der BA schreibt § 6 RehaAnglG nur für die Fälle vor, in denen zunächst unklar ist, welcher Träger zuständig ist, oder in denen die unverzügliche Einleitung von Maßnahmen aus anderen Gründen gefährdet ist. Im übrigen sind die Rehabilitationsträger im Rahmen ihrer sondergesetzlichen Zuständigkeit grundsätzlich gleichwertig nebeneinander verpflichtet. Da das gegliederte System der Rehabilitation beibehalten wurde, war es ein zentrales Anliegen des RehaAnglG, die Zuständigkeiten der Rehabilitationsträger zu koordinieren. Sie wurden deshalb zu enger Zusammenarbeit verpflichtet (§ 5 Abs. 1, auch §§ 3, 4 RehaAnglG). Diese Verpflichtung bestand zwar für die BA und die Rentenversicherungsträger schon vorher (vgl. §§ 59 AFG, 1237 Abs. 5 RVO i.d.F. vor dem RehaAnglG); die Pflicht zum Zusammenwirken ist aber durch § 5 Abs. 1 RehaAnglG im Interesse des einzelnen Behinderten verdeutlicht worden. Hierbei ist der Rentenversicherungsträger zur Rehabilitation in einem besonderen Maße dann verpflichtet, wenn anderenfalls Rente wegen BU oder EU zu bewilligen wäre. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 RehaAnglG. Danach sollen Renten wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), darunter Renten wegen BU (vgl. BT-Drucks. 7/1237 S. 56 zu § 7) und Renten wegen EU, erst bewilligt werden, wenn zuvor Maßnahmen zur Rehabilitation durchgeführt worden sind, es sei denn, daß ein Erfolg solcher Maßnahmen, insbesondere wegen der Art und Schwere der Behinderung, nicht zu erwarten ist. Aus dem Zusammenhang der nunmehr vorliegenden gesetzlichen Regelung über die berufliche Rehabilitation ergibt sich somit, daß der Rentenversicherungsträger - mehr als zuvor - der Rehabilitation Vorrang vor der Rente geben und aus eigener Verpflichtung - wenngleich mit Anspruch auf das Mittätigwerden anderer Stellen, insbesondere der BA - alle Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation des Versicherten ausschöpfen muß. Dazu gehört, wie bereits hervorgehoben, das Bemühen, einem behinderten Versicherten den für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz zu beschaffen. Eine solche Maßnahme verletzt nicht die Alleinzuständigkeit der BA nach § 4 AFG. Sie ist keine unerlaubte Arbeitsvermittlung, sondern eine Maßnahme, die zur Durchführung einer dem Rentenversicherungsträger gesetzlich übertragenen Aufgabe erforderlich ist (§ 13 Abs. 3 Nr. 1 AFG). Diese Aufgabe verpflichtet den Rentenversicherungsträger zu der Prüfung, ob dem leistungsgeminderten Rentenbewerber der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht. Dahingehende Schlüsse sind am ehesten daraus zu ziehen, ob es dem Rentenversicherungsträger im Zusammenwirken mit dem für den Versicherten zuständigen Arbeitsamt gelingt, diesem innerhalb einer bestimmten Zeit einen seinem Leistungsvermögen und seinen beruflichen Fähigkeiten entsprechenden Teilzeitarbeitsplatz anzubieten. Als zeitlicher Maßstab ist dabei in der Regel die Zeit von einem Jahr seit der Stellung des Rentenantrages anzusehen. Dieser Zeitraum reicht im Regelfall aus, um das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geeigneter Arbeitsplätze festzustellen. Der Zeitraum von einem Jahr ist auch beim vorgezogenen Altersruhegeld (§ 1248 Abs. 2 RVO, § 25 Abs. 2 AVG) von Bedeutung; der Gesetzgeber geht dort davon aus, daß nach einjähriger Arbeitslosigkeit im allgemeinen nicht mehr mit der Vermittlung eines Arbeitsplatzes zu rechnen ist, also der Arbeitsmarkt für diese Versicherten praktisch verschlossen ist. Im übrigen genießt der Versicherte - im günstigsten Fall - für die Zeit eines Jahres den Schutz der Arbeitslosenversicherung durch Gewährung des Arbeitslosengeldes (§ 106 Abs. 1 Nr. 5 AFG). Kann ein Versicherter nicht innerhalb dieses Zeitraums in eine Teilzeitarbeit vermittelt werden, so begründet das die Annahme, daß der Teilzeitarbeitsmarkt für den Versicherten praktisch verschlossen ist. Anders verhält es sich, wenn ihm in dieser Zeit ein geeigneter Arbeitsplatz angeboten wird. Dann ist für ihn der Arbeitsmarkt als offen anzusehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Versicherte das Angebot annimmt, sofern ihm nicht für die Ablehnung ein wichtiger Grund zur Seite steht. Verstreicht die Jahresfrist ergebnislos, dann steht die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes rückwirkend zum Zeitpunkt des Rentenantrages fest. Die Entscheidung über den Rentenantrag wird zwar dadurch hinausgeschoben; diese Verzögerung kann jedoch hingenommen werden, weil für diese Zeit Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld bestehen kann. Da Rentenversicherungsträger und BA gleichermaßen die Verantwortung dafür tragen, daß dem Versicherten ein Teilzeitarbeitsplatz angeboten werden kann, sollte der Gesetzgeber die Frage prüfen, ob und in welchem Umfang die beiden Leistungsträger letztlich mit den insgesamt entstandenen Kosten belastet werden. Der Rentenversicherungsträger wird hiernach im Zusammenwirken mit der BA geeignete Verfahren zu entwickeln haben, um die Frage nach dem Verschlossensein oder Nichtverschlossensein des Arbeitsmarktes alsbald beantworten zu können. Der Versicherte selbst hat hieran nach Kräften mitzuwirken (vgl. § 4 Sätze 1 und 2 RehaAnglG). Er hat sich gegebenenfalls nach Aufforderung durch den Rentenversicherungsträger möglichst schon bei, mindestens aber alsbald nach der Stellung des Rentenantrages beim zuständigen Arbeitsamt als Arbeitsuchender zu melden, um diesem Gelegenheit zu geben, einen entsprechenden Arbeitsplatz für ihn zu finden. Die Zeit von einem Jahr seit Stellung des Rentenantrages braucht allerdings nicht stets abgewartet zu werden, insbesondere nicht in Fällen, in denen eine Arbeitslosmeldung schon vorher erfolgt war, oder in denen nach den Erfahrungen der Rentenversicherungsträger oder der Arbeitsverwaltung mit aller Wahrscheinlichkeit schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht (mehr) damit zu rechnen ist, daß dem Versicherten in dieser Zeitspanne ein entsprechender Arbeitsplatz angeboten werden kann. In diesen Fällen hat der Rentenversicherungsträger - falls die sonstigen Voraussetzungen für den Rentenanspruch vorliegen - die Rente schon vor Ablauf des vollen Jahres zu bewilligen.Der GS verkennt nicht, daß durch den neuen Entscheidungssatz Nr. 3 das Risiko, für Teilzeitarbeiten einen ausfüllbaren freien Arbeitsplatz zu finden, stärker auf den Rentenversicherungsträger verlagert wird als in den Entscheidungen vom 11. Dezember 1969 (vgl. die dortigen Entscheidungssätze Nrn. 1. und 4). Andererseits sind jedoch die Verhältnisse auf dem Teilzeitarbeitsmarkt besonders gestaltet. Wie sich gezeigt hat, entzieht sich dieser Markt einem hinreichenden Überblick. Die Einschränkungen bei den einzelnen Versicherten sind zudem äußerst vielgestaltig; meistens treten zu den zeitlichen Einschränkungen andere erhebliche Arbeitseinschränkungen hinzu (vgl. BSGE 30, 189 ff.). Auch können für eine grundsätzlich als dauerhaft gedachte Beurteilung der Erwerbsfähigkeit keine Tätigkeiten und Arbeitsplätze des Teilzeitarbeitsmarktes in Betracht gezogen werden, die auf dem Arbeitsmarkt nicht oder kaum angeboten, vielmehr einem begrenzten Personenkreis vorbehalten werden und darum weder allgemein zugänglich noch allgemein bekannt sind. Die regelmäßig auf ein Jahr erstreckte Prüfung vorhandener Arbeitsplätze durch Rentenversicherungsträger und Arbeitsamt kann indessen allen diesen Besonderheiten gerecht werden. Dabei muß allerdings hingenommen werden, daß der Arbeitgeber die Einstellung eines behinderten Versicherten auch aus nichtgesundheitlichen Gründen ablehnt. Infolgedessen spielt die vom 5. Senat gestellte Frage der Berücksichtigung des Alters bei dieser auf den Einzelfall abgestellten Betrachtungsweise keine Rolle. Die vom GS vorgesehene Lösung, daß dem Versicherten ein konkreter Arbeitsplatz angeboten werden muß, hat auch den Vorzug, die Nahtlosigkeit zwischen Arbeitslosen- und Rentenversicherung stärker als bisher zu gewährleisten. Die Nahtlosigkeit zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld und Rente wegen BU oder EU wird durch die Regelung des § 103 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 2 AFG sichergestellt, soweit es darauf ankommt, ob dem Versicherten wegen seiner gehinderten Leistungsfähigkeit der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist. In der bisherigen Praxis ist diese Nahtlosigkeit allerdings nicht erreicht worden (vgl. Dapprich SGb 1970, 201 ff.; Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 103 Rz. 18; Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 103 Anm. 5 und 7). Der Grund dafür ist eine dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechende, zu eng am Wortlaut haftende Auslegung des § 103 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a AFG durch die BA. Betroffen sind davon insbesondere die Fälle, in denen die Arbeitsverwaltung feststellt, daß der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen keine Beschäftigung mehr ausüben kann (sogenannte "Nullfälle"). In diesen Fällen lehnt die BA den Antrag auf Arbeitslosengeld ohne Einschaltung des Rentenversicherungsträgers unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift ab, weil die dortige Fiktion der Verfügbarkeit voraussetze, daß überhaupt noch eine, wenn auch nur geringfügige Beschäftigung ausgeübt werden kann (Runderlaß 138/70 Nr. 7 vom 16. März 1970, Dienstbl. A der BA 1970, 379, 380). Damit wird verkannt, daß auch diese Frage von Ärzten oft unterschiedlich beurteilt wird. Da es aber gerade Sinn und Zweck der genannten Vorschrift ist, die "volle Nahtlosigkeit" zwischen Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung herzustellen (vgl. BT-Drucks. V/4410 zu § 94 des RegEntwurfes zum AFG), und § 5 Abs. 1 Satz 1 RehaAnglG die BA und die Rentenversicherungsträger im Interesse einer raschen und dauerhaften Eingliederung des Versicherten zu enger Zusammenarbeit verpflichtet, kann § 103 Abs. 1 und 2 AFG nur so verstanden werden, daß die BA in allen Fällen, einschließlich der sogenannten Nullfälle, zunächst Verfügbarkeit zu unterstellen und den Rentenversicherungsträger zur Entscheidung über die BU oder EU einzuschalten hat. Damit wird aus den Vorschriften des § 103 AFG und des § 5 RehaAnglG die Verpflichtung der beiden Versicherungsträger dem jeweils anderen gegenüber wieder deutlich: Richtet sie sich im Rahmen des § 103 AFG auf das Mitwirken des Rentenversicherungsträgers an den Aufgaben der BA, so findet sie ihr Gegenstück in der Pflicht der BA zur Mitwirkung bei der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers darüber, ob für einen Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht.

4.

In den Ausgangsverfahren, die zu den Vorlagen zum GS geführt haben, wie überhaupt in allen Fällen, in denen der Versicherte den Rentenantrag noch vor der vorliegenden Entscheidung des GS gestellt hat, ist die Frage, ob für die in Betracht kommenden Teilzeittätigkeiten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist, oder ob dies nicht der Fall ist, noch nicht nach den hier entwickelten Richtlinien geprüft worden. In diesen Fällen ist nun entsprechend diesen Richtlinien festzustellen, ob Rentenversicherungsträger und Arbeitsamt dem Versicherten einen von ihm ausfüllbaren Arbeitsplatz anbieten können. Es obliegt dann den entscheidenden Stellen, d.h. dem Rentenversicherungsträger oder den Gerichten, je nach dem Ergebnis der Bemühungen, Rückschlüsse darauf zu ziehen, ob der Teilzeitarbeitsmarkt schon von der Antragstellung an als verschlossen anzusehen war, oder ob dies nicht der Fall war. In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn der Gesundheitszustand des Versicherten nach der Stellung des Rentenantrages zunächst falsch beurteilt worden ist. Ebenso ist eine neue Prüfung durchzuführen, wenn sich der Gesundheitszustand während des Verfahrens wesentlich verändert hat.

5.

Der Arbeitsmarkt kann nicht als praktisch verschlossen angesehen werden, wenn der Versicherte einen entsprechenden Arbeitsplatz innehat. Ebensowenig ist ein Teilzeitarbeitsmarkt noch als praktisch verschlossen anzusehen, wenn der Versicherte nach dem Ablauf des Jahres oder nach einer Rentenbewilligung einen entsprechenden Arbeitsplatz angeboten bekommt. Eine schon gewährte Rente wäre von diesem Zeitpunkt an zu entziehen. Das schließt nicht aus, daß der Versicherte für einen späteren Zeitpunkt wieder die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes geltend machen kann.

6.

Der GS hat in seinen Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 entschieden, daß für einen Versicherten, der noch halbschichtig bis untervollschichtig arbeiten kann, der Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland maßgebend ist. Der GS hält nach erneuter Prüfung an dieser in den Entscheidungssätzen Nr. 5 niedergelegten Auffassung nicht fest. Auch einem Versicherten der letzteren Art ist, ebenso wie dem Versicherten, der nur noch unterhalbschichtig arbeiten kann, angesichts der bloßen Möglichkeit, nur einen Teillohn verdienen zu können, ein Umzug in der Regel nicht zuzumuten; die mit einem Wechsel des Wohnortes verbundenen Erschwernisse und Nachteile infolge der Aufgabe seiner persönlichen Bindungen für ihn sind zu schwerwiegend. Ähnlich liegen die Verhältnisse aber auch bei dem Versicherten, der durch "Wochenendpendeln" die Möglichkeit hätte, einen Teilzeitarbeitsplatz auszufüllen. Es kann infolgedessen auch bei einem solchen Versicherten in der Regel nur auf den regionalen Arbeitsmarkt kommen, den der Versicherte durch tägliches Pendeln von seiner Wohnung aus erreichen kann.

7.

Eine Prüfung, ob dem Versicherten ein Arbeitsplatz angeboten werden kann, entfällt, wenn es überhaupt nicht darauf ankommt, ob der Arbeitsmarkt für ihn praktisch offen oder verschlossen ist. So ist ein Versicherter, der nicht mehr mindestens seine bisherige oder eine ihm zumutbare andere Tätigkeit halbschichtig verrichten kann, in der Regel ohne weiteres als berufsunfähig anzusehen, weil seine Erwerbsfähigkeit damit auf weniger als die Hälfte derjenigen eines vergleichbaren Versicherten herabgesunken ist (§ 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO). Bei der Beurteilung der EU kommt es auf die Verhältnisse des Teilzeitarbeitsmarktes nicht an, wenn der Versicherte nicht weiter in gewisser Regelmäßigkeit tätig sein kann, oder wenn er nur geringfügige Einkünfte erzielen kann. Die bisherige Rechtsprechung hatte als geringfügig i.S. des § 1247 Abs. 2 RVO Einkünfte angesehen, die niedriger als ein Fünftel des durchschnittlichen Bruttotariflohnes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten sind (vgl. BSGE 19, 147; 30, 192, 208). In der Verwaltungspraxis konnte nach diesen Grundsätzen die Unschädlichkeit geringfügiger Einkünfte für die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit nur unter großen Schwierigkeiten ermittelt werden (vgl. Bergner, DRV 1976, 141, 147). Der GS hält deshalb an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest und sieht nunmehr als geringfügig i.S. des § 1247 Abs. 2 RVO Einkünfte an, die ein Achtel der Beitragsbemessungsgrenze (§ 1385 Abs. 2 RVO) nicht überschreiten; auch in §§ 1228 Abs. 2 Buchst. b und 1248 Abs. 4 Satz 2 RVO i.d.F. des Art. 1 § 1 Nr. 1 des Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 30. März 1973 (BGBl. I 257) ist aus vergleichbarem Grunde eine entsprechende Abgrenzung vorgenommen worden. Auf die Prüfung, ob der Versicherte nur noch weniger als zwei Stunden täglich arbeiten kann, kann daher verzichtet werden.

GS 2/75

BundessozialgerichtGS 3/75; GS 4/75; GS 3/76

Verkündet am 10. Dezember 1976

Beschluß

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518787

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