Normenkette

EUV 1169/2011 Art. 2 Abs. 1 Buchst. a; EUV 1169/2011 Art. 7 Abs. 3

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 08.05.2018 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Cottbus - 11 O 103/17 - abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).

II. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet, denn der Verfügungskläger hat das Bestehen eines Verfügungsanspruchs nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO).

Ein Verfügungsanspruch bestand weder in der ursprünglichen Antragsfassung, wonach der Verfügungskläger von der Verfügungsbeklagten die Unterlassung der Bewerbung/Kennzeichnung "Zu jedem Antibiotikum" und "Wissenschaftlich geprüft" des Nahrungsergänzungsmittels O... begehrt hatte, noch besteht er in der Fassung des Antrags vom 22.01.2019, wonach der Verfügungskläger nunmehr die Unterlassung der Werbung/Kennzeichnung für das Nahrungsergänzungsmittel O..., wie aus Anlage Ast 8 ersichtlich, begehrt.

Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs des Verfügungsklägers nach § 8 Abs. 1 UWG liegen nicht vor. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung kann ein Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften nicht festgestellt werden. Der Verfügungskläger, der für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen im einstweiligen Verfügungsverfahren darlegungspflichtig ist und auch die Last der Glaubhaftmachung trägt, hat die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht hinreichend glaubhaft gemacht, § 294 Abs. 1 ZPO.

In der Bewerbung/Kennzeichnung des Nahrungsergänzungsmittels O... mit "Zu jedem Antibiotikum" und/oder "Wissenschaftlich geprüft" liegt weder ein Verstoß gegen das Verbot krankheitsbezogener Werbung (zu 1.) noch gegen das Verbot gesundheitsbezogener Werbung (zu 2.) vor.

1. Art. 7 Abs. 3 der VO (EU) 1169/2011 (im Folgenden: LMIV) ist eine Vorschrift, die neben dem menschlichen Gesundheitsschutz jeweils auch eine marktschützende Funktion im Sinne von § 3a UWG hat (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 3a 1.25). Diese Vorschrift verbietet vorbehaltlich der Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (diätetische Lebensmittel), dass einem Lebensmittel Eigenschaften zugeschrieben werden, die der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit dienen oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Über Art. 7 Abs. 4 lit. a) und b) LMIV gilt dies auch für die Werbung und Aufmachung (Verpackung) von Lebensmitteln.

1.1 Bei dem Nahrungsergänzungsmittel O... handelt es sich um ein Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a) LMIV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. "Lebensmittel" sind danach alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. O... dient dazu, vom Menschen aufgenommen zu werden.

1.2 Die Verpackungsbezeichnung "Zu jedem Antibiotikum" ist nicht krankheitsbezogen i.S. von Art. 7 Abs. 3 LMIV. Der Begriff der "Krankheit" aus Art. 7 Abs. 3 LMIV ist europarechtlich nicht weiter definiert, sondern maßgeblich durch die Rechtsprechung geprägt (Voit/Grube, LMIV, 2. Aufl. 2016, Art. 7 Rn. 292). Er ist grundsätzlich weit auszulegen, denn überall dort, wo die Gesundheit in der Werbung ins Spiel gebracht wird, sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 23.12.2014 - 3 U 1874/14, GRUR-RR 2015, 391, Ingwer-Hustenbonbon, zur Vorgängernorm in Art. 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB). Krankheit ist deshalb jede, also auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, das heißt beseitigt oder gelindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit darstellt, der jeder Körper ausgesetzt ist (OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Schleswig, Urteil vom 20.3.2014 - 6 U 3/12, BeckRS 2014, 22321). Eine Aussage ist sonach krankheitsbezogen, wenn sie dem angesprochenen Verbraucher direkt oder indirekt suggeriert, das Lebensmittel, für das geworben wird, könne zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit beitragen (KG, Urteil vom 04.11.2016 - 5 U 3/16 Rn. 81, zit. n. juris).

Maßgeblich für die Annahme einer krankheitsbezogenen Werbung ist daher, ob ein rechtlich erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucherkreise die A...

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