Verfahrensgang

SG Hildesheim (Entscheidung vom 02.11.2020; Aktenzeichen S 3 AL 86/18)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 19.07.2021; Aktenzeichen L 11 AL 85/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

1. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119). Eine solche Divergenz hat der Kläger nicht aufgezeigt.

Der Kläger entnimmt der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3.5.2018 - B 11 AL 6/17 R - BSGE 126, 32 = SozR 4-4300 § 144 Nr 26, RdNr 20) den Rechtssatz, dass § 148 Abs 1 Nr 7 SGB III auch dann anzuwenden sei, wenn ein Weiterbildungslehrgang und die abschließende Prüfung als einheitliche Bildungsmaßnahme anzusehen sind, was wiederum der Fall sei, wenn die Prüfung in zeitlichem und organisatorischem Zusammenhang mit dem Lehrgang stehe. Dass das LSG einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat, hat der Kläger nicht dargelegt. Er benennt als abweichenden Rechtssatz des LSG, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Weiterbildung nur für Zeiten bestehe, in denen der Betroffene tatsächlich an der Weiterbildung teilgenommen habe. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführten Formulierungen des LSG betreffen jedoch allein den Zeitraum vom 13.7. bis 14.8.2018, also den Zeitraum nach der Abschluss- und nach der Ergänzungsprüfung. Der Kläger hätte deshalb darlegen müssen, dass sich der Rechtssatz des BSG nicht allein auf den Zeitraum zwischen Unterrichtsende und Prüfungsabschluss beziehe, sondern der Entscheidung des BSG der Rechtssatz zu entnehmen sei, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Weiterbildung stets dann bestehe, wenn ein Bildungsgutschein ausgestellt worden sei, unabhängig davon, ob der Betroffene an der Weiterbildung teilnimmt oder die Weiterbildungsmaßnahme überhaupt stattfindet. Damit setzt sich der Kläger indes nicht auseinander.

2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erachtet als Frage von grundsätzlicher Bedeutung:

"Steht eine Prüfung, die 5 Tage nach dem Ende einer durch einen Bildungsgutschein geförderten Maßnahme stattfindet, noch in einem engen zeitlichen und organisatorischen Zusammenhang mit dieser Maßnahme, wie ihn das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 03.05.2018 B 11 AL 6/17 R formuliert hat, damit eine Zahlung von Arbeitslosengeld nach der Vorschrift des § 148 Abs. 1 Ziff. 7 SGB III statt der Zahlung von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit erfolgt und ist ein enger zeitlicher und organisatorischer Zusammenhang auch dann anzunehmen, wenn nach einer nicht bestandenen ersten Prüfung in einer Zeit von 5 Wochen nach dieser Prüfung eine Wiederholungsprüfung stattfindet?"

Damit ist aber schon keine abstrakte Rechtsfrage formuliert, sondern eine auf die konkreten Umstände des Einzelfalles bezogene Subsumtionsfrage, die den Zugang zum Revisionsgericht nicht eröffnen kann (vgl etwa BSG vom 4.7.2018 - B 3 KR 49/17 B - juris RdNr 8; BSG vom 8.8.2019 - B 12 KR 16/19 B - juris RdNr 10; BSG vom 12.3.2020 - B 11 AL 1/20 BH - juris RdNr 3; BSG vom 14.12.2020 - B 11 AL 11/20 BH - juris RdNr 3). Dass das LSG in seiner Entscheidung für die Frage der Anwendung des § 148 Abs 1 Nr 7 SGB III lediglich den Zeitraum vom 13.7. bis 14.8.2018 (Zeitraum des ursprünglich geplanten, aber verschobenen Vorbereitungslehrgangs) in den Blick genommen hat, nicht aber die Zeiträume vom 2. bis 6.6.2018 (Zeitraum zwischen Ende der Weiterbildungsmaßnahme und der Abschlussprüfung) und vom 7.6. bis 11.7.2018 (Tag der Ergänzungsprüfung), mag zwar zumindest hinsichtlich des erstgenannten Zeitraums im Ergebnis materiell fehlerhaft sein. Das Revisionszulassungsverfahren dient jedoch nicht der Fehlerkorrektur im Einzelfall.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.

Meßling                       B. Schmidt                                Burkiczak

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15092160

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