Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.12.2021 verkündete Grundurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 149/19, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer nach ihrer Auffassung fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung im Zeitraum von Januar bis Juni 2018 in Anspruch.

Wegen Beschwerden an den Weisheitszähnen stellte die Hauszahnärztin ... der Klägerin eine Überweisung aus. Nach der vorliegenden ärztlichen Dokumentation wurde die Entfernung aller "8er" empfohlen.

Das Erstgespräch bei der Beklagten fand am 15.02.2018 statt.

Am 26.03.2018 nahm die Beklagte die operative Entfernung der Weisheitszähne links (Zähne 28 und 38) vor. Die Operation und die Nachsorge verliefen komplikationsfrei.

Am Folgetermin zum Fädenziehen am 05.04.2018 vereinbarte die Klägerin einen zweiten Operationstermin für den 30.05.2018, zu dem die Beklagte die Extraktion der rechten Weisheitszähne (Zähne 18 und 48) vornahm.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Hauszahnärztin ... habe wegen der bestehenden Essprobleme und der damit verbundenen Schmerzen empfohlen, lediglich die Weisheitszähne links oben und unten ziehen zu lassen. Eine Überweisung oder sonstige Unterlagen hätten ihr nicht vorgelegen.

Nach dem Vortrag in der Klagebegründung habe sie vor dem ersten Operationstermin einen Anamnesebogen sowie eine Datenschutzerklärung unterzeichnet. Eine weitere Aufklärung, etwa zu möglichen Risiken und Folgen, sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe sich lediglich die Weisheitszähne links angesehen.

Bei Vereinbarung des zweiten Operationstermins am 05.04.2018 habe sie der Beklagten mitgeteilt, dass sie im Mundbereich rechts keinerlei Schmerzen hätte und noch gar keine Operation angedacht gewesen sei. Die Beklagte habe ihr jedoch empfohlen, alle vier Weisheitszähne zu extrahieren. Nur im Vertrauen auf diese Aussage habe sie sich den zweiten Operationstermin geben lassen. Im Schriftsatz vom 24.08.2021 lässt sie ausführen, die Beklagte habe gesagt, dass es so üblich sei, die weiteren Weisheitszähne gleich zeitnah herauszunehmen, bevor irgendwann einmal Schmerzen auftreten könnten. Tatsächlich wäre die zweite Weisheitszahnoperation weder erforderlich noch angezeigt gewesen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich nicht für den zweiten Eingriff entschieden oder zumindest eine zweite Meinung eingeholt.

Bei beiden Terminen sei sie angstfrei gewesen. Die anderslautenden Angaben in der ärztlichen Dokumentation seien nicht nachvollziehbar und nachträglich erfolgt.

Vor der zweiten Operation habe die Beklagte gefühlte 6 bis 8 Spritzen in den rechten hinteren Mundbereich gegeben. Nach der Operation sei zwar die Betäubung aus dem Lippenbereich weggegangen. Allerdings weise die Zunge bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Taubheit aus. Zudem sei der Geschmackssinn auf dieser Seite stark beeinträchtigt. Ihr falle es schwer zu sprechen, insbesondere bei s- oder sch- Lauten, was besonders für sie als Lehrerin beeinträchtigend sei. Sie habe ständig das Gefühl einer geschwollenen Zunge, sie beiße sich beim Essen häufig auf die Zunge und neige zu vermehrtem starken Speichelfluss im Mund und zu einer spuckenden Aussprache. Dies beruhe auf der bei der Operation eingetretenen irreversiblen Nervenschädigung.

Die Beklagte hat vorgetragen, Anlass der Vorstellung der Klägerin am 15.02.2018 sei die Entfernung sämtlicher Weisheitszähne gewesen. An diesem Tag sei nach klinischer Untersuchung bereits eine Beratung im Hinblick auf die Entfernung aller Weisheitszähne durchgeführt worden. Die Klägerin habe mitgeteilt, dass die bei ihr noch vorhandenen vier Weisheitszähne ein zunehmendes Druckempfinden verursachen würden. Zudem habe die Untersuchung ergeben, dass auch bezüglich der Weisheitszähne 18 und 48 ein Platzmangel bestanden habe. Damit sei die Entfernung aller vier Weisheitszähne angezeigt gewesen. Bereits an diesem Tag habe sie das Aufklärungsgespräch über die Entfernung in zwei Sitzungen geführt. Dabei sei die Klägerin über mögliche Komplikationen, auch auf das Risiko einer Nervschädigung insbesondere im Unterkiefer-Zungenbereich, aufgeklärt worden. Die Klägerin habe die Einverständniserklärung unterzeichnet. Im Übrigen hätte sich die Klägerin aus der einzig und allein maßgeblichen Sicht ex-ante ohnehin mit der Entfernung sämtlicher Weisheitszähne einverstanden erklärt.

Da die Klägerin sehr nervös und ängstlich gewirkt habe, sei sie auf die Möglichkeit der intravenösen Sedierung hingewiesen worden. Da es ihr nach der ersten Operation gut gegangen sei, habe sie am 05.04.2018 um einen zeitnahen weiteren Operationstermin für die anderen Weisheitszähne gebeten. Es sei keinesfalls so, dass erst zu diesem Termin über die Entfernung der weiteren Zähne gesprochen worden sei. Dies sei bereits am 15.02.2018 vereinbart worden. Die behaup...

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