Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 09.09.1998; Aktenzeichen L 4 Ka 9/98)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 9. September 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat dem Beklagten dessen außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1942 geborene Kläger, der in Rh. … /W. … als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, beantragte 1996 die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit in R., … Kreis P., … Schleswig-Holstein. Ihm waren die für den Planungsbereich „Kreis P. …” im Hinblick auf einen Versorgungsgrad von 134,9 % in der Gebietsgruppe der Ärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe angeordneten Zulassungsbeschränkungen bekannt. Er berief sich deshalb in erster Linie darauf, daß für R. … ein sog lokaler Versorgungsbedarf gegeben sei, weil in diesem Ort kein Frauenarzt niedergelassen sei und die Patientinnen die in Pr. … bzw K. … niedergelassenen Frauenärzte nur unter größeren Schwierigkeiten aufsuchen könnten.

Die Zulassungsgremien haben dem Begehren des Klägers nicht entsprochen. Der beklagte Berufungsausschuß verneinte einen besonderen lokalen Versorgungsbedarf mit der Begründung, die Gemeinde R. … sei ebenso wie einige K. … Stadtteile verkehrsmäßig auf die K. … Stadtmitte ausgerichtet und dort seien bei einer relativ geringen Einwohnerzahl mindestens acht Frauenärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die verkehrsmäßige Verbindung zwischen R. … und K. … -Mitte mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Eisenbahn und Omnibussen sei optimal; dasselbe gelte für die Verbindung zwischen R. … und der Stadt Pr. … im Kreis P.

Im Klage- und Berufungsverfahren hatte der Kläger keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Entscheidung unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18. März 1998 (- B 6 KA 37/96 R – = BSGE 82, 41 ff) damit begründet, daß die Vorschriften über die vertragsärztliche Bedarfsplanung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem in Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit der Ärzte, vereinbar seien. Hinsichtlich des lokalen Versorgungsbedarfs hat das LSG offengelassen, ob den Zulassungsgremien insoweit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukomme. Selbst wenn insoweit von voller Justiziabilität auszugehen sei, bestehe ein solcher Bedarf bezogen auf R. … nicht. Im Hinblick auf die ausgezeichneten Verkehrverbindungen von R. … sowohl zum K. … Stadtzentrum wie zur Stadt Pr. sowie unter Berücksichtigung der in den Planungsbereichen K. … und Kreis P. … bestehenden Überversorgung bei den Ärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß die gynäkologische Versorgung ohne die Zulassung eines Frauenarztes in R. … nicht ordnungsgemäß gewährleistet sei (Urteil vom 9. September 1998).

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Er hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Zulassungsbeschränkungen für Vertragsärzte verfassungsgemäß seien und ob Art 12 Abs 1 GG verlange, Nr 24a der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte verfassungskonform dahin auszulegen, daß ein zentraler Ort iS des § 14 Landesentwicklungsgrundsätzegesetz Schleswig-Holstein unbeschadet überversorgter angrenzender Bereiche einen lokalen Versorgungsbedarf für einen Frauenarzt auslöse.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) gestützte Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Wegen grundsätzlicher Bedeutung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die klärungsbedürftig, klärungsfähig sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Vereinbarkeit der gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften über die vertragsärztliche Bedarfsplanung mit dem Grundgesetz hat der Senat in dem auch vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 18. März 1998 (- B 6 KA 37/96 R – = BSGE 82, 41 ff –; vgl auch Urteil vom selben Tag – B 6 KA 35/97 R –) bejaht. Daß der Kläger unter Hinweis auf ältere Entscheidungen des Sozialgerichts München sowie auf zahlreiche vor Ergehen dieser Senatsurteile erschienene wissenschaftliche Veröffentlichungen dieser Rechtsauffassung widerspricht, macht die Frage der Vereinbarkeit der vertragsärztlichen Bedarfsplanung auf der Grundlage des § 101 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit Art 12 Abs 1 GG nicht (erneut) klärungsbedürftig. Die Beschwerdebegründung des Klägers läßt keine Gesichtspunkte erkennen, mit denen sich der Senat in den zitierten Urteilen vom 18. März 1998 nicht auseinandergesetzt hätte, und enthält auch keine Hinweise darauf, weshalb die maßgeblichen Rechtsfragen heute anders als im März 1998 zu beurteilen sein könnten.

Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob Art 12 Abs 1 GG verlange, § 101 SGB V iVm Nr 24a der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte verfassungskonform dahin auszulegen, daß ein zentraler Ort iS des § 14 Landesentwicklungsgrundsätzegesetz Schleswig-Holstein unbeschadet überversorgter angrenzender Bereiche einen lokalen Versorgungsbedarf für einen Frauenarzt auslöse, ist diese Frage weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Ihrer Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren steht entgegen, daß sie sich im wesentlichen nicht auf Bundesrecht iS des § 162 SGG bezieht. Zum Inhalt des § 14 Landesentwicklungsgrundsätzegesetz Schleswig-Holstein verhält sich das Berufungsurteil ebensowenig wie zu der Frage, ob die Gemeinde R. … ein zentraler Ort iS dieser Vorschrift ist und welche Konsequenzen sich daraus nach Landesrecht ergeben könnten. Es unterliegt im übrigen keinem Zweifel, daß die bundesrechtliche Rechtsvorschrift der Nr 24a Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte nicht verbindlich nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften des Raumordnungsrechts ausgelegt und angewandt werden kann. Nach Nr 24a der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte kann der Zulassungsausschuß dem Zulassungsantrag eines Vertragsarztes unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen für die betroffene Arztgruppe durch den Landesausschuß entsprechen, wenn ein nachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises vorliegt. Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, sondern liegt auf der Hand, daß für das Vorliegen des so beschriebenen „lokalen Versorgungsbedarfs” auf die konkret in der betroffenen Gemeinde bzw in dem betroffenen Stadtbezirk in der jeweiligen Arztgruppe tatsächlich vorhandene Versorgungssituation abzustellen ist. Zutreffend hat das LSG in diesem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten gebilligt, ein solcher Versorgungsbedarf könne jedenfalls dann nicht bestehen, wenn Vertragsärzte der maßgeblichen Arztgruppe sowohl in einer nahegelegenen Großstadt wie in einer anderen Stadt bzw Gemeinde des jeweiligen Landkreises (auch) mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos erreicht werden können. Daß das im Hinblick auf die Gemeinde R. und die Arztgruppe der Gynäkologen der Fall ist, hat das LSG festgestellt, ohne daß der Kläger gerügt hätte, die Feststellungen seien verfahrensfehlerhaft zustande gekommen (vgl § 163 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175716

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