Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Einrichtung einer Betreuung trotz Vollmacht gem. § 1896 Abs. 2 BGB und zur Bestellung eines Kontrollbetreuers nach § 1896 Abs. 3 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Die wirksame Vollmacht steht der Einrichtung einer Betreuung in einem Aufgabenkreis, der durch die Vollmacht erfasst ist, entgegen, solange der Bevollmächtigte die Vollmacht zum Nachteil des Betroffenen nicht missbraucht.

Hat der Betroffene seine Ehefrau bevollmächtigt, mit der er durch ein langes gemeinsames Leben verbunden ist, so rechtfertigt auch eine mögliche Interessenkollision (Veröffentlichungen der Ehefrau über ihr Leben mit dem inzwischen geschäftsunfähigen Betroffenen) die Einrichtung einer Fremdbetreuung (hier Bestellung eines in Mediensachen spezialisierten Anwaltes) nicht.

Den Schutzinteressen des Betroffenen ist durch Bestellung eines Kontrollbetreuers Rechnung zutragen. Die Bestellung eines Kontrollbetreuers ist ggü. dem Eingriff in die Vollmacht durch Bestellung eines Betreuers im Aufgabenkreis des Bevollmächtigten eine mildere Form des Eingriffs und daher, soweit ausreichend, vorzuziehen.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 28.08.2003; Aktenzeichen 19 T 372/03)

AG Strausberg (Beschluss vom 06.09.2002; Aktenzeichen 7-XVII 2983/02)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des LG Frankfurt (Oder) vom 28.8.2003 - 19 T 372/03 - mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Ehefrau des Betroffenen entsprechend dem Beschluss des AG Straussberg vom 6.9.2002 auch Betreuerin des Betroffenen mit dem Aufgabenkreis "Vertretung vor Gericht" bleibt. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden nicht erstattet.

Der Wert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Betroffene ist ein bekannter Schauspieler, inzwischen nach multiplen Erkrankungen geschäftsunfähig. Er hatte seiner Ehefrau als die Möglichkeit einer schweren Erkrankung bereits abzusehen war eine umfassende notarielle Vollmacht erteilt. Die Ehefrau, der Betroffene war zwischenzeitlich geschäftsunfähig, veröffentlichte ein Buch über ihr Leben mit dem Betroffenen und gab hierzu u.a. im Fernsehen Interviews. Daraufhin beantragte der Sohn des Betroffenen aus erster Ehe die Bestellung eines Betreuers.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 27, 29 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Bestellung von Herrn Rechtsanwalt E. als weiteren Betreuer für den Betroffenen mit dem Aufgabenkreis außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen des Betroffenen aus der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des Rechts am eigenen Bild, des Rechts am gesprochenen Wort und seiner Ehre auf Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht möglich.

I. Der Bestellung eines weiteren Betreuers steht die von dem Betroffenen im Jahre 1998 erteilte Vollmacht entgegen.

Gemäß § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigen ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Das Betreuungsrecht ist insoweit nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 1896 Abs. 2 BGB vom Grundsatz der Subsidiarität beherrscht. Der Wille des Betroffenen, den dieser zu einer Zeit geäußert hat, in der er zu einer eigenständigen Willensbildung uneingeschränkt in der Lage war, ist zu beachten. Die Anordnung einer Betreuung kommt daher nicht in Betracht, wenn der Betroffene in Zeiten, in denen er dazu noch in der Lage war, durch Erteilung einer Vollmacht selbst hinreichend Vorsorge getroffen hat. Solange eine wirksame Vorsorgevollmacht erteilt ist, darf in den betreffenden Aufgabenkreisen daher grundsätzlich eine Betreuung nicht angeordnet werden (BayObLG FamRZ 2002, 1403; v. 12.9.2002 - 3Z BR 169/92, FamRZ 2003, 704; Schwab in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1896 Rz. 48; Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1896 Rz. 11). Die Anordnung einer Betreuung kommt danach nur in Betracht, wenn die Wirksamkeit der vorgelegten Vollmacht zweifelhaft ist (BayObLG v. 25.11.1993 - 3Z BR 190/93, FamRZ 1994, 720) oder wenn die erteilte Vollmacht den Anforderungen an eine Vorsorgevollmacht nicht genügt (OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 1156).

1. Im Verfahren über die Bestellung eines Betreuers ist daher zunächst die Wirksamkeit der Vollmacht, insb. auch die Frage des Wirksamkeitsbeginns und im Übrigen die Frage eines möglichen Widerrufs oder des Erlöschens der Vollmacht zu prüfen (Schwab in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1896 Rz. 49 ff.).

Nach diesen Grundsätzen kommt die Bestellung eines weiteren Betreuers für die Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen ggü. Dritten hier nicht in Betracht.

Der Betroffene hat der Beteilig...

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