Leitsatz (amtlich)

1. Werden bei Schaffung eines literarischen Werks mitttels Collagetechnik neben eigenen Texten, Tagebucheintragungen und Urkunden urheberrechtlich geschützte Zeitungsartikel und in Zeitungen veröffentlichte Lichtbilder verwandt, sind diese Zitate künstlerisches Ausdrucks- und Gestaltungsmittel. Unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 GG muss ein solcher Eingriff in urheberrechtlich geschützte Positionen hingenommen werden, wenn er geringfügig erscheint und nicht mit der Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile verbunden ist.

2. Stellt die Verwendung der Artikel und Lichtbilder ein vom Autor gewolltes künstlerisches Ausdrucks- und Gestaltungsmittel dar, kann ihm nicht zugemutet werden, um die Einwilligung des Urheberrechtsinhabers nachzusuchen. Dies würde seine künstlerische Freiheit unzulässig beschränken.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 3; UrhG § 51 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 11.01.2010; Aktenzeichen 2 O 266/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.11.2011; Aktenzeichen I ZR 212/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11.1.2010 verkündete Teilurteil des LG Potsdam (Az.: 2 O 266/09) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit i.H.v. jeweils 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche aus einer Buchveröffentlichung.

Die Klägerin gibt die insbesondere im östlichen Brandenburg gelesene lokale "M." (M.) mit elf Regionalausgaben und einer Auflage von ca. 100.000 täglich heraus.

Der Beklagte war von 1991 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2003 Direktor des AGE.. Seit seiner Pensionierung verfasste der Beklagte vier Bücher, in denen er seine Familiengeschichte, seine persönliche Geschichte und die im GerichtsbezirkE. gemachten Erfahrungen sowie die in den Jahren nach der Wende aufgetretenen Erscheinungen zum Gegenstand machte. Im Jahre 2009 erschien als vorerst letztes Buch der Reihe das Buch "Blühende Landschaften", das der Beklagte zu einem Kaufpreis von 27,50 EUR vertreiben ließ. In diesem Buch verwandte der Beklagte auf den Seiten 37, 49, 65 (und 234), 84 (und 237), 203, 235, 239, 241, 247-248, 257, 260, 261, 271, 272 - 275 und 276 - 277 in der M. erschienene Artikel sowie auf den Seiten 14, 37, 39 (und 232), 81, 126, 142, 182 (und 274) und 277 in der M. abgedruckte Lichtbilder.

Der auf Verletzung des Urheberrechts an den Artikeln und den Lichtbildern gestützten Aufforderung der Klägerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kam der Beklagte nicht nach.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die genannten Zeitungsartikel genössen urheberrechtlichen Schutz; ihre Verwendung durch den Beklagten in dem Buch "Blühende Landschaften" sei nicht durch das Zitatrecht aus § 51 UrhG gerechtfertigt, so dass der Beklagte sie zu unterlassen und den durch die Verletzung des Urheberrechts entstandenen Schaden zu ersetzen habe. Sie habe auch einen Anspruch auf Auskunft bzw. Rechnungslegung gegen den Beklagten aus den §§ 97 Abs. 1 Satz 2, 101a UrhG, §§ 242, 259, 260 BGB, da sie sonst weitere Rechtsverletzungen nicht unterbinden und ihren Schadensersatzanspruch nicht beziffern könne. Aus diesem Grund könne sie Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten verlangen. Schließlich habe sie einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten, die sie ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten für die berechtigte vorgerichtliche Abmahnung schulde.

Die Klägerin hat beantragt,

I. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,

1. in der "M." erschienene Artikel ohne ihre Erlaubnis zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, insbesondere wenn dies wie in dem Buch "Blühende Landschaften" geschieht wie

a) auf S. 37 mit dem Artikel "LG-Präsident gibt den Stab weiter";

b) auf S. 49 mit dem Artikel "Staatsanwalt ermittelt gegen 522 Asylbewerber";

c) auf den Seiten 65 und 234 mit dem Artikel "Einem Jungen mit dem geschärften Spachtel ins Bein geritzt ...";

d) auf den Seiten 84 und 237 mit dem Artikel "Jugendkriminalität - nur eine Frage der Selektion?";

e) auf S. 203 mit dem Artikel "Laubendiebe gingen der Polizei ins Netz";

f) auf S. 235 mit dem Artikel "Angeklagt der räuberischen Erpressung mit Todesfolge";

g) auf S. 239 mit dem Artikel "Überlebende Opfer sind dem Zufall zu verdanken";

h) auf S. 241 mit dem Artikel "Alles nur "saufende...

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