Leitsatz (amtlich)

Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist nicht fristgebunden, sondern er unterliegt der Beurteilung anhand des Zwecks der staatlichen Hilfe. Auch der zum Ende des Rechtszuges gestellte Antrag ist begründet und die Bewilligung gewährt vollständige Verfahrenskostenhilfe für das gesamte auch vor der Antragstellung geführte Verfahren, wenn dargelegt wird, dass die Bedürftigkeit erst zur Zeit der Antragstellung entstanden ist.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Beschluss vom 23.08.2017; Aktenzeichen 21 F 71/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Nauen vom 23. August 2017 (Verfahrenskostenhilfe) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Verfahrenskostenhilfe kann der Antragsgegnerin nicht bewilligt werden, weil nicht festgestellt werden kann, daß sie auf die staatliche Hilfe angewiesen wäre, um das Güterrechtsverfahren mit den gleichen Aussichten wie ein bemittelter Beteiligter in gleicher Verfahrenslage führen zu können (§§ 113 I FamFG, 114 I 1 ZPO).

Als die Antragsgegnerin am 21. August 2017, zwei Tage vor dem anberaumten Verkündigungstermin, Verfahrenskostenhilfe beantragt hat (Bl. 1 ff. VKH), hätte eine auf diesen Tag zurückwirkende Bewilligung den Zweck der Verfahrenskostenhilfe nicht mehr erfüllen können, der Antragsgegenerin ihre Rechtsverfolgung trotz Bedürftigkeit zu ermöglichen und ihr durch die staatliche Hilfe Rechtsschutzgleichheit im Vergleich zu einem bemittelten Beteiligten in gleicher Lage zu gewähren. Am Tag der Antragstellung waren im Verhältnis zur Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin sämtliche Vergütungstatbestände bereits erfüllt, und ebenso waren alle Gerichtsgebühren bereits entstanden. Die Verfahrenskostenhilfe hat die Funktion nicht mehr entfalten können, der Antragsgegnerin die Verfahrensführung zu ermöglichen, ohne daß sie eine Kostenlast oder ein vertretbares Kostenrisiko zu tragen hätte, die sie wegen ihrer engen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ohne Hilfe bewältigen kann. Kostenlast und Kostenrisiko hatte die Antragsgegnerin bereits übernommen, ohne einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt zu haben.

Der Antrag der Antragsgegnerin scheitert damit nicht an bloßer Verspätung. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (§§ 113 I FamFG, 114 I 1, 117 I, II ZPO) ist nicht fristgebunden, sondern er unterliegt der Beurteilung anhand des darglegten Zwecks der staatlichen Hilfe. Auch der zum Ende des Rechtszuges gestellte Antrag ist begründet und die Bewilligung gewährt vollständige Verfahrenskostenhilfe für das gesamte auch vor der Antragstellung geführte Verfahren, wenn dargelegt wird, daß die Bewilligungsvoraussetzungen - also die Bedürftigkeit - erst jetzt, zur Zeit der Antragstellung, entstanden ist. Wird erst im Laufe des Verfahrens deutlich, daß ein Beteiligter noch nicht beglichene Vergütungsansprüche seines Verfahrensbevollmächtigten und noch nicht entrichtete Gerichtsgebühren nicht wird leisten können, weil seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dazu inzwischen nicht mehr ausreicht, so kann er auf die zuvor nicht vorhandene, jetzt entstandene Bedürftigkeit mit einem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe reagieren, die ohne sachliche oder zeitliche Einschränkungen für den gesamten Rechtszug zuzusprechen wäre.

Die Antragsgegnerin hat indes nicht dargelegt, ihre Bedürftigkeit sei erst im August 2017 entstanden. Ihre "Erklärung zum Antrag" vom 14. August 2017 (Bl. 6 VKH) beschreibt vielmehr Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die mindestens bereits seit Januar 2017 bestehen, nämlich seit der Entscheidung über Scheidung und nachehelichen Unterhalt. Die Schilderung zur Erwerbsunfähigkeit und zu den Wohnverhältnissen reicht noch weiter zurück.

Über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 113 I FamFG, 127 IV ZPO).

Anlaß, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 113 I FamFG, 574 II, III ZPO), besteht nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11519628

FamRZ 2018, 1099

FuR 2018, 430

MDR 2018, 368

FF 2018, 131

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge