Verfahrensgang

SG Hamburg (Entscheidung vom 05.12.2019; Aktenzeichen S 11 R 1059/16)

LSG Hamburg (Urteil vom 17.05.2022; Aktenzeichen L 3 R 1/20)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 17. Mai 2022 - L 3 R 1/20 - vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der im Jahr 1964 geborene Kläger war zuletzt bis 2012 erwerbstätig. Seinen im Juni 2015 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 19.1.2016; Widerspruchsbescheid vom 4.11.2016). Im Klageverfahren vor dem SG Hamburg sind Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt worden. Ein ärztliches Sachverständigengutachten des Orthopäden S1 hat den Kläger nach ambulanter Untersuchung noch für in der Lage erachtet, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Leistungseinschränkungen erwerbstätig zu sein (Gutachten vom 23.8.2017). Ein entsprechendes Leistungsbild ist auch das Ergebnis einer Begutachtung durch den Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie H1 gewesen (Gutachten vom 23.3.2018). Nach einem Herzinfarkt im Dezember 2018 fand im Januar 2019 eine stationäre Heilbehandlung statt (Entlassungsbericht der S2 Kliniken vom 23.1.2019). Das SG Hamburg hat den Sachverständigen H1 in der mündlichen Verhandlung am 5.12.2019 zu seinem Gutachten vom 23.3.2018 ergänzend gehört und die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.12.2019). Das LSG hat ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. B ist in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 1.12.2020 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger noch körperlich leichte Tätigkeiten regelmäßig sechs Stunden arbeitstäglich verrichten könne. Ein Antrag des Kläger auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss vom 11.5.2021). Nach Vorlage weiterer Befunde der behandelnden Ärzte hat B in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.2.2022 das Ergebnis seiner Begutachtung sowie die Feststellungen des Sachverständigen H1 bestätigt. Das LSG hat die Berufung nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen (Urteil vom 17.5.2022).

Mit Schreiben vom 27.6.2022 (eingegangen beim BSG am 4.7.2022) hat der Kläger Beschwerde eingereicht, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt. Mit Schreiben vom 2.8.2022 hat der Kläger erneut vorgetragen, erwerbsgemindert zu sein und einen Entlassungsbericht der H2-Klinik H vom 21.7.2022 vorgelegt.

II

1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Zwar hat der Kläger nach Zustellung des Berufungsurteils an seinen früheren Prozessbevollmächtigten am 2.6.2022 sowohl den (grundsätzlich formlosen) Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG, § 117 Abs 2 und 4 ZPO), dh auf dem durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 6.1.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist am Montag, dem 4.7.2022 rechtzeitig eingereicht (vgl zu den Anforderungen ua BSG Beschluss vom 13.1.2021 - B 5 R 16/20 BH - juris RdNr 3 mwN).

Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO jedoch nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist dies nicht der Fall.

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht zu erkennen. Die Voraussetzungen, unter denen eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ergeben sich unmittelbar aus § 43 SGB VI und sind in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.

Zwar hat der vor dem LSG in der mündlichen Verhandlung am 17.5.2022 durch seinen früheren Prozessbevollmächtigten rechtskundig vertretene Kläger hilfsweise die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beantragt. Damit ist jedoch den speziellen Anforderungen an einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag nicht genügt (vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 8.11.2022 - B 5 R 155/22 B - juris RdNr 7 mwN). Auch hat das Berufungsgericht über den Antrag, den gerichtlich bestellten Sachverständigen B wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, durch gesonderten Beschluss des Berichterstatters (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 4 ZPO) und auch vor Erlass der Endentscheidung entschieden (vgl dazu auch BSG Beschluss vom 22.4.2022 - B 5 R 314/21 B - juris RdNr 10).

Soweit der Kläger auch unter Vorlage weiterer ärztlicher Befunde geltend macht, er habe einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, wendet er sich gegen eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).

2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg ist unzulässig, denn sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Die Beschwerde konnte, worauf der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt werden (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 1 Satz 2 SGG). Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Düring

Gasser

Körner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15554511

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