Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Oranienburg vom 19. Mai 2022 - Az. 33 F 26/22 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung des gegenläufigen (Hilfs-)Antrages des Antragsgegners wird der Antragstellerin allein die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für das am ... 2011 geborene Kind P... R... übertragen.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren tragen die Kindeseltern jeweils hälftig; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die getrennt lebenden Eltern des am ... 2011 ehelich geborenen P... R... . Die Eltern sind beide erwerbstätig und betreuen ihren Sohn im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells. In der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 19. Januar 2021 (UR-Nr. .../2021 der Notarin ... mit Amtssitz in ...) haben sie sich wechselseitig von finanziellen (Regel-)Kindesunterhaltsansprüchen freigestellt und eine quotale Aufteilung des bestehenden Mehr- und Sonderbedarfs vereinbart. Sie haben ferner eine Abänderung dieser Unterhaltsregelung für den Fall einer wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse vereinbart und sich jeweils vorbehalten, eine Entscheidung des Familiengerichts nach § 1628 BGB einzuholen (vgl. im Einzelnen § 6 der Vertragsurkunde).

Im Februar 2022 begehrte die Antragstellerin vor dem Hintergrund einer - unstreitig erfolgten - Beförderung des beamteten Antragsgegners und mit Blick auf eine Abänderung der Vereinbarung zum Kindesunterhalt Auskunft über sein aktuelles Einkommen. Seither streiten die Eltern darüber, ob und inwieweit eine Abänderung der Vereinbarung zum Kindesunterhalt veranlasst ist.

Beide Eltern sind berufstätig. Das Nettoerwerbseinkommen der Antragstellerin lag bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung und liegt noch heute um rund 1.000 EUR unter demjenigen des Antragsgegners.

Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2022 hat die Antragstellerin auf Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhalts angetragen. Sie verfolgt die Absicht, den Antragsgegner gerichtlich auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten. Er hat mit näheren Ausführungen zu weiteren zu erwartenden Veränderungen und Bereinigungen seines Einkommens gemeint, es bestehe kein Anlass für eine Abänderung der notariellen Vereinbarung zum Kindesunterhalt aus Januar 2021. Im Übrigen sei im Streitfall ein Ergänzungspfleger zu bestellen, der als unabhängiger Dritter die Belange der Kinder vertrete.

Mit Beschluss vom 19. Mai 2022 hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1628 BGB lägen im Streitfall, in dem beide Elternteile davon ausgingen, weniger Unterhalt zahlen zu müssen, und derzeit nicht absehbar sei, wessen Rechtsverfolgung insoweit erfolgreicher sein könnte, nicht vor. Es bestehe vielmehr ein konkreter Interessenkonflikt, der über § 1628 BGB nicht aufzulösen sei. Bei der gegebenen Sachlage sei vielmehr ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.

Gegen diesen ihr am 30. Mai 2022 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin eingehend beim Amtsgericht am 31. Mai 2022 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie wiederholt, vertieft und ergänzt hierzu ihr Vorbringen aus erster Instanz und betont, dass - jenseits des unter Verweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung reklamierten - Wahlrechts zwischen einem Antrag nach § 1628 BGB und auf Bestellung eines Ergänzungspflegers beide Eltern schon in der Scheidungsfolgenvereinbarung ausdrücklich die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 1628 BGB geregelt haben. Ein konkreter Interessenkonflikt sei mit Blick auf das unstreitig bestehende Einkommensgefälle nicht erkennbar.

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt hilfsweise nunmehr seinerseits, ihm allein die Entscheidungsbefugnis für die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen zu übertragen.

II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Antrag der Antragstellerin, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für den Sohn P... R... zu übertragen, zurückgewiesen. Der Streitfall bietet keine hinreichend tragfähigen Anknüpfungstatsachen, die darauf schließen ließen, dass zur Auflösung einer konkreten Interessenkollision nicht von der Möglichkeit der Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen auf einen Elternteil allein Gebrauch gemacht werden könnte, sondern vorliegend die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich wäre.

Betreuen die Eltern ihr Kind im Wege eines sogenannten paritätischen Wec...

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