Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 06.07.2020, Az. 1 O 335/18, abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Beklagten wegen der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Audi A6, Avant 2.0 TD in Anspruch genommen, der mit dem von der Volkswagen AG entwickelten Motor EA 189 ausgestattet ist. Die Beklagte zu 1. ist die Herstellerin des Fahrzeuges, die erstinstanzlich Beklagte zu 2. die Händlerin, bei der das Fahrzeug erworben wurde. Am Berufungsverfahren ist nur die Beklagte zu 1. beteiligt, nachdem das Landgericht die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage wegen Eintritts der Verjährung abgewiesen hat.

Hinsichtlich des Sachverhaltes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Frage des sittenwidrigen Handelns durch Vertreter der Beklagten zu 1. und des Vorsatzes bezüglich der Sittenwidrigkeit und der Schädigung außerdem vorgetragen:

Die Beklagte zu 1. hafte als Fahrzeugherstellerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, weil sie ein Fahrzeug in Verkehr gebracht habe, von dem sie gewusst habe, dass sie die EG-Typengenehmigung durch eine Täuschung erschlichen habe. Ihr sei zudem bekannt gewesen, dass die Gefahr des Widerrufs der Betriebserlaubnis bestehe. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 1. habe als Herstellerin des Motors über die Zulassungsfähigkeit und die Umstände der Erteilung der Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug getäuscht. Sie müsse sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen sei, zurechnen lassen. Sie habe von der manipulierenden Motorsteuerungssoftware jedenfalls ab dem Jahr 2007 Kenntnis gehabt, diese in Auftrag gegeben oder zumindest gebilligt. Jedenfalls falle ihr ein Organisationsverschulden zur Last. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass Berichtspflichten dazu eingerichtet seien, dass über alle wesentlichen Entscheidungen an den Vorstand berichtet werde. Insoweit sei es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand die manipulierende Funktion der Motorsteuerung bekannt gewesen sei. Davon sei insbesondere auszugehen, weil die Beeinflussung der Steuerungssoftware einer Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht eine wesentliche Unternehmensentscheidung darstellt. Es sei daher auch von einem Schädigungsvorsatz auszugehen.

Die Mitarbeiter der Beklagten zu 1. hätten damit rechnen müssen, dass die Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Software weiterveräußert wurden. Aus der Verheimlichung der Software ergebe sich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter der Beklagten zu 1. in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich Typengenehmigung und Betriebszulassung führen könnte und dass die Käufer die Fahrzeuge wegen solcher Schwierigkeiten nicht erwerben wollten.

Das Vorgehen der Beklagten zu 1. sei systematisch erfolgt. Über Jahre hinweg sei die Abschalteinrichtung von der Beklagten zu 1. nicht nur im Fahrzeug der Klägerin, sondern in den Jahren 2008 bis 2015 auch in der gesamten Fahrzeugserie eingesetzt worden. Der Vorstand der Beklagten könne sich nicht damit entlasten, dass die Mitarbeiter der Beklagten ohne seine Kenntnis den Motor bestellt und eingebaut hätten und er nichts von der Manipulation gewusst hätte. Die Kenntnis der Mitarbeiter sei der Beklagten zu 1. zuzurechnen. Dass die Mitarbeiter Kenntnis gehabt haben mussten, liege auf der Hand, denn die Beklagte zu 1. behaupte auch nicht, dass ihre eigenen Mitarbeiter die Funktionsweise ihrer Fahrzeuge nicht verstehen würden und nicht an den Genehmigungsverfahren mitgewirkt hätten.

Die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast, denn der Klägerin seien die internen Betriebs- und Organisationsabläufe nicht bekannt. Selbst wenn die Vorstandsmitglieder von der Softwaremanipulation nicht gewusst hätten, träfe die Beklagte zu 1. ein Organisationsverschulden, da sie die betrieblichen Abläufe so organisieren müsse, dass für alle wichtigen Aufgabenbereiche ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig sei, der die wesentlichen Entscheidungen selbst treffe. Der Vorstand der Beklagten zu 1. habe sich nicht um die Kontrolle der Einhaltung der an die Betriebserlaubnis gestellten rechtlichen Anforderungen gekümmert. Er habe die daraus resultierenden Folgen billigend in Kauf genommen.

Die Beklagte zu 1. hat zu...

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