Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Wertung von Nebenangeboten ist eine Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen, auch wenn das Nebenangebot den Mindestanforderungen entspricht. Eine besondere Gleichwertigkeitsprüfung ist nur dann entbehrlich, wenn der Auftraggeber sie durch die Bekanntgabe einer zugelassenen konkreten Alternative bereits vorweggenommen hat.

2. Ein Bieter, der im Leistungsverzeichnis überreichlich kalkulierte Mengenansätze nachkalkuliert, die seiner Auffassung nach zutreffenden Mengenansätze ermittelt und diese zu Pauschalpreisen anbietet, macht damit kein auf einer eigenständigen technischen Ausarbeitung beruhendes Nebenangebot., sondern nimmt eine nicht zulässige Änderung der Verdingungsunterlagen vor.

3. Das Verbot der Änderung der Verdingungsunterlagen gilt nicht nur für Hauptangebote, sondern auch für Nebenangebote, soweit die Abweichungen vom Amtsentwurf nicht durch die das Nebenangebot ausmachende technische Lösung bedingt sind, sondern in einer Änderung von Positionen besteht, die entsprechend dem Amtsentwurf ausgeführt werden sollen.

4. Wird hilfsweise die Aufhebung des Vergabeverfahrens begehrt, ist der entsprechende Antrag wegen unauflösbarem Widerspruch zum Hauptantrag unzulässig, wenn der Hilfsantrag die Erhebung einer Rüge voraussetzt, deren Fehlen Voraussetzung für den Erfolg des Hauptantrages ist.

5. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufzuheben, wenn entgegen den Angaben des Auftraggebers der Schwellenwert tatsächlich nicht erreicht sein dürfte, jedoch auf den Nachprüfungsantrag eine Sachprüfung stattgefunden hat, bei der der Antragsteller unterlegen war.

 

Normenkette

GWB § 78; VgV § 2; VOB/A 2006 §§ 21, 25

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg beim MfW (Beschluss vom 08.11.2010; Aktenzeichen VK 51/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 21.11.2010 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 8.11.2010 - VK 51/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich derjenigen des Verfahrens der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 11.6.2010 wurde das Bauvorhaben "Neubau einer Grünbrücke, A 12, km 39,85, BW 15Ü2a", im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Varianten/Alternativangebote waren nach Ziff. II.1.9) der Bekanntmachung zugelassen. Zuschlagskriterium war gem. Ziff. IV. 2.1) der Bekanntmachung allein der niedrigste Preis. Die Bekanntmachung, Ziff. I.1), nennt den Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg, NL Autobahn, als Auftraggeber.

In den Verdingungsunterlagen vom 28.5.2010 heißt es, dass der Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg die Leistung im Namen und für Rechnung (Auftraggeber) der Bundesrepublik Deutschland - Bundesstraßenverwaltung -, vertreten durch das Land Brandenburg, dieses vertreten durch den Landesbetrieb Straßenwesen, NL Autobahn, vergibt. Die Baubeschreibung sowie das Leistungsverzeichnis weisen für die beiden Teilleistungen Straßen- und Brückenbau geringfügige Leistungsbestandteile der Ausschreibung aus, die auf Rechnung des Landes anzubieten sind. Fast alle Leistungen sind solche auf Rechnung des Bundes.

Die Gesamtbaumaßnahme gliedert sich nach der Baubeschreibung in drei Vergabeeinheiten. Neben der hier streitgegenständlichen Vergabeeinheit betreffend den Straßen- und Brückenbau sind noch zwei Vergabeeinheiten Landschaftsbau und Einfriedungen vorgesehen.

Zu den Verdingungsunterlagen gehört u.a. der Vordruck HVA B-StB-Mindestanforderungen. Die Mindestanforderungen für Nebenangebote verweisen auf Technische Regelwerke, Allgemeine Rundschreiben Straßenbau (ARS) und Erlasse. Am 1.7.2010 teilte der Auftraggeber den Bietern mit, dass das Erfordernis, dass Nebenangebote eine rechnerisch nachvollziehbare Mengenermittlung für alle Mengen in allen geänderten sowie neu hinzukommenden Positionen enthalten müsse, gestrichen wurde.

Neben der Antragstellerin gaben zehn weitere Bieter Angebote ab. Die Antragstellerin reichte ein Haupt- und drei Nebenangebote ein, der Submissionszweite ein Haupt- und ein Nebenangebot, der submissionsgünstigste Bieter ein Hauptangebot. Bei der Submission lag die Antragstellerin mit ihrem Hauptangebot auf Rang drei. Berücksichtigt man die Nebenangebote 1 und 3 der Antragstellerin, ist diese preisgünstigste Bieterin.

Die Hauptangebote bewegten sich preislich zwischen 4,677 Mio. EUR und 6,275 Mio. EUR/brutto, d.h. zwischen knapp 4 Mio. EUR und 5,27 Mio. EUR netto. Der Auftraggeber überprüfte daraufhin seine auf Festlegungen zum 30.10.2009 beruhende Auftragswertschätzung i.H.v. 6.773.000 EUR. Gemäß Vergabevermerk resultieren die Abweichungen zum geschätzten Wertumfang des Bauvorhabens aus einer Kostenschätzung mit 30 % höheren Stahlpreisen. Der drastische Preisanstieg bei vergleichbaren Brückenbaumaßnahmen habe dazu geführt, auch für die Betonarbeiten höhere Preise in die Kostenberechnung aufzunehmen. Ger...

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