Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.02.2022; Aktenzeichen VI ZR 265/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28.06.2019 - Az.: 11 O 403/18 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.468,39 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW ..., Fahrzeug-Identifikationsnummer ....

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Fahrzeugs seit dem 04.12.2018 in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 887,02 EUR freizustellen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückgängigmachung eines Kaufvertrages über einen PKW auf deliktischer Grundlage in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 15.11.2016 bei dem ... mit Sitz in ... den gebrauchten PKW ... mit der Fahrzeugidentitätsnummer ... mit einer Laufleistung von 118.306 km zu einem Kaufpreis von 14.980 EUR brutto. Das Fahrzeug wurde am 11.07.2012 erstzugelassen.

In dem genannten Fahrzeug war der von der Beklagten entwickelte Dieselmotor mit der internen Bezeichnung "EA 189" eingebaut. Der Motor war zum Zeitpunkt des Verkaufs mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet, die erkennt, wenn das Fahrzeug - etwa im Rahmen des Zulassungsverfahrens - den sogenannten "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) durchfährt, der für die Prüfung des Abgaswertes eines neuen Fahrzeugs relevant ist. In diesem Zyklus wird eine bestimmte Menge an Abgasen vor Erreichen des Emissionskontrollsystems in den Motor zurückgeführt, fällt also bei der Kontrolle nicht an ("Modus 1"). Auf Basis der hierdurch erzielten Abgaswerte wurde dem Fahrzeug bzw. dem Motor bescheinigt, dass er die "Euro 5"- Abgasnorm erfülle, die unter anderem auch das Maß an ausgestoßenen Stickoxiden regelt. Unter realen Bedingungen im Straßenverkehr ("Modus 0") erfolgt die Abgasrückführung nicht im selben Maße mit der Folge, dass wesentlich mehr Stickoxide ausgestoßen werden.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) stellte mit rechtskräftigem Bescheid vom 15.10.2015 gegenüber der Beklagten fest, dass es sich bei der von der Beklagten verwendeten Motorsteuerungssoftware um eine unzulässige Abschaltvorrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10 der EU- Verordnung Nr. 715/2007 handelte. Die Beklagte wurde verpflichtet, diese zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.

Am 22.09.2015 gab die Beklagte eine ad-hoc Mitteilung heraus, in der sie über die Diesel-Thematik informierte. Im Anschluss an diese Nachricht wurde in sämtlichen Medien über die sogenannte "Diesel-Affäre" bzw. den "Diesel-Skandal" berichtet.

Die Beklagte entwickelte in der Folge ein Software-Update für den Motortyp EA 189. Mit Schreiben vom 03.06.2016 an die Beklagte bestätigte das KBA der Beklagten gegenüber - bezüglich der Fahrzeuge des hier streitgegenständlichen Typs ... -, dass die von der (X) AG dem KBA vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen.

Nach dem Kauf erhielt der Kläger ein Rückrufschreiben der Beklagten und ließ das Software-Update am 22.03.2017 aufspielen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu erstatten und am Wohnsitz des Klägers abzuholen. Dies lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein deliktischer, auf die Rückabwickelung des Kaufvertrages gerichteter Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB sowie wegen Betrugs aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zu. Die im Motor eingesetzte Software sei eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der Art. 5 Abs. 2 der EU-Verordnung. Er hat behauptet, vom Einbau der unzulässigen Software hätten neben zahlreichen, teilweise namentlich benannten Führungskräften, leitenden Managern und Ingenieuren auch mehrere Vorstände und der damalige Vorstandsvorsitzende gewusst. Er selbst habe beim Kauf keine Kenntnis davon gehabt, dass das Fahrzeug mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehen gewesen sei; ein Hinweis hierauf sei durch den Händler nicht erfolgt. Er habe hiervon erst später durch ein Schreiben der Beklagten nach dem Kauf, wonach das Fahrzeug wegen einer Rückrufaktion habe vorgestellt werden sollen, erfahren. Wenn er dies vorher gewusst hätte, hätte er das Fahrzeug nicht gekauft. Er hat wei...

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