Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 18.09.1996; Aktenzeichen L 6 Ar 917/94)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. September 1996 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist mit dem Begehren auf Entschädigung seiner Lungenkrebserkrankung als bzw wie eine Berufskrankheit (BK) ohne Erfolg geblieben (Bescheide vom 10. August 1989 und 7. Juni 1993 sowie Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1989; Urteile des Sozialgerichts vom 20. August 1991 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 18. September 1996). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die im Jahre 1975 beim Kläger aufgetretene Bronchialkrebserkrankung weder als BK iS des § 551 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm der BK-Liste noch wie eine BK nach § 551 Abs 2 RVO anerkannt und entschädigt werden könne. Sein Lungenleiden stelle zwar eine BK im Sinne der Nr 4104 Alternative 3 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) dar, sei aber als „Altfall” nicht zu entschädigen. Eine Anerkennung und Entschädigung als Quasi-BK verbiete sich, da der Kläger nicht alle Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO erfülle und zudem die Rückwirkungsregelung der 2. Änderungs-Verordnung der BKVO eine Entschädigung asbestbedingter Altfälle auch im Rahmen des § 551 Abs 2 RVO verbiete.

Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde, die der Beschwerdeführer auf eine Abweichung und einen Verfahrensmangel des LSG stützt, ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerdebegründung.

Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann für eine Zulassung der Revision ausreichend schlüssig begründet, wenn erklärt wird, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29 und 54). Dabei kann die Entscheidung, von der abgewichen sein soll, auch nach Erlaß des Urteils des LSG ergangen sein; der Text der schriftlichen Entscheidung muß jedoch vorliegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 5. Aufl, § 160 RdNr 12 mwN). Daß die vom Beschwerdeführer bezeichnete Entscheidung des BVerfG zur Rückwirkungsklausel der 2. Änderungs-Verordnung der BKVO ergangen ist, hat er nicht vorgetragen. Sie ist – soweit ersichtlich – auch noch nicht ergangen.

Der ferner auf einen Verfahrensmangel des LSG gestützte Zulassungsgrund kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die vom Beschwerdeführer insoweit erhobene Rüge ist schon deshalb nicht schlüssig im obigen Sinn dargelegt, weil er einen berücksichtigungsfähigen und vom LSG übergangenen Beweisantrag aus dem Berufungsverfahren überhaupt nicht bezeichnet hat (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 sowie Beschluß des Senats vom 2. August 1996 – 2 BU 136/96 –). Die übrigen Ausführungen des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang betreffen im Kern die Beweiswürdigung durch das LSG. Solche gegen die Beweiswürdigung des LSG gerichteten Rügen können jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG es ausdrücklich ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen.

Die vom Beschwerdeführer angeführte Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG (1 BvR 791/95) gegen das Urteil des Senats vom 19. Januar 1995 – 2 RU 14/94 – (HVBG-INFO 1995, 1331) zwingt zu keiner anderen Entscheidung über die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde ist ein dem Staatsbürger eingeräumter „außerordentlicher Rechtsbehelf” (BVerfGE 18, 315, 325). Sie ist kein zusätzlicher Rechtsbehelf zum fachgerichtlichen Verfahren; sie ist vielmehr ein „eigenständiges, besonderes Rechtsschutzmittel zur prozessualen Durchsetzung der Grundrechte und diesen gleichgestellten Rechte” (BVerfGE 74, 220, 226) und hindert damit die Fachgerichte nicht, in weiteren Rechtsstreitigkeiten nach erneuter Überprüfung abschließend zu entscheiden (s ua Beschluß des Senats vom 19. März 1996 – 2 BU 29/96 –).

Aus diesen Gründen und mangels einer Rechtsgrundlage (§ 114 Abs 1 oder Abs 2 SGG) war auch eine vom Beschwerdeführer beantragte Aussetzung des Beschwerdeverfahrens abzulehnen. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt nicht von einem familien- oder erbrechtlichen Verhältnis ab (§ 114 Abs 1 SGG). Die Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit nach § 114 Abs 2 SGG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Frage der Verfassungswidrigkeit oder Nichtigkeit einer Norm – hier des Art 2 Abs 2 der 2. Änderungs-Verordnung der BKVO – ist kein „Rechtsverhältnis” iS des § 114 Abs 2 SGG (BSG SozR 3-1500 § 114 Nr 3 mwN). Für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift (s BSG aaO) hat der Beschwerdeführer nichts vorgetragen.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173451

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