Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bei Rechtsmittel gegen ein offensichtlich falsches Urteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO findet dann keine Anwendung, wenn das Urteil offensichtlich falsch und die Rechtsverteidigung daher schlechthin aussichtslos ist.

2. Das zur Erfüllung der gesteigerten Erwerbsobliegenheit erzielte Einkommen eines ALG II-Empfängers bleibt gem. § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II anrechnungsfrei.

3. Auch im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit ist unterhaltsrechtlich anzuerkennen, wenn der Unterhaltspflichtige seine Erstausbildung absolviert.

 

Normenkette

ZPO § 119 Abs. 1 S. 2; BGB § 1603 Abs. 2; SGB II § 11 Abs. 2 Nr. 7

 

Verfahrensgang

AG Senftenberg (Aktenzeichen 31 F 250/07)

 

Tenor

1. Dem Kläger wird unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags für die Durchführung der Berufung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W in ... bewilligt, soweit er die Abänderung des angefochtenen Urteils dahingehend begehrt, den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt für die Zeit vom 1.7.2007 bis einschließlich 14.10.2007 i.H.v. monatlich 175 EUR zu verurteilen.

2. Dem Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags für die Verteidigung gegen die Berufung des Klägers ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin P in ... insoweit bewilligt, als er sich gegen den geltend gemachten Unterhaltsanspruch für die Zeit ab 15.10.2007 verteidigt. Die Beiordnung erfolgt zu den Bedingungen einer im Bezirk des OLG Brandenburg niedergelassenen Rechtsanwältin § 121 Abs. 2 ZPO).

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um den Mindestunterhaltsanspruch des Klägers.

Der am 11.6.2004 geborene Kläger ist der nichteheliche Sohn des Beklagten. Die Mutter des Klägers ist alleinsorgeberechtigt. Kläger und Kindesmutter erhalten Leistungen nach dem SGB II zur Bedarfssicherung; auf den zwischen der Bundesagentur für Arbeit und der Mutter des Klägers geschlossenen Rückübertragungsvertrag vom 7.9.2007 (Bl. 9 d.A.) wird Bezug genommen.

Der am 27.12.1985 geborene Beklagte hat nach dem Besuch der Hauptschule bis Juli 2004 ein Berufskolleg besucht, um den Hauptschulabschluss zu erreichen; das Abschlusszeugnis weist aus, dass er einen dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Abschuss erworben hat. Sodann hat er am Berufskolleg von November 2004 bis Juni 2005 einen Teilzeitbildungsgang mit 10 bis 14 Unterrichtsstunden pro Woche ohne Abschluss absolviert; es handelt sich um ein sog. Berufsvorbereitungsjahr. Bis März 2006 war er danach arbeitslos und hat Arbeitslosengeld II = ALG II bei Ableistung eines 1-Euro-Jobs bezogen. Von März 2006 bis September 2006 hat er in den Niederlanden als Zimmermannsgehilfe gearbeitet. Von November 2006 bis Oktober 2007 hat er erneut ALG II bei Ableistung eines 1-Euro-Jobs bezogen. Seit Mitte Oktober 2007 nimmt er an einer Berufsausbildung (Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice) teil. Hierfür erhält er im ersten Ausbildungsjahr 282 EUR bei einer täglichen Ausbildungszeit von 7,80 Stunden bzw. einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden.

Der Beklagte wohnt kostenfrei im Haus seiner Eltern. Er bezieht Wohngeld von 120 EUR. Zudem erhält er Kindergeld für sich selbst von 154 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 19.7.2007 hat der Kläger den Beklagten zur Auskunftserteilung über sein Einkommen aufgefordert.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte müsse sich als zumindest fiktiv leistungsfähig zur Zahlung des hier geltend gemachten Unterhaltes behandeln lassen.

Nachdem der Kläger zunächst eine Stufenklage erhoben hat, hat er sodann die Auskunftsstufe für erledigt erklärt - dem hat sich der Beklagte angeschlossen - und zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn zu Händen seiner Mutter ab Juli 2007 einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 175 EUR zu zahlen, den laufenden Unterhalt bis zum 5. Tag eines jeden Monats im Voraus.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, nicht leistungsfähig zu sein.

Mit dem am 14.12.2007 verkündeten Urteil hat das AG Senftenberg die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Leistungsunfähigkeit des Beklagten abgestellt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er in Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Zahlung eines monatlichen Kindesunterhaltes i.H.v. 175 EUR ab Juli 2007 begehrt. Für die Durchführung seiner Berufung begehrt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; gleichermaßen begehrt der Beklagte für die Verteidigung gegen die eingelegte Berufung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II. Die Anträge der Parteien auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe haben nur teilweisen Erfolg; i.Ü. sind sie zurückzuweisen.

1. Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass nach derzeitigem Stand seine Rechtsverteidigung keinerlei Erfolgsaussichten bietet, soweit dies den begehrten Unterhalt in der Zeit vom 1.7.2007 bis einschließlich 14.10.2007 betrifft. Insoweit liegt...

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