Verfahrensgang

LG Cottbus (Entscheidung vom 19.09.2022; Aktenzeichen 23 KLs 52/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Cottbus wird der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 19. September 2022 aufgehoben.

Es verbleibt bei dem Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Cottbus vom 10. Dezember 2021.

 

Gründe

I.

In dem Strafverfahren des Landgerichts Cottbus 24 KLs 52/19 war Rechtsanwältin B. der Nebenklägerin als Beistand bestellt worden.

Unter dem 7. Dezember hat die Rechtsanwältin die Festsetzung ihrer Vergütung beantragt, darunter unter anderem für den 19. August 2021 zweimal eine Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 der Anlage 1 zum RVG in der jeweils geltenden Fassung, Vergütungsverzeichnis -VV RVG-), und zwar in einem Fall mit dem Zusatz "Begutachtung durch SV Dr. R.".

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2022 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die beantragte Festsetzung um eine der beantragten Terminsgebühren für den 19. August 2021 sowie um den Längenzuschlag für den Hauptverhandlungstermin am 20. Juli 2021.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 wies die Rechtsanwältin darauf hin, dass die Terminsgebühr für den 19. August 2021 nicht doppelt berechnet worden sei, sondern es sich um eine weitere Terminsgebühr für die an jenem Tag gesondert stattgefundene sachverständige Begutachtung der Nebenkläger, der die Rechtsanwältin beigewohnt habe, angefallen sei. Mit weiterem Schreiben vom 22. Dezember 2021 vertrat die Rechtsanwältin die Auffassung, dass für die Teilnahme an der Begutachtung jedenfalls die Gebühr Nr. 4102 VV RVG angefallen sei. Gegen die Kürzung um den Längenzuschlag für die Hauptverhandlung vom 20. Juli 2021 wehrt sie sich nicht.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat die Eingabe der Rechtsanwältin als Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Dezember 2022 gewertet und dieser nicht abgeholfen. Der Einzelrichter hat die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auf die Strafkammer in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Mit Beschluss vom 19. September 2022 hat das Landgericht auf die Erinnerung der Rechtsanwältin den angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss dahin abgeändert, dass für die Teilnahme an der sachverständigen Begutachtung eine weitere aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung in Höhe von 178,50 EUR festgesetzt wird. Dabei handelt es sich um eine weitere Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG. Zudem hat es wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.

Gegen den Beschluss des Landgerichts wendet sich der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Cottbus mit seiner Beschwerde vom 5. Oktober 2022. Er vertritt die Auffassung, dass die Aufzählung in Nr. 4102 VV RVG abschließend und einer entsprechenden Anwendung nicht zugänglich sei.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist zulässig und unbegründet.

Zu Unrecht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss der Rechtsanwältin für die Teilnahme an der sachverständigen Begutachtung die Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG zugesprochen.

Die Frage, ob es sich bei der Regelung in Nr. 4102 VV RVG um eine abschließende Regelung handelt, die eine entsprechende Anwendung ausschließt, wird unterschiedlich beantwortet. In der Rechtsprechung wird, zumindest teilweise, eine entsprechende Anwendung für zulässig gehalten (vgl. etwa LG Hamburg, Beschluss vom 24. November 201, Az.: 617 Ks 22/16, m.w.N., zitiert nach juris).

Verneint wird die Möglichkeit einer analogen Anwendung vor allem in der Literatur (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG VV 4102 Rn.5; BeckOK RVG/Knaudt RVG VV 4102 Rn. 11, Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4102 VV Rn. 45) und der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. August 2011, Az.: 1 Ws 89/11; KG, Beschluss vom 18. November 2011, Az.: 1 Ws 86/11; OLG Köln, Beschluss vom 23. Juli 2014, Az.: III-2 Ws 416/14; alle zitiert nach juris).

Der Senat folgt letzterer Auffassung.

Danach scheidet eine entsprechende Anwendung der Nr. 4102 VV RVG auf weitere, dort nicht bezeichnete Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der Hauptverhandlung aus. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die abschließend auflistet, für welche Termine außerhalb der Hauptverhandlung der Rechtsanwalt eine Gebühr beanspruchen kann. Dafür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, welche in den Ziffern 1 bis 5 einzelne konkret bestimmte Tatbestände regelt und dabei keinen Auffangtatbestand vorsieht (vgl. OLG Saarbücken a.a.O.; Burhoff a.a.O.). Dem entspricht auch die Vorbemerkung 4.1 Abs. 2 zum 4. Teil VV RVG, wonach durch die (in dem VV bezeichneten) Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts entgolten wird. Aus dem Regelungszusammenhang der Gebührenvorschriften in Teil 4 VV RVG folgt demnach, dass Termine außerhalb der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht zusätzlich vergütet werden (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.; KG a.a.O.), sondern regelmäßig durch die jeweilige Verfa...

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