Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung. Haftung des Geschäftsführers einer GmbH

 

Normenkette

GmbHG § 64 Abs. 2 S. 1; BGB § 830 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 21.03.1988; Aktenzeichen II ZR 194/87)

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung i.H.v. 301.199,71 DM geltend.

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Der Beklagte war in der Zeit v. 15.6.1995 bis Ende August 1995 als sog. Treuhänder – jedenfalls u.a. – mit der Verwaltung von Kreditmitteln betraut, die der Schuldnerin von der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) aufgrund des Darlehensvertrages v. 8.8.1995 zur Verfügung gestellt worden waren.

Dem Beklagten oblag es ferner, Investoren zu finden, die die Geschäftsanteile der Schuldnerin erwerben würden, um auf diese Weise eine Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin zu gewährleisten. Der Tätigkeit des Beklagten für die Schuldnerin lag ein Gespräch im Gebäude des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg v. 13.6.1995 zugrunde. An diesem Gespräch nahmen die Geschäftsführer der Schuldnerin, der Vorstand der alleinigen Gesellschafterin, der W. AG, der Beklagte und Vertreter des Ministeriums teil. Im Rahmen dieses Gespräches wurde der Versuch eines Erhaltes der Schuldnerin bzw. des von ihr geführten Unternehmens erörtert. Grundlage war ein Vermerk des Ministeriums v. 6.6.1995 über „Sanierungs- bzw. Konsolidierungshilfen des Landes für in Not geratene Unternehmen”. Dieses Modell sah u.a. den Einsatz eines Treuhänders vor, der für den Sanierungs- und Konsolidierungszeitraum alle Gesellschaftsanteile verwalten sollte. Neben dem Treuhänder sollte eine Betriebsführungsgesellschaft Sanierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen in dem in der Krise befindlichen Unternehmen durchführen. Dem Treuhänder sollte die Kontrolle dieser Betriebsführungsgesellschaft obliegen.

Im Ergebnis der Erörterung dieses Konzeptes erklärten der Vertreter der Gesellschafterin und die Geschäftsführer der Schuldnerin ihr generelles Einverständnis mit diesem Modell und der Auswahl des Unterzeichners als Treuhänder.

Eine Betriebsführungsgesellschaft ist – jedenfalls für die Schuldnerin – nicht tätig geworden. Ursächlich hierfür könnte die im Schreiben des Beklagten v. 15.6.1995 – in dem er zu der Unterredung v. 13.6.1995 Stellung nimmt – ausgeführte Empfehlung sein, von der Gründung einer gesonderten Betriebsführungsgesellschaft zunächst abzusehen. In diesem Zusammenhang wies der Beklagte darauf hin, dass die Unterstellung der Geschäftsführung der Schuldnerin unter das Weisungsrecht des Treuhänders eine faktische Fremdbetriebsführung darstelle und der Treuhänder die Betriebsführungsgesellschaft sei.

Der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg teilte dem Beklagten mit Schreiben v. 27.6.1995 mit, dass er beabsichtige, den Beklagten „mit der treuhänderischen Verwaltung des Unternehmens A. zu beauftragen.” Die endgültige Bestellung könne erst nach Bereitstellung der benötigten Finanzierungsmittel erfolgen.

Mit weiterem Schreiben v. 12.9.1995 teilte der Minister dem Beklagten mit, dass er seine vorläufige Bestellung des Beklagten „als Treuhänder der oben angegebenen Gesellschaft” (d.h. der Schuldnerin) in eine endgültige Bestellung umwandle. In dem Schreiben heißt es ferner:

„Als Treuhänder haben Sie den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin im Zeitraum v.1.6. 1995 bis 31.8.1995 sicherzustellen und zugleich für das Unternehmen einen oder mehrere Gesellschafter zu finden. Eine Benachteiligung bzw. Besserstellung einzelner Gläubiger und/oder Schuldner ist auszuschließen. Ziel muss es sein, den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft in D nach dem 31.8.1995 fortzuführen und Arbeitsplätze in der Region zu sichern.”

Der Beklagte nahm seine Tätigkeit in den Angelegenheiten der Schuldnerin am 15.6.1995 auf und führte diese bis Ende August 1995 fort. Er sorgte u.a. dafür, dass drei die Schuldnerin in erheblichem Umfang kreditierende Banken, die DB AG, die ILB und IKB AG, Rangrücktrittserklärungen für den Zeitraum seiner Treuhänderschaft abgaben. Des Weiteren bemühte er sich um potentielle Käufer für die Schuldnerin.

Am 1.9.1995 stellte die Geschäftsführung der Schuldnerin Antrag auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens. Das AG Potsdam ordnete mit Beschl. v. 4.9.1995 ein allgemeines Verfügungsverbot an und eröffnete mit Beschl. v. 1.11.1995 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, der Beklagte habe bei der Schuldnerin die Stellung eines faktischen Geschäftsführers innegehabt. Sämtliche Entscheidungen über Auszahlungen seien seit dem 15.6.1995 nur mit seiner Zustimmung erfolgt. Der Beklagte habe auch seit dem 13.6.1995 Kenntnis von der bereits bestehenden Überschuldung der Schuldnerin gehabt. Nach Aufnahme seiner Tätigkeit am 15.6.1995 sei der ihm von § 64 Abs. 1...

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