Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 31.05.2022 verkündete Teilanerkenntnis- und Endurteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az. 5 O 128/21, teilweise abgeändert.

Das Versäumnisurteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin vom 19.01.2022, Az. 5 O 128/21, wird aufgehoben.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.509,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2021 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 350,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.10.2021 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 173,26 EUR zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von weiteren vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 398,18 EUR gegenüber der Kanzlei ... Rechtsanwälte, ... ... Partnerschaftsgesellschaft H..., ... ..., 1... H..., freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 20 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 80 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den § 517 ff. ZPO eingelegte Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Klageantrag zu 1. hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung zunächst nur einen Betrag von 4.438,15 EUR geltend gemacht hat, der hinter der in erster Instanz zuletzt geltend gemachten Forderung zurückbleibt, hat der Kläger offensichtlich den in erster Instanz ausgeurteilten Zahlbetrag von 173,26 EUR auf den ursprünglichen, mit der Klage geltend gemachten Betrag von 4.611,41 EUR angerechnet, obwohl es sich bei dem ausgeurteilten Betrag nicht um materiellen Schadensersatz, sondern um Rechtsverfolgungskosten handelt, die somit von der Forderung aus dem Klageantrag zu 3. in Abzug zu bringen sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Antrag zu 1 richtig gestellt, was ohne weiteres zulässig ist.

2. Die Klage ist überwiegend begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 02.10.2020 auf der L 29 zwischen Z... und S... aus den §§ 7 Abs. 1, 11 S. 2, 17 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG in der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Höhe zu.

a) Unstreitig wurde das im Eigentum des Klägers stehende Fahrzeug bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeuges der Beklagten zu 1 im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG beschädigt und der Kläger selbst verletzt. Die Ersatzpflicht ist weder nach § 7 Abs. 2 StVG durch höhere Gewalt ausgeschlossen, noch handelt es sich für einen der Unfallbeteiligten um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Auch der Kläger hat den ihm obliegenden Unabwendbarkeitsnachweis nicht geführt, da er den Unfall hätte vermeiden können, wenn er von dem Überholvorgang abgesehen hätte.

b) Somit hängt die wechselseitige Haftung gemäß § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wobei im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge nur unstreitige, zugestandene oder bewiesene Tatsachen zu berücksichtigen sind, wobei jede Partei dem anderen Teil einen als Verschulden anzurechnenden Umstand oder andere dessen Betriebsgefahr erhöhende Tatsachen zu beweisen hat (vgl. BGH NZV 1996, 231).

Im Streitfall führt die Abwägung dazu, dass eine Haftung des Klägers aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges hinter dem alleinigen Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1 in voller Höhe zurücktritt.

aa) Auf Seiten der Beklagten zu 1 liegt ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 1 sowie Abs. 4 a StVO vor. Danach muss derjenige, der zum Überholen ausscheren will, sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Das Ausscheren zum Überholen ist dabei rechtzeitig und deutlich durch Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger bereits zum Überholen der vor ihn fahrenden Fahrzeuge angesetzt hatte, als sich die Beklagte zu 1 entschloss, an dem nach rechts abbiegenden vorausfahrenden Fahrzeug links vorbeizufahren. Die Beklagte zu 2 hat in ihrem Abrechnungsschreiben vom 27.04.2021 eingeräumt, dass der Kläger den Überholvorgang "geringfügig früher" als die Beklagte zu 1 begonnen hat. Auch mit der Klageerwiderung haben die Beklagten nicht bestritten, dass der Kläger bereits zum Überholen angesetzt hatte, sondern sich vielmehr selbst auf die Unfalls...

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