Rz. 116

In Brasilien ist am 10.6.2005 mit der Lei 11.101/2005 das zuvor geltende Konkursrecht in wesentlichen Teilen erneuert und jüngst durch Lei 14.112/2020 auf modernen Stand gebracht worden. Zusätzlich zum eigentlichen Konkursverfahren (Processo de Falência), welches der Gesellschaftsliquidation sowie Verwertung/Verteilung der Erlöse unter den Gläubigern dient, wurde das der Restrukturierung des Unternehmens dienende Sanierungsverfahren (Recuperação) geschaffen. Mit dem Sanierungsverfahren soll überlebensfähigen Unternehmen (Unternehmensteilen) das Weiterbestehen ermöglicht werden. Es gibt zwei Sanierungsformen:

die gerichtliche Sanierung ("Recuperação Judicial", Art. 47 ff. der Lei 11.101/2005) und
die außergerichtliche Sanierung ("Recuperação Extrajudicial", Art. 161 ff. der Lei 11.101/2005).
 

Rz. 117

Dem Konkursgesetz unterliegen alle Unternehmer und unternehmerischen Gesellschaften, also auch die Limitada. Zuständig ist das Gericht am Ort der Hauptniederlassung des Insolvenzschuldners.

 

Rz. 118

Im Falle der Eröffnung eines Konkursverfahrens wird ein Konkursverwalter eingesetzt, dem sämtliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das Vermögen des Insolvenzschuldners zustehen. Beim gerichtlichen Sanierungsverfahren bleibt der Schuldner verwaltungsbefugt, wenn auch unter Aufsicht und Eingriffsermächtigung eines vom Gericht bestellten Insolvenzverwalters. Im Sanierungsverfahren wird ein Insolvenzplan erarbeitet und mit den im Gesetz vorgesehenen Mehrheiten von der Gläubigerschaft verabschiedet. Dieser Insolvenzplan legt die für die Sanierung des Unternehmens beschlossenen Mechanismen fest, erläutert ihre wirtschaftliche Durchführbarkeit und enthält ein wirtschaftlich-finanzielles Bewertungsgutachten über die Güter und Aktiva des Insolvenzschuldners. Arbeitsrechtliche Forderungen genießen im Sanierungsverfahren ein Privileg: Sie müssen innerhalb eines Jahres vollständig bezahlt werden, während andere Forderungen länger gestundet oder durch Teilverzichte reduziert werden können.

 

Rz. 119

Erweist sich ein Insolvenzplan als nicht durchführbar, so folgt automatisch das Konkursverfahren. Konkursantragsberechtigt sind neben dem Schuldner in erster Linie Gläubiger. Letztere können den Konkurs insbesondere dann beantragen, wenn der Schuldner ohne rechtlichen Grund bei Fälligkeit eine liquide Forderung, deren Summe den Gegenwert von 40 Mindestlöhnen (ein Mindestlohn beträgt seit Januar 2021 1100 R$ = ca. 180 EUR) übersteigt, nicht bezahlt. Die Forderung muss in einem Titel oder protestierten Vollstreckungstitel ausgedrückt sein. Sanktionierte Konkursantragspflichten der Geschäftsführer oder Gesellschafter einer Limitada bestehen nicht; zu beachten ist aber die Schadensersatznorm des Art. 1053 i.V.m. Art. 1016 CC wegen Pflichtverletzungen in Ausübung des Geschäftsführeramtes (siehe näher Rdn 95 f.). Eigenanträge sind deshalb vergleichsweise selten. Die überwiegende Anzahl brasilianischer Konkurs- oder Sanierungsverfahren beruht auf Fremdanträgen von Gläubigern. Beantragt die Gesellschaft selbst den Konkurs, so erfordert dies einen Gesellschafterbeschluss mit absoluter Mehrheit, Art. 1076 Abs. 2 i.V.m. Art. 1071 Abs. 8 CC. Die Erklärung des Konkurses führt kraft Gesetzes zur Auflösung der Gesellschaft, Art. 1087 i.V.m. Art. 1044 CC.

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