Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestunterhalt - gesteigerte Erwerbsobliegenheit und Anforderungen an die Darlegung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit; Dynamisierung im Mangelfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigerte Obliegenheit, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine einträgliche Erwerbstätigkeit auszuüben, trifft auch den berufstätigen Unterhaltsschuldner, dessen vorhandenes Einkommen zur Erfüllung der Unterhaltspflichten nicht ausreicht, und legt ihm auf, sich um besser bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten zu bemühen (vgl. Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl. § 2 Rn. 244 m.w.N.), wobei ihm auch eine Tätigkeit über 40 Wochenarbeitsstunden hinaus bis zu 48 Stunden nach Maßgabe von §§ 3, 9 Abs. 1 ArbZG einschließlich Nebentätigkeiten angesonnen werden kann (vgl. OLG Naumburg, FamRZ 2014, 133 m.w.N.).

2. Wer behauptet, infolge Krankheit arbeitsunfähig oder nur beschränkt arbeitsfähig zu sein, hat seine gesundheitliche Beeinträchtigung und das Ausmaß der Minderung seiner Arbeitsfähigkeit substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 1, Rn. 787 m.w.N.). Im Falle einer Krankheit muss der Unterhaltsschuldner zudem, da ihn die Obliegenheit zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit trifft, im Einzelnen erläutern, welche Schritte er in dieser Richtung unternommen worden sind und warum keine Besserung eingetreten ist (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1603 BGB, Rn. 155 m.w.N.).

3. Allein aus der Tatsache, dass ein Unterhaltsschuldner mit weiteren eigenen Kindern und Kindern seiner Partnerin zusammenlebt, folgt für sich genommen gleichfalls noch nicht, dass ihm eine Nebentätigkeit nicht zumutbar sei (vgl. BGH Beschl. v. 24.9.2014 - XII ZB 111/13, BeckRS 2014, 20122, Rn. 23).

4. Die zukunftsbezogene Umrechnung der Ansprüche der Antragsteller in Prozentsätze des jeweiligen Mindestunterhalts (vgl. § 1612a Abs. 1 BGB) erfolgt nach der Formel (Anspruch + hälftiges Kindergeld) : Mindestunterhalt × 100).

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 24 F 183/17)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners und unter Zurückweisung seiner weitergehenden Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 22.02.2018 abgeändert:

Der Antragsgegner wird verpflichtet,

1. a) an den Antragsteller zu 1., das minderjährige Kind ..., geboren...2010, zu Händen der Kindesmutter und gesetzlichen Vertreterin, Frau ..., beginnend ab 01.10.2018 Kindesunterhalt in Höhe von 53,13 % des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe gemäß den §§ 1612a ff. BGB abzüglich des jeweiligen hälftigen staatlichen Kindergeldes monatlich im Voraus jeweils zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen, derzeit 112 EUR;

b) Kindesunterhalt für die Zeit

vom 01.07.2017 bis 31.12.2017 in Höhe von 101 EUR monatlich,

vom 01.01.2018 bis 31.05.2018 in Höhe von 132 EUR monatlich und

vom 01.06. 2018 bis 30.09.2018 in Höhe von 112 EUR monatlich zu zahlen;

2. a) an die Antragstellerin zu 2., das minderjährige Kind ...geboren ... ...2005, zu Händen der Kindesmutter und gesetzlichen Vertreterin, Frau ..., beginnend ab 01.10.2018 Kindesunterhalt in Höhe von 50,32 % des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe gemäß den §§ 1612a ff. BGB abzüglich des jeweiligen hälftigen staatlichen Kindergeldes monatlich im Voraus jeweils zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen, derzeit 138 EUR;

b) Kindesunterhalt für die Zeit

vom 01.07.2017 bis 31.12.2017 in Höhe von 125 EUR monatlich,

vom 01.01.2018 bis 31.05.2018 in Höhe von 164 EUR monatlich und

vom 01.06. 2018 bis 30.09.2018 in Höhe von 138 EUR monatlich zu zahlen;

3. a) an die Antragstellerin zu 3., das minderjährige Kind ... geboren....2001, zu Händen der Kindesmutter und gesetzlichen Vertreterin, Frau ..., beginnend ab 01.10.2018 Kindesunterhalt in Höhe von 50,32 % des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe gemäß den §§ 1612a ff. BGB abzüglich des jeweiligen hälftigen staatlichen Kindergeldes monatlich im Voraus jeweils zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen, derzeit 138 EUR;

b) Kindesunterhalt für die Zeit

vom 01.07.2017 bis 31.12.2017 in Höhe von 125 EUR monatlich,

vom 01.01.2018 bis 31.05.2018 in Höhe von 164 EUR monatlich und

vom 01.06. 2018 bis 30.09.2018 in Höhe von 138 EUR monatlich zu zahlen;

4. Die weitergehenden Anträge der Antragsteller werden abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens der I. Instanz haben die Antragsteller 47 % und der Antragsgegner 53 % zu tragen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller 40 % und der Antragsgegner 60 % zu tragen.

Dieser Beschluss ist für Unterhaltsverpflichtungen ab 01.10.2018 sofort wirksam.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zu 8.000 EUR.

II. Den Antragstellern wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt, unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Potsdam.

Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt, soweit er sich gegen eine Verpflichtung ...

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