Leitsatz (amtlich)

Eine durch Nichtausübung des Umgangsrechts eingetretene Entfremdung zu dem Kind allein rechtfertigt weder den zeitweiligen noch gar den dauernden Ausschluss des Umganges; vielmehr ist in diesen Fällen lediglich eine besonders behutsame Kontaktanbahnung angebracht. Bei mehrjährigem Ausschluss des Umgangs kommt in Betracht, zunächst durch schriftlichen Kontakt des Kindes mit seinem Vater den persönlichen Umgang vorzubereiten.

 

Normenkette

BGB § 684

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Spree) (Beschluss vom 16.01.2012; Aktenzeichen 10 F 437/11)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Fürstenwalde (Spree) vom 16.1.2012 abgeändert:

1. Der Vater hat das Recht, mit dem Kind S. R., geb. am ... 12.2002, beginnend ab dem 1.10.2013 an jedem 2. Montag des Monats jeweils von 16 Uhr bis 17.30 Uhr zusammen zu sein.

2. Der Umgang findet in den Räumen der A. in Anwesenheit eines Mitarbeiters dieses freien Trägers statt. Die Mutter stellt sicher, dass das Kind pünktlich zu Beginn des jeweiligen Umgangs dem Mitarbeiter des freien Trägers übergeben und zum Ende eines jeden Umgangs aus den Räumen des Trägers wieder abgeholt wird. Der Vater begibt sich pünktlich zu Beginn des Umgangs in die Räume des Trägers und verlässt die Räume am Ende eines jeden Umgangs.

3. Der Mutter wird gestattet, den beiden ersten Umgangsterminen in einer die Rechte des Vaters fördernden Weise und unter Beachtung der fachlichen Vorgaben des Umgangsbegleiters beizuwohnen.

4. Die Eltern haben sich abfälliger Bemerkungen oder jeder wertenden Äußerung über den anderen Elternteil in Gegenwart des Kindes zu enthalten, das Kind nicht über das Verhalten des anderen Elternteils auszufragen und etwaige Streitigkeiten von dem Kind fernzuhalten.

5. Zur Vorbereitung des begleiteten Umgangs wird den Eltern aufgegeben, sich zu einem Einzelgespräch mit einem Mitarbeiter des freien Trägers in dessen Räume zu begeben; und zwar der Vater am 19.8.2013, 16.00 Uhr, und die Mutter am 21.8.2013, 17.00 Uhr.

6. Dem Vater wird zur Vorbereitung des begleiteten Umgangs gestattet, mit S. schriftlich durch jeweils einen Brief in den Monaten Juli, August und September Kontakt aufzunehmen.

Der Mutter wird aufgegeben, die Briefe des Vaters an S. auszuhändigen.

7. Die Eltern werden darauf hingewiesen, dass im Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Anordnungen ein Ordnungsgeld i.H.v. bis zu 25.000 EUR festgesetzt werden kann.

II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern lernten sich 1997 kennen. Bis zu ihrer Heirat am 16.6.2004 führten sie eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Seit Anfang 2008 leben sie getrennt. Seit dem 3.6.2009 sind sie rechtskräftig geschieden.

Die Mutter ist gelernte Krankenschwester und leitet als Geschäftsführerin einen eigenen Pflegedienst. Der Vater ist ausgebildeter Buchhändler. Er ist nicht berufstätig und bezieht Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Während der Ehe war er bis zum Zerwürfnis und der Trennung im Betrieb der Mutter angestellt. Er behauptet, er sei an diesem Unternehmen als Gesellschafter mit gleichem Anteil wie die Mutter beteiligt. Hierüber führt er mit der Mutter einen nunmehr in der Beschwerdeinstanz vor dem erkennenden Senat anhängigen Rechtsstreit (3 U 45/13).

Seit der Trennung seiner Eltern lebt S. im Haushalt seiner Mutter gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten. Das AG Potsdam hat der Mutter mit Beschluss vom 26.10.2010 (46 F 243/10) die elterlich Sorge allein übertragen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Kindesvaters hat der seinerzeit zuständige 3. Familiensenat des OLG Brandenburg mit Beschluss vom 29.11.2012 (15 UF 198/10) zurückgewiesen.

Nach der Trennung kam es wegen des Umgangs des Vaters mit S. zum Streit zwischen den Eltern. Am 9.4.2008 hat die Mutter bei dem AG Potsdam zugleich im Eilverfahren und im Hauptsacheverfahren (46 F 113/08) den Antrag gestellt, den Umgang des Vaters mit seinem Sohn S. für die Dauer von 9 Monaten auszuschließen. Das AG Potsdam hat mit Beschluss vom 4.7.2008 im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang des Kindesvaters mit seinem Sohn bis auf weiteres ausgeschlossen.

In der Hauptsache hat das AG Potsdam mit Beschluss vom 16.10.2009 den Umgang für die Dauer eines Jahres ausgeschlossen.

Das AG hat den Beschluss mit der Kindeswohlgefährdung durch den Kontakt mit dem Vater begründet. Vor dem Hintergrund des unversöhnlich scheinenden Konflikts der Eltern und weil es S. deshalb nicht mehr gelinge, unbefangen dem Kindesvater gegenüber zu treten, lehne er den Kontakt nachhaltig ab. Auch ein begleiteter Umgang komme deshalb nicht in Betracht, obgleich der in dem Verfahren bestellte Sachverständige S. in seinem Gutachten vom 10.12.2008 ausgeführt habe, dass aus psychiatrischer Sicht nichts gegen einen Umgang im Beisein eines mitwirkungsbereiten Dritten spreche.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde bei dem OLG Brandenburg (15 UF 156/09) hat der Vater mit Schriftsatz vom 23.6.201...

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