Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine aus sich heraus unverständliche Begründung einer sofortigen Beschwerde erst durch die Lektüre des angefochtenen Beschlusses der Vergabekammer verständlich, ist zweifelhaft, ob dies den formellen Anforderungen an die Beschwerdebegründung genügt.

2. Ein Beschwerdeführer, der geltend macht, der Nachprüfungsgegenstand sei ein verwaltungsrechtliches Konkurrentenstreitverfahren und damit der Vergabekammer als Entscheidungsgegenstand entzogen, ist durch eine Entscheidung nicht beschwert, in der sich die Vergabekammer aus anderen Gründen für nicht entscheidungsbefugt gehalten hat.

3. Dass der Auftraggeber von einer Vergabe des Auftrages unter Anwendung des Kartellvergaberechts absieht, ist kein Rechtsschutzziel, das im Nachprüfungsverfahren zulässigerweise verfolgt werden kann.

4. Hat der Auftraggeber in der europaweiten Bekanntmachung mitgeteilt, dass ein Nachprüfungsantrag spätestens 15 Kalendertage nach Eingang einer Auftraggebermitteilung, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, zu stellen ist, ist ein nach Ablauf dieser Frist eingereichter Nachprüfungsantrag unzulässig.

Die sofortige Beschwerde ist nach diesem Beschluss zurückgenommen worden.

 

Normenkette

GWB § 97 Abs. 7, § 107 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 4, § 117 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Beschluss vom 08.09.2010; Aktenzeichen VK 44/10)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 21.9.2010 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 8.9.2010 - VK 44/10 - bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin, ihr Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen zwei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.

 

Gründe

I. Der Auftraggeber machte am 22.1.2010 die "Vergabe von Leistungen des öffentlichen Straßenpersonennahverkehrs im Genehmigungswettbewerb nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007" für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 31.7.2017 im Offenen Verfahren europaweit bekannt.

Der Auftrag umfasst sechs im Linienbündel S., Teil B, zusammengefasste Linien mit einem Leistungsumfang von 665.000 Nutz-km pro Jahr, darunter 55.000 Nutz-km abrufbare bedarfsabhängige Leistungen. Die Vergabe und Genehmigung sollte nach der Bekanntmachung ausschließlich auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und des § 13 PBefG erfolgen. Das Verfahren sollte in Anlehnung, jedoch ausdrücklich nicht in unmittelbarer Anwendung der Vergabeverordnung und der Verdingungsordnungen durchgeführt werden. Eine zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren bezeichnete die Bekanntmachung nicht.

In Ziff. 5. der "Vorgaben und Bewertungskriterien" zu diesem Verfahren heißt es, dass der Antrag mit der höchsten Gesamtpunktzahl ausgewählt und zur Genehmigungserteilung vorgeschlagen werde. Wenn jedoch die Punktzahl des am höchsten bewerteten Antrages nicht eine mindestens 8 % höhere Punktzahl erreiche als die des Altkonzessionär, erfolge eine Wiedererteilung der Genehmigung an den Altkonzessionär.

Altkonzessionärin ist die Antragstellerin, die die ausgeschriebenen Leistungen aufgrund eines mit dem Auftraggeber geschlossenen Verkehrsvertrages mit einer Laufzeit bis zum Jahre 2017 und einer bis zum 31.12.2010 geltenden Genehmigung nach dem PBefG ausführt.

Die Antragstellerin beteiligte sich am Teilnahmewettbewerb und gehörte zu den ausgewählten Teilnehmern, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wurden. Mit Schreiben vom 10.5.2010 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass das von ihr in jenem Verfahren in Bietergemeinschaft eingereichte Angebot wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbes ausgeschlossen worden sei. Da kein wertbares Angebot vorlag, wurde das Verfahren aufgehoben und die Neuausschreibung dieser Leistungen angekündigt.

Mit erneuter europaweiter Bekanntmachung vom 15.5.2010 veröffentlichte der Auftraggeber die "Erbringung von Dienstleistungen im öffentlichen Straßenpersonennahverkehr" im Linienbündel S., Teil B, im Beschleunigten Nichtoffenen Verfahren. Der Leistungsumfang war unverändert, eine Aufteilung in Lose nicht vorgesehen. Varianten/Alternativangebote waren zugelassen. Zur Wahl der Verfahrensart heißt es in Ziff. IV. 1.1), dass eine besondere Dringlichkeit aufgrund auslaufender Liniengenehmigungen bestehe. Der Zuschlag sollte nach Ziff. IV. 2.1) auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen aufgeführt sind, erteilt werden. Schlusstermin für den Eingang der Angebote/Teilnahmeanträge war der 28.5.2010. Unter Ziffer VI. 4.1) wurde die Vergabekammer des Landes Brandenburg als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren angegeben. In Ziffer VI. 4.2) der Bekanntmachung wird wegen der Einlegung von Rechtsbehelfen auf die Fristen des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 GWB hingewiesen.

Mit Schreiben v...

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