Leitsatz (amtlich)

1. Ein allgemeiner Vorrang des weniger oder überhaupt nicht berufstätigen Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil besteht im Rahmen des Förderungsgrundsatzes nicht.

2. Zur Bedeutung des Kontinuitätsgrundsatzes, wenn bei den übrigen Kindeswohlkriterien ein Gleichrang der Eltern anzunehmen ist.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Eisenhüttenstadt (Beschluss vom 19.11.2015; Aktenzeichen 7 F 26/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG Eisenhüttenstadt vom 19.11.2015 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde des Vaters wird der Beschluss des AG Eisenhüttenstadt vom 19.11.2015 abgeändert.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind M. W., geboren am... August 2010, wird auf den Vater allein übertragen.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den Eltern je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Eltern streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den am... 8.2010 geborenen gemeinsamen Sohn M., für den sie auf Grund der Sorgeerklärung vom 9.8.2011 die elterliche Sorge gemeinsam ausüben.

Die Trennung der Eltern erfolgte im Jahr 2013. Durch schriftliche Vereinbarung vom 30.8.2013 regelten die Eltern, dass sich der Lebensmittelpunkt für M. zu gleichen Teilen bei beiden Elternteilen befindet. Unter dem 26.8.2014 hat die Mutter das vorliegende Verfahren mit dem Antrag eingeleitet, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. allein zu übertragen. Dabei hat sie sich gegen den ständigen Wechsel des Kindes zwischen den Haushalten der Eltern ausgesprochen. Der Vater ist dem entgegen getreten und hat seinerseits beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu übertragen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 19.11.2015 hat das AG die Anträge beider Elternteile zurückgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Sie trägt vor:

Entgegen der Auffassung des AG habe die Durchführung des Wechselmodells sehr wohl zu Auffälligkeiten beim Kind geführt. Bei Rückkehr in ihren Haushalt benötige M. stets mindestens drei Tage, um zur Ruhe zu kommen. Auch unterschiedliche Erziehungsstile erschwerten das Wechselmodell.

Sie, die Mutter, könne sich auf die Belange des Kindes besser einstellen und biete ein hohes Maß an Kontinuität. Bereits aufgrund der Arbeitszeiten sei es dem Vater nicht möglich, das Kind in ausreichendem Maße allein zu betreuen. Nachmittags und abends gehe er arbeiten. Das Kind werde dann überwiegend von den Großeltern väterlicherseits betreut. Insbesondere wenn M. im Jahr 2016 eingeschult werde, sei eine Betreuung am Nachmittag durch einen Elternteil unabdingbar.

Während des Zusammenlebens der Eltern habe sie, die Mutter, sich fast ausschließlich um die Erziehung und Betreuung des Kindes gekümmert. Die Wochen, in denen M. bei ihr lebe, seien von großer Regelmäßigkeit geprägt. Zu dem zwischen den Eltern bestehenden Konfliktpotential trügen die Großeltern väterlicherseits mit bei. Diese Meinungsverschiedenheiten bemerke das Kind. Die Kommunikation zwischen den Eltern erfolge derzeit nur schriftlich.

Sie, die Mutter, beabsichtige zudem, umzuziehen. Der neue Wohnort schließe die Beibehaltung des Wechselmodells aus, sodass die Abkehr hiervon zwingend erforderlich sei.

Die Mutter beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. allein zu übertragen.

Der Vater beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, und im Wege der Anschlussbeschwerde, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. allein zu übertragen.

Die Mutter beantragt ferner, die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Der Vater trägt vor:

Beim ihm werde der Kontinuitätsgrundsatz gewahrt, da er einen Umzug nicht beabsichtige. Das Wechselmodell habe M. am wenigsten belastet. Die Anschlussbeschwerde sei für den Fall eingelegt worden, dass das Wechselmodell auf Grund der nach dem Umzug eingetretenen zu großen Entfernungen nicht mehr praktizierbar sei. M. solle im gewohnten Umfeld verbleiben, weiter seine Freunde treffen können und den Kontakt zu den Großeltern väterlicherseits behalten. Dass diese die Kinderbetreuung unterstützten, sei nicht unüblich und von der Mutter in der Vergangenheit auch genutzt worden.

Seine Arbeitszeiten könne er flexibel gestalten. Den Kindergarten könne M. bis nachmittags besuchen. Bei der Mutter sei der durch das erwartete dritte Kind gesteigerte Erziehungsaufwand zu beachten.

Obwohl zwischen den Eltern Einigkeit darüber bestanden habe, M. im Sommer einzuschulen, wolle die Mutter nun - wohl im Hinblick auf ihren Umzug - eine Zurückstellung um ein Jahr. Nach der Einschulung stehe ein Hort für die Nachmittagsbetreuung zur Verfügung.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ...

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