Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf Rechtsfolgenausspruch bei fehlenden Feststellungen zu Täuschung und Irrtum bei Betrugsvorwurf

 

Leitsatz (amtlich)

Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf Rechtsfolgenausspruch bei fehlenden Feststellungen zu Täuschung und Irrtum bei Betrugsvorwurf.‹

 

Normenkette

StPO § 318

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Entscheidung vom 21.08.2009)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 21. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Oranienburg hat den Angeklagten am 10. März 2009 wegen Betruges in fünf Fällen zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Neuruppin Berufung eingelegt und das Rechtsmittel jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Berufung des Angeklagten hat die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin durch Urteil vom 21. August 2009 als unbegründet verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft Neuruppin den Angeklagten unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Oranienburg zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Mit seiner am 25. August 2009 bei dem Landgericht eingegangenen Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt in ihrer Stellungnahme vom 5. Januar 2010, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Das Landgericht ist zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen.

1. Auch ohne entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn, wie hier, das Berufungsgericht wegen der von den Berufungsführern erklärten Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) sich nur mit einzelnen Teilen des Ersturteils befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist (OLG Nürnberg StraFo 2007, 339 m.w.N.).

Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch allein anfechtbar. Die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Deshalb kann und darf das Revisionsgericht regelmäßig diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Schuldfeststellungen eine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Sind sie dagegen so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden, so ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch stets unwirksam (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. § 318 Rdnr. 16; OLG Hamm, Beschluss vom 31.3.2009, 1 Ss 111/09, zitiert nach juris). Denn Grundlage für die Strafzumessung ist die Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB); die die Schuld bestimmenden Umstände sind daher in der Regel zugleich wesentliche Strafzumessungstatsachen (vgl. § 46 Abs. 2 StGB).

2. Vorliegend tragen die Feststellungen des Amtsgerichts den Schuldspruch wegen Betruges nicht.

Das Amtsgericht Oranienburg hat zum Tathergang lediglich Folgendes festgestellt:

" Die Zeugin ... tätigte für die körperbehinderte geschädigte Zeugin ... im September 2008 verschiedene Einkäufe und Erledigungen, wobei ihr vorher die Zeugin ... ihre EC-Karte mit zugehöriger PIN-Nummer übergeben hatte. Die Zeugin ... übergab diese EC-Karte sowie die PIN-Nummer ihrem Freund, dem Angeklagten, damit er ihr bei den Besorgungen helfe und Geld nach Vereinbarung abhole. Der Angeklagte nutzte die ihm übergebene EC-Karte der Zeugin ... darüber hinaus unberechtigt für eigene Abhebungen und verbrauchte das dadurch [erlangte] Geld für sich.

Im Einzelnen hob der Angeklagte an verschiedenen Geldautomaten folgende Beträge unberechtigt vom Konto der geschädigten Zeugin ... ab:

1. am 12.9.2008 um 15:38 Uhr einen Betrag von 200 €,

2. am 19.9.2008 um 12:05 Uhr einen Betrag von 200 €,

3. am 19.9.2008 um 12:03 Uhr einen Betrag von 200 €,

4. am 22.9.2008 um 14:36 Uhr einen Betrag von 160 €,

5. am 30.9.2008 um 12:46 Uhr einen Betrag von 400 €."

Diese Feststellungen hat das Landgericht Neuruppin aufgrund der als wirksam erachteten Berufungsbeschränkung als rechtskräftig angesehen und dem Urteil unverändert zu Grunde gelegt. Soweit als Tattag de...

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