Verfahrensgang

LG Potsdam (Aktenzeichen 6 O 55/16)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 1. März 2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht J... vom 8. November 2021 unbegründet ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Der Wert der Beschwerde wird auf 28.937,73 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat nach Erwirkung des Urkunden-Mahnbescheids vom 20.1.2015 und Einlegung des Widerspruchs der Beklagten den Rechtsstreit für eine Klageforderung in Höhe von 28.937,73 EUR nebst Zinsen im Urkundenprozess fortgeführt. Die Beklagte hat sich gegen die Anspruchsbegründung verteidigt. In der mündlichen Verhandlung am 19.5.2016 hat der Kläger erklärt, dass er lediglich einen Betrag in Höhe von 5.683,03 EUR im Urkundenprozess geltend mache und im Übrigen vom Urkundenprozess Abstand nehme. Die mündliche Verhandlung hat zur Verkündung eines Beschlusses vom 23.6.2016 geführt, durch den die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und Hinweise erteilt worden sind.

Ein Ablehnungsgesuch des Klägers vom 20.7.2016 gegen die seinerzeit zuständige Einzelrichterin ist durch Beschluss des Landgerichts vom 2.11.2016 zurückgewiesen worden. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist nach Ausscheiden der Einzelrichterin aus der Kammer mit Schriftsatz vom 2.2.2017 zurückgenommen worden.

Am 2.8.2017 hat der - damalige - Richter am Landgericht J... einen Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 6.6.2017 anberaumt und Hinweise erteilt. In der mündlichen Verhandlung ist er im Anschluss an die Erteilung weiterer Hinweise durch die Beklagte wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden; die Beklagte hat das Ablehnungsgesuch sodann mit Schriftsatz vom 17.7.2017 begründet. Durch Beschluss vom 13.7.2017 hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 31.7.2017 sofortige Beschwerde eingelegt und ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die beschlussfassenden Richter ausgebracht, das sie mit Schriftsatz vom 12.11.2019 zurückgenommen hat. Im Anschluss an das Ausscheiden des Richters am Landgericht J... aus der Kammer hat die Beklagte im letztgenannten Schriftsatz die sofortige Beschwerde für erledigt erklärt. Daraufhin ist durch Beschluss vom 2.7.2021 die Erledigung des Beschwerdeverfahrens festgestellt worden.

Am 20.8.2021 hat der - nunmehr - Vorsitzende Richter am Landgericht J... nach Wiedereintritt in die Kammer einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 5.11.2021 bestimmt. Die Ladung ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24.8.2021 zugestellt worden. Auf einen Terminverlegungsantrag der Beklagten ist der Termin auf den 26.11.2021 verlegt worden; die Umladung ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 30.8.2021 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 8.11.2021 hat die Beklagte ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht J... ausgebracht, das zur Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 26.11.2021 geführt hat.

Der abgelehnte Richter hat sich zu dem Ablehnungsgesuch unter dem 25.1.2022 dienstlich geäußert. Die dienstliche Äußerung ist den Parteien bekannt gemacht worden.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 1.3.2022, der der Beklagten am 3.3.2022 zugestellt worden ist, das Ablehnungsgesuch vom 8.11.2021 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch im Hinblick auf die im August 2021 vorgenommene Terminierung nicht unverzüglich im Sinne des § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO erfolgt sei.

Dagegen hat die Beklagte am 14.3.2022 sofortige Beschwerde gelegt.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 27.4.2022 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden ist.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Es spricht bereits vieles dafür, dass das Ablehnungsgesuch, wie vom Landgericht angenommen, nicht unverzüglich im Sinne des § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO ausgebracht worden ist.

Der Begriff der Unverzüglichkeit in § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO folgt der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB (BGH, Beschluss vom 19.1.2022, XII ZB 357/21, zitiert nach juris). Damit ist das Ablehnungsgesuch ohne schuldhaftes Zögern im Anschluss an die Erlangung der Kenntnis vom Ablehnungsgrund auszubringen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 44, Rn. 11, m. w. N.), wobei ein bloßes Kennenmüssen oder Vorliegen von Verdachtsgründen die der Partei zuzubilligende Überlegungsfrist (vgl. Zöller/Vollkommer a. a. O., m. w. N.) noch nicht in Lauf setzt (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 121, Rn. 2, m. w. N.).

Im Blick darauf kann mit dem Landgericht nicht nachvollzogen werden, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den r...

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