Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindeswohl und Wohnungszuweisung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein erträgliches Nebeneinander der unerbittlich streitenden Parteien in der relativ kleinen Ehewohnung nicht mehr möglich, sind die Voraussetzungen für die Wohnungszuweisung i.S.d. § 1361b Abs. 1 BGB bereits erfüllt.

2. Gemäß § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB ist die Beeinträchtigung des Kindeswohls ein Tatbestand für das Vorliegen einer unerbittlichen Härte. Sind von der Wohnungszuweisung Kinder betroffen, haben die Belange grundsätzlich Priorität bei der Billigkeitsabwägung.

 

Normenkette

BGB § 1361b Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Lübben (Beschluss vom 27.01.2010; Aktenzeichen 30 F 39/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG Lübben vom 27.1.2010 - Az. 30 F 39/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.500 EUR.

II. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... in L. bewilligt.

 

Gründe

I. Das AG Lübben hat mit Beschluss vom 27.1.2010 nach mündlicher Erörterung im Wege der einstweiligen Anordnung die bisherige Ehewohnung der Parteien in der ...-Straße 39 in L. der Antragstellerin für die Zeit der Trennung zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Zur Begründung hat das AG auf erbitterte Auseinandersetzungen der Parteien innerhalb der räumlich sehr beengten Ehewohnung abgestellt, die sich in erheblicher Weise nachteilig insbesondere auch auf das Wohl der drei im Haushalt lebenden Kinder auswirkten.

Gegen diesen ihm am 1.2.2010 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 8.2.2010 beim AG Lübben eingegangen Beschwerde, mit der er ein Bedürfnis für eine Wohnungszuweisung mit der Behauptung, dass seit dem Anhörungstermin "ein gemeinsames Zusammenleben der Parteien stattgefunden (habe) und dies ohne nennenswerte Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen" verlaufen sei, in Abrede stellt.

Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Das im Anhörungstermin vor dem AG am 27.1.2010 durch Frau S. vertretene Jugendamt des Landkreises ... hat ausdrücklich keinen Antrag auf Beteiligung gestellt (Bl. 36 GA).

II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gem. § 57 Satz 2 Nr. 5 FamFG statthaft. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht i.S.v. §§ 63 f. FamFG eingereicht worden, also insgesamt zulässig. In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Mit den im einstweiligen Anordnungsverfahren gegebenen Erkenntnismöglichkeiten ist kein anderes als das vom Familiengericht gefundene Ergebnis zu erzielen. Das AG hat mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug nimmt, festgestellt, dass ein erträgliches Nebeneinander der Parteien mit den zwei gemeinsamen Kindern S. und C. R. und der Tochter der Antragstellerin, V. H..., in der mit nur 66,10 qm großen Ehewohnung seit der Trennung im November 2009 nicht mehr möglich ist und nicht zuletzt oder vielmehr insbesondere - diesem Gesichtspunkt misst der Senat noch deutlich größeres Gewicht bei als das AG - aus Gründen des Kindeswohls eine räumliche Trennung im Wege einer Wohnungszuweisung dringend erforderlich ist.

a) Die Antragstellerin hat dezidiert eine Vielzahl einzelner Vorfälle geschildert, die Zeugnis ablegen von sehr heftigen verbalen Auseinandersetzungen der Parteien, insbesondere im Zusammenhang mit sehr differierenden Vorstellungen über die Erziehung und Behandlung der im Haushalt lebenden drei Kinder im Alter von knapp acht Jahren (V.), knapp vier Jahren (S.) und rund 2 ½ Jahren (C.). Diesem Vorbringen ist der Antragsgegner schon nur sehr pauschal und im Übrigen teilweise auch widersprüchlich, mithin letztlich unerheblich entgegengetreten. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die von der Antragstellerin behaupteten - außerordentlich heftigen - verbalen Entgleisungen des Antragsgegners ihr selbst bzw. ihrer Tochter gegenüber tatsächlich erfolgt sind. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, welcher der getrennt lebenden Ehepartner welchen Beitrag zu den dauernden Streitigkeiten geleistet hat. Es ist nämlich gar nicht erforderlich, dass das Fehlverhalten ausschließlich vom anderen Ehepartner ausgeht. Die Zuweisung an einen Ehepartner ist tatsächlich selbst dann möglich, wenn die Auseinandersetzungen nicht überwiegend auf das Verhalten des anderen zurückzuführen sind. Die Eingriffsschwelle ist nur höher anzusetzen, wenn auch von dem die Zuweisung begehrenden Ehepartner Provokationen ausgegangen sind. Haben beide Ehepartner gleichermaßen dazu beigetragen, dass die Wohnsituation "unerträglich" wurde, kommt es darauf an, welchen Ehepartner der Verlust der Wohnung persönlich oder beruflich härter trifft und welcher Ehepartner wirtschaftlich eher in der Lage ist, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden (Johan...

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