Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 17.09.2021, Az. 4 O 53/21, wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 17.09.2021, Az. 4 O 53/21, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf bis zu 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 02.06.2015 den streitgegenständlichen (gebrauchten) VW Golf Comfortline mit einem Kilometerstand von 137.039 km zu einem Kaufpreis von 10.490 EUR. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter und entwickelter Dieselmotor des Typs EA 189 mit der Schadstoffklasse Euro 5 verbaut, der über eine geregelte Abgasrückführung verfügt.

In dem Fahrzeug war eine Software implementiert, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Abgasprüfstand befand oder im normalen Straßenverkehr. Abhängig davon wurde die Abgasrückführung entweder aktiviert - um auf dem Prüfstand die NOx-Grenzwerte einhalten zu können - (Abgasrückführungsmodus 1) oder erheblich reduziert bis zur vollständigen Inaktivierung der Abgasrückführung (Abgasrückführungsmodus 0). Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich das Verwenden einer entsprechenden Software ein. Am 15.10.2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) mit einer nachträglichen Nebenbestimmung zur Typengenehmigung. Das KBA ging von einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese - unter Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte - zu beseitigen. Das entsprechende Software-Update wurde auch an dem streitgegenständlichen Fahrzeug am 21.01.2017 durchgeführt.

Im Dezember 2018 hat die Klägerin sich zur Musterfeststellungsklage an- und am 30.09.2019 wieder abgemeldet.

Der Kilometerstand des Fahrzeugs am 27.08.2021 betrug 263.843 km.

Mit der Klage hat die Klägerin in der Hauptsache zunächst die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung geltend gemacht, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Das Landgericht hat die Beklagte lediglich verurteilt, das Fahrzeug zurückzunehmen. Ein Zahlungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, weil die unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km anzusetzende Nutzungsentschädigung den Kaufpreis übersteige. Zudem hat das Landgericht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und die Beklagte zur Zahlung eines Teils der vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und macht zudem hilfsweise einen Betrag von 20 % des Kaufpreises als sogenannten "kleinen Schadenersatz" geltend. Hierzu wiederholt sie ihre erstinstanzliche Argumentation und tritt insbesondere der vom Landgericht angesetzten Gesamtlaufleistung entgegen, die nach Auffassung der Klägerin mit mindestens 350.000 km anzusetzen sei.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 17.09.2021, Az. 4 O 53/21,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.243,91 EUR, abzüglich einer im Berufungstermin ggf. abschließend und weiter zu bestimmenden Nutzungsentschädigung, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs VW Golf W...;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. genannten Pkw im Annahmeverzug befindet;

3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrages, mindestens 2.098,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 1.461,32 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Rahmen einer Anschlussberufung beantragt die Beklagte,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte hält den geltend gemachten Anspruch schon dem Grunde nach nicht für gegeben und verteidigt die Klageabweisung. Soweit das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben habe, sei dies rechtsfehlerhaft.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet; die zulässige Anschlussberufung führt zur vollständigen Abweisung der Klage.

1. Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte zusteht. Dabei ist es unerheblich, ob die Klägerin den "großen" oder den "kleinen" Schadenersatz geltend macht. Auch...

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