Entscheidungsstichwort (Thema)

Terminsgebühr im Verfahren der einstweiligen Anordnung bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine fiktive Terminsgebühr gem. Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu VV RVG Nr. 3104 kann auch in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung gem. § 49 FamFG anfallen in dem eine Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung ergangen ist.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1; FamFG § 49

 

Verfahrensgang

AG Potsdam (Beschluss vom 13.01.2017; Aktenzeichen 44a F 246/16)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Abhilfebeschluss des AG - Rechtspflegers - Potsdam vom 13.1.2017 - 44a F 246/16 - aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG - Rechtspflegers - Potsdam vom 28.11.2016 - 44a F 246/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Berechtigung einer von der Antragstellerin im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Terminsgebühr.

In dem Ausgangsverfahren hatte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt zu verpflichten, beantragt. Nachdem das AG Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, hat der Antragsgegner den Unterhaltsantrag anerkannt. Das AG hat daraufhin den Verhandlungstermin aufgehoben. Mit antragsgemäß ergangenem Anerkenntnisbeschluss hat es dem Antragsgegner die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens auferlegt. Den Verfahrenswert hat das AG auf 8.125,- EUR festgesetzt.

Auf Antrag der Antragstellerin hat der Rechtspfleger mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.11.2016 gegen den Antragsgegner unter anderem eine 1,2-Terminsgebühr in Höhe von 608,40 EUR zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt.

Gegen den ihm am 01.12.2016 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Antragsgegner am 12.12.2016 sofortige Beschwerde erhoben, mit der er sich gegen die Festsetzung der Terminsgebühr wendet. In dem einstweiligen Anordnungsverfahren sei gem. § 246 Abs. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben und habe tatsächlich auch nicht stattgefunden.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde mit Abhilfebeschluss vom 13.01.2017 abgeholfen und die Kosten der Antragstellerin ohne Berücksichtigung der Terminsgebühr gegen den Antragsgegner festgesetzt. Der Abhilfebeschluss ist der Antragstellerin am 20.01.2017 zugestellt worden.

Hiergegen richtet sich die am 03.02.2017 beim AG eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom selben Tage, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die er dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 85, 113 Abs. 1 FamFG, 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Zu Recht macht die Antragstellerin die Festsetzung der Terminsgebühr gem. VV RVG Nr. 3104 für das Ausgangsverfahren der einstweiligen Anordnung geltend. Zwar ist in dem Ausgangsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden worden. Nach Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu VV RVG Nr. 3104 entsteht die Terminsgebühr jedoch auch dann, wenn für das Verfahren mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist und gem. § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. So liegt der Fall hier.

a) Dass im Ausgangsverfahren gem. § 307 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG durch Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden worden ist, ist evident und wird von keinem Beteiligten infrage gestellt.

b) Anders als der Antragsgegner meint, ist auch die weitere Voraussetzung von Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu VV RVG Nr. 3104 erfüllt. Bei dem Verfahren der einstweiligen Anordnung gem. §§ 49 ff. FamFG ist die mündliche Verhandlung vorgeschrieben.

Soweit in der Kommentarliteratur (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Rn. 43; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, 10. Aufl., VV Nr. 3104, Rn. 8, jeweils auch zu der insoweit vergleichbaren Konstellation im zivilprozessualen Eilverfahren) und Rechtsprechung (OLG Köln, BeckRS 2016, 20660; OLG München, FamRZ 2006, 220) die Ansicht vertreten wird, dass es sich bei dem Verfahren der einstweiligen Anordnung nach §§ 49 ff. FamFG wie auch bei den Eilverfahren nach der ZPO um Verfahren handele, für die eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei, weil eine Entscheidung in jenen Verfahren zunächst auch ohne mündliche Verhandlung ergehen könne und erst nach deren Erlass auf Antrag (§ 54 Abs. 2 FamFG) bzw. auf Widerspruch (§ 924 Abs. 2 S. 2 ZPO) mündlich zu verhandeln sei, trägt dies weder dem einheitlichen Charakter des familienrechtlichen bzw. zivilrechtlichen Eilverfahrens Rechnung, noch entspricht sie dem Sinn und Zweck von Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu VV RVG Nr. 3104; sie steht auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

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