Normenkette

BGB § 104 Nr. 1, §§ 106-107; TSG § 1

 

Tenor

Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 10. Juni 2016, erlassen am 13. Juni 2016, wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihr Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung des bei dem Amtsgericht Potsdam zum Aktenzeichen ... UR ... anhängigen Antrages auf Änderung des Vornamens und der Geschlechtszugehörigkeit für das betroffene Kind zurückgewiesen wird.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die beteiligten Eltern haben unter dem 19.8.2015 bei dem Amtsgericht Potsdam für ihr Kind einen Antrag auf Änderung des Vornamens nach § 1 TSG und der Geschlechtszugehörigkeit nach § 8 TSG gestellt (Bl. 24 f d. A.). Das Amtsgericht Potsdam - Abteilung für Betreuungssachen - ... UR ... - hat die Auffassung vertreten, dass eine familiengerichtliche Genehmigung des Antrages der Eltern erforderlich sei (Bl. 32 d. A.).

Durch Beschluss vom 10.6.2016 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Bernau die familiengerichtliche Genehmigung versagt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Gründe wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen (Bl. 90 f d. A.).

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Zur Begründung trägt sie vor:

Das Amtsgericht habe die familiengerichtliche Genehmigung zu Unrecht versagt. Eine Anhörung des Jugendamtes sei erfolgt. Das Jugendamt habe aber eine Stellungnahme in diesem Verfahren abgelehnt, da sie, die Mutter, sich nicht zu einer Anhörung im elterlichen Haushalt, sondern nur im Jugendamt bereit erklärt habe. Die mangelnde Inaugenscheinnahme des elterlichen Haushaltes sei im Genehmigungsverfahren nach §§ 1, 8 TSG kein zwingender Versagungsgrund. Der Zweck der Inaugenscheinnahme des elterlichen Haushaltes sei unklar. Die Sachprüfung obliege nicht dem Familiengericht. Eine Genehmigung könne nur verweigert werden, wenn zwingende Gründe gegen eine Genehmigung sprächen. Das Familiengericht sei zu einer Entscheidung auch ohne Zuarbeit des Jugendamtes verpflichtet. Die Verweigerung der Anhörung des Kindes durch das Jugendamt könne nicht zu einer Zurückweisung des Antrages führen. Das Jugendamt könne nicht durch die Bestimmung der Anhörungsvoraussetzungen das gerichtliche Verfahren selbst in die Hand nehmen. Das Familiengericht habe - sofern es dies für erforderlich halte - die tatsächlichen Lebensverhältnisse selbst aufzuklären.

Das Kind lebe seit sechs Jahren als Mädchen, sowohl in der Kita als auch in der Grundschule. Es zeige gute schulische Leistungen. Es lägen Gutachten aus den letzten fünf bis sechs Jahren vor; ein Gutachten befürworte die Gabe pubertätsblockender Hormone. Das Kind befinde sich in durchgehender therapeutischer Behandlung. Es habe über Jahre den Willen zu einer Geschlechts- und Namensänderung geäußert und dies auch gegenüber der Rechtspflegerin bekräftigt. Die Fachentscheidung obliege dem Betreuungsgericht in Potsdam. Im Rahmen der dort zu treffenden Entscheidung würden Gutachten eingeholt, die auch die tatsächlichen Lebensverhältnisse berücksichtigten. Im Rahmen der familiengerichtlichen Genehmigung sei lediglich zu prüfen, ob zwingende Gründe der Genehmigung entgegenständen, nicht jedoch, ob der Antrag nach §§ 1, 8 TSG begründet sei.

Sofern das Beschwerdegericht zu der Ansicht gelange, dass für ein Verfahren nach §§ 1, 8 TSG wegen des eindeutigen Wortlauts von § 3 TSG keine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich sei, werde ebenfalls um eine entsprechende Entscheidung ersucht. Diese Rechtsfrage werde von den nach TSG als auch von den für die vermeintlich erforderliche familiengerichtliche Genehmigung zuständigen Amtsgerichten in TSG-Verfahren betreffend Minderjährige unterschiedlich gehandhabt. Eine oberlandesgerichtliche Entscheidung existiere hierzu bislang, soweit ersichtlich, nicht.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 58 ff FamFG zulässig, da das Zwischenverfahren, in dem es um die familiengerichtliche Genehmigung eines Antrags auf Namensänderung und Feststellung einer anderen Geschlechtszugehörigkeit geht, durch eine Endentscheidung des Rechtspflegers abgeschlossen wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.9.2010 - 8 UF 107/10, BeckRS 2010, 28907).

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie ist allerdings mit der tenorierten Maßgabe zurückzuweisen, weil der Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung nicht mangels der Genehmigungsvoraussetzungen zu versagen ist, sondern eine familiengerichtliche Genehmigung mangels gesetzlicher Grundlage nicht erforderlich ist.

Eine erforderliche Genehmigung durch das Familiengericht sieht das Transsexuellengesetz lediglich in § 3 Abs. 1 TSG für einen Antrag von geschäftsunfähigen Personen nach § 1 TSG vor. Das antragstellende, zehn Jahre alte Kind ist jedoch nicht geschäftsunfähig, sondern beschränkt geschäftsfähig, wie sich aus der Legaldefinition in §§ 104 Nr. 1, 106 BGB ergibt. § 9 FamFG findet gemäß § 4 Abs. 1 TSG keine Anw...

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